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~~~~~~~~~~~~James Sicht~~~~~~~~~~~

Der kalte Wind wehte den Schnee vom Boden auf, zerrte an James grauem Mantel und wirbelte seine länger gewordenen weißblonden Haare auf, ließ ihm am ganzen Leibe erzittern. Wie so oft befand er sich vor Lilith Grab, vor ihm ein Grabstein stehend, auf dem ihr Name und eine Lilie eingraviert war, und konnte immer noch nicht glauben, dass sie bereits ein Monat tot war. Wie oft hatte er im Schloss immer wieder gehofft sie zu sehen, wie sie im Gang auf ihn wartete und ihm half ein König zu sein. Seine letzte Verwandte war verstorben und nun gab es nur noch ihn; ihn, seine fremde Frau und sein Volk, welches ihn nicht völlig akzeptierte.
Diese Einsamkeit fraß sich in sein Innerstes, ließ ihn zweifeln ob er überhaupt die Kraft hatte, weiterhin diese Krone zu tragen. Die Zweifel waren da, doch könnte er niemals die Krone abgeben, denn diese war nicht nur sein Fluch, sondern auch sein Schutz.

Wieder musste er an Trimeer denken, die Stadt welche er mit seiner Streitmacht an sich gerißen hatte und dort seine Männer postiert waren. Immer wieder wurde ihm bewusst, dass er vielen Menschen mit dieser Entscheidung das Leben genommen hatte. Dieser Sieg war mit Schuldgefühlen geprägt und James fragte sich, wie sein Vater in der Lage gewesen war kaltblütig und herzlos zu bleiben.
Wie sagte er einst: "Jede Krone ist eine Blutkrone, getränkt im Blut der Geschlagenen und Geopferten."
Eine grausame Wahrheit und dennoch nicht zu verhindern.

"Weißt du, Lilith,...", sprach James mit dem Grabstein, dachte wie sie wohl darauf saß und ihn wieder mit großen, direkten Blicken durchbohrte.
"... ich denke oft an unsere Kindheit zurück. Daran wie wir in diesem kleinem Haus am Rand der Stadt versteckt waren und Mutter uns immer so wie sie konnte besuchte. Ich denke daran zurück, wie Mutter immer wieder etwas Geld in den Wänden versteckte um irgendwann genug zu haben, um mit uns aus Dracma fliehen zu können.
Beim Mond, wie oft frage ich mich wie unser Leben verlaufen wäre, wenn sie es geschafft hätte. Würden wir in einem kleinem Haus leben, auf irgendeinem Hof arbeiten, mit Mutter alt werden?" zitterte seine Stimme bei dieser verlorenen Zukunft.
"Wir sehr ich mir dieses Leben gewünscht hätte. Dann würde ich nämlich nicht vor diesem verdammtem Stein stehen müssen."

Für einen Moment hielt er inne, achtete darauf, dass keiner seine Tränen sah. Hinter ihm warteten seine Wachmänner, unter ihnen Caleb, die ihm Schutz boten und die Privatsphäre nahmen.
Verzweifelt blickte er auf dieses stille Grab, welches ihm vor Augen führte wie einsam er war.

"Lilith, ich weiß nicht was ich machen soll. Hilf mir, bitte." floß ohne seine Zustimmung eine Träne seine Wange hinab.

Doch das Grab blieb still.

Im Schloss zurückgekehrt wurde James direkt von einem Boten aufgehalten. Der junge Mann war atemlos und schien den König bereits länger zu suchen. Keuchend teilte er James mit, dass der amestrianische Diplomat im Schloss war und eine Nachricht von Königin Grace für ihn habe.
Bei ihrem Namen zog sich James Herz zusammen. Obwohl er ihr gegenüber Wut verspürte, so ließen ihn diese innigen Gefühle noch nicht los.
Wenn sie sich doch nur für ihn entschieden hätte, dachte James und spürte die gewünschte Wut wieder.
Sich beim Boten bedankend, machte er sich auf dem Weg.
Gespannt was Grace ihm mitzuteilen hatte, suchte er sein Ratssaal auf und begegnete seiner Ehefrau und Königin Amelia.
In der Zeit der Ehe waren die beiden sich doch allmählich angenähert. Auch wenn er ihr gegenüber keine Liebe verspürte, so fühlte er sich jedoch verstanden. Nach Lilith Tod hatte sie ihm beigestanden so nah James sie an sich eingelassen hatte.

"König James." begrüßte sie ihren Ehemann und in ihren Augen lag ein kleines Funkeln.
"Wie gut, dass ich Euch treffe. Es gäbe da etwas mit Euch zu besprechen."

"Alles zu seiner Zeit, Amelia. Im Ratssaal wartet ein wichtiges Gespräch auf mich." wimmelte James freundlich ab und gab seiner Ehefrau einen Kuss auf die Wange.
Zum Teil tat er dies aus Dankbarkeit, doch war dies eine Taktik, um den Gerüchten über James und seiner unerwiderten Liebe zu Grace Einhalt zu gebieten. Einige Adlige seines Rates sind sich über James Gefühle Grace gegenüber im Klaren und sind dem König nicht loyal ergeben. Es bräuchte mehr als eine Hochzeit und ein Angriff auf Amestria, um sie zu überzeugen.

Blutkrone Where stories live. Discover now