36. Die Wende

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Ich fühlte mich taub, leblos und gar nicht mehr so, wie ein Teil dieser Welt. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so merkwürdig gefühlt wie jetzt, konnte nur da sitzen, die Zimmerwand vor mir anstarren, meine eigenen Atmung als einziges dabei hören. Ich war da und doch war ich auch irgendwo ganz anders. Mein Kopf war so leer und doch spielten sich vor mir immer und immer wieder die Szenen der vergangenen Stunden ab. Bucky, meine versuchte Flucht, Ivans Tod. Es war so viel grauenvolles geschehen, nur war ich viel zu am Ende, um nur noch eine Träne zu vergießen, um weiter zu versuchen zu entkommen, um irgendwas zu machen. Ich konnte nur da sitzen, warten und mich darum bemühen geistig so sehr abzuschweifen, dass ich nicht mehr spürte, wie mein Körper schmerzte, wie meine gebrochene Rippe in mein Inneres drückte, mit Sicherheit kurz davor war irgendein wichtiges Organ zu durchbohren. Es war mir ja sowieso schleierhaft, wieso ich überhaupt noch lebte, wieso man mich nicht wie Ivan gleich im Gang erschossen hatte, doch egal was man auch für mich geplant hatte, es würde unschön werden und obwohl ich Angst haben sollte, ganz genau wusste, wie grausam HYDRA sein konnte, so war ich beängstigend ruhig. Ich hatte schließlich schon so einige grauenvolle Dinge erlebt gehabt und der Gedanke zu sterben, hatte mittlerweile etwas erheiterndes an sich. Im Tod gab es keinen Schmerz mehr, da wäre alles vorbei und auch wenn es unerträglich war zu wissen, dass Bucky vielleicht nie entkommen würde, sich vielleicht nicht genug erinnert hatte und somit alles für umsonst gewesen war, so hatte ich es immerhin versucht gehabt. Ich hatte es versucht, Ivan hatte mir geholfen und nun war er tot und ich wäre es bald auch.

Aus meinen Gedanken gerissen sah ich auf, als meine Türe aufgemacht wurde und zwei Wachen mein Zimmer betraten. Einen von ihnen kannte ich sogar, er war einige Jahr jünger als Ivan, jedoch ein guter Freund von diesem gewesen und somit als Wache hier sogar einer der Guten.

„Mitkommen!", befahl der andere Mann streng, während Ivans Freund, an dessen Namen ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte, mich mitleidig anblickte. Er wusste eben genau, was nun sein würde, wusste bereits, was aus seinem Freund geworden war und doch nahm ich es ihm nicht übel, dass er nicht auch rebellierte, einsah wie beschissen hier alles war. HYDRA war mächtig und niemand sollte mit der Angst leben müssen alles zu verlieren.

„Wohin?", fragte ich, stand dennoch von meinem Bett auf, versuchte keine Grimasse vor Schmerzen zu schneiden, doch es war wirklich grauenvoll, wie sehr mir alles weh tat.

„Wirst du schon sehen", erwiderte er unfreundlich und machte mir Platz, damit ich an ihm vorbei gehen könnte.

„Sie werden mich töten, nicht wahr?", fragte ich nun direkt an die freundlichere Wache gerichtet, der mit einem bedauernden Blick kurz nickte und damit mein Ende offenbarte. Das wäre es dann wohl gewesen. Ein letztes Mal schaute ich zurück in das Zimmer, in dem ich die letzten Jahrzehnte gelebt hatte, das mein eigenes kleines Gefängnis dargestellt hatte, ehe ich es endgültig verließ, es sicher nicht vermissen würde und den anderen beiden folgte.

Ich kam mir nicht mehr wirklich wie ich selbst vor, so wie ich durch die Gänge lief, mich auf meinem Todesmarsch befand. Auf eine gewisse Art und Weise war ich zwar da, doch geistig befand ich mich längst an einem anderen Ort, wollte an einem anderen Ort zumindest sein, schließlich war das hier, wo ich mich gerade befand, was gleich auf mich zukommen würde, es war zu grauenvoll, um daran zu denken. Mit jedem weiteren Schritt kam ich meinem eigenen Ende näher und näher, folgte dennoch ohne zu zögern den beiden Wachen weiter, durch Gänge, in denen ich noch nie gewesen war, zu einem Teil des Gebäudes, der mir noch völlig fremd war. Wäre hier ein extra Hinrichtungsplatz? Wäre hier eine Art Massengrab für all diejenigen, die von HYDRA hingerichtet wurden? Würde ich nur eine von vielen anderen Toten bald sein? Ich zog zittrig von diesem Gedanken die Luft ein, doch es war nicht sehr erfreulich, wenn man nie ein eigenes Grab zumindest haben würde, so wie meine Eltern nie eines gehabt hatten, schließlich war von ihnen nach den Bomben nicht mehr viel übrig geblieben und wer hatte schon Lust sich die Mühe zu machen während des Krieges Leichenstücke zu trennen? Nein, sie lagen nun so wie der Großteil meines früheren Dorfes irgendwo in einem Massengrab, wo niemand wissen würde, wer sie waren.

Malia|| Winter Soldier Story ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt