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Rom, Oktober, 33 n. Chr.

„Ich habe mich noch nie so fehl am Platz gefühlt...", murrte Titus seiner Frau zu.
Durch den silbernen Brustpanzer, den ihr Vater für ihn hatte anfertigen lassen, konnte er sich nicht einmal richtig zur ihr hinunterbeugen und stand daher unnatürlich starr an ihrer Seite. In der neuen Uniform sah er tatsächlich aus wie ein römischer Tribun, keiner wäre auf die Idee gekommen, dass dieser Aufzug in Wahrheit nur ein Kostüm war.

„Keine Sorge", erwiderte Claudia, „So geht es mir bereits seit Jahren." Auch sie trug ein neues Kleid, ihre Mutter hatte es eigens für das Fest anfertigen lassen, um ihre Tochter in der neusten Mode zu präsentieren. Allein die Tunika musste mehr gekostet haben als Titus im Jahr verdiente.
Rasch nahm sie ihren Mann am Arm. " Es wird nicht lange dauern. Wenn wir dem Kaiser vorgestellt wurden, können wir gehen."

„Und wenn Veronika nicht kommt? Dein Vater kann dich immer noch hier behalten..."

„Keine Sorge. Lydia hat mir versichert, dass Veronika kommen wird. Und falls nicht... Unser Wagen wartet draußen. Wenn die Sache zu heikel wird, können wir immer noch in der Menge untertauchen und verschwinden." Claudia sagte das alles in einem sicheren Ton, um Titus zu beruhigen, auch wenn sie selbst überhaupt nicht ruhig war.
Sollte Veronika nicht auf dem Fest erscheinen, hätten sie ein ernstes Problem. Sie glaubte zwar wirklich, dass ihr Vater sich an ihre Abmachung halten würde, doch wenn sie ihren Teil nicht erfüllte, wäre die hinfällig. Und damit auch ihr Schutz.

„Denk daran. Es ist für unseren Sohn", flüsterte sie. Lucius war bei Lydia auf Capri geblieben, fürs erste in Sicherheit und weg von ihrem Vater. Sein Zustand hatte sich weder verbessert, noch verschlechtert, trotz der besseren Behandlung. Sie konnte nur hoffen, dass die Zeit und eine längere Pflege Linderung brachten.

„Ab wann ist es hier angemessen, sich zu betrinken?", fragte Titus und versteifte sich. Claudia sah ihrem Mann an, wie unwohl er sich in der Gesellschaft der römischen Aristokratie fühlte, seit sie hier waren, hatte er keine Minute still gestanden und seine ganze Haltung drückte Anspannung aus.

Das Fest des Kaisers fand in seinem Tanzsaal statt, ein großer mit Marmor ausgekleideter Raum. Es gab Wasserspiele, Blumengirlanden an den Wänden, Musiker, Tänzerinnen und jede Menge Wein. Die Feier hatte gerade erst begonnen und nur wenige hatten sich bereits zum Essen auf den Liegen niedergelassen, die überall im Raum verteilt waren. Stattdessen flanierten die Gäste umher, begrüßten sich mit Wangenküssen und falschem Lächeln, während die Frauen hinter vorgehaltenem Mund über die Kleidung der anderen lästerten und Sklaven mit Getränken zwischen ihnen umherhuschten.

„Dazu ist der Abend noch zu jung. Du musst mindestens warten, bis der Kaiser da ist und die Gäste begrüßt hat. Aber du könntest dir die Zeit vertreiben und etwas essen."

Titus' Kopf wandte sich zu der langen Speisetafel, die sich hinter ihnen die Wand entlang zog. Alle erdenklichen Gerichte waren dort aufgetischt, Feigen, in Honig geschwenkt, mit Minzfleisch gefüllte Schnecken, Fischeier, auf Rosenblättern angerichtete Vögel, die man mit Pflaumen und Gewürzen gestopft hatte, Tintenfisch und Muscheln...
Sie wusste, dass ihr Mann als ehemaliger Sklave nie in seinem Leben vor so einer Auswahl gestanden hatte und es versetzte ihr einen Stich, vor allem, als er ans Ende der Tafel deutete. „Was soll das denn?"

Auf einem Silberteller lagen feinsäuberlich gestapelt mehrere Dutzend Pfauenfedern.

Claudia schluckte. „Glaub mir", rasch fasste sie Titus am Arm und zog ihn von den Tischen weg, „Das willst du gar nicht wissen."

Auf einmal schwoll die Musik an, eine Fanfare durchdrang die Gespräche. „Macht Weg für Kaiser Tiberius!"

Sofort wichen die Patrizier an die Wände zurück, sodass ein breiter Durchgang in der Mitte entstand.

VeronikaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt