5

805 120 12
                                    

Rom, 1. November, 33.n.Chr.

Ein Brautkleid. Das war es, was Markus ihr für den heutigen Anlass hingelegt hatte.

Veronika fuhr über den feinen Stoff. Weiß, natürlich, denn das symbolisierte wie die Kleider der Vestalinnen ihre Reinheit und Unschuld. Sie würde vor den Kaiser treten, schon als seine Braut gezeichnet.

„Ich kann Euch etwas anderes bringen lassen, wenn Ihr das nicht tragen wollt", hatte Fulvia gesagt, als sie den Blick ihrer Herrin gesehen hatte.

„Nein." Veronika hörte ihre Stimme nur wie ein fernes Echo. „Ich bin doch eine Braut, oder nicht?"

Die Sklaven halfen ihr beim Ankleiden. Drapierten die langen Stoffbahnen. Steckten ihr Haar hoch. Setzten Granatsplitter an ihre Ohren.

„Ihr seht schöner aus als jede Kaiserin", versicherte ihr eines der Mädchen. „Euer Bräutigam wird das Kleid lieben."

„Der achtet auf ein anderes Kleid", flüsterte Veronika, doch niemand hörte es.
Als sie ihr einen zarten Schleier im Haar feststeckten, schloss die Braut ihre Augen.

Unter ihnen im Atrium umfasste Antonius derweil einen anderen Schleier. Claudia hatte ihm das Tuch nicht persönlich gebracht. Obwohl sie eigens für den Prozess ihrer Schwester nach Rom gekommen war, hatte Markus ihre Anwesenheit nicht gestattet. Sie wartete draußen bei den Dienstboten vor der Villa auf den Ausgang der Verhandlungen.

Er hingegen durfte, musste, anwesend sein. Antonius wusste nicht, wie er seiner Tochter in die Augen schauen sollte. Er hatte geglaubt, Markus wäre eine gute Partie für sie, dass ihre plötzliche Abneigung gegen ihn nur eine dumme Laune war, wie bei Claudia.
Das war bevor er gesehen hatte, wie sie vor ihm geflohen war. Bevor Markus sein wahres Gesicht gezeigt und ihn vor halb Rom ruiniert hatte.
Er spürte die verächtlichen Blicke der anderen Senatoren genau, auch wenn er sie nicht ansah. Markus hatte sich bei der Suche nach seinen Töchtern als sein Verbündeter, als perfekter Schwiegersohn ausgegeben nur, um ihn bei erster Gelegenheit zu verraten. Und nun musste er seine Tochter mit diesem Monster verheiraten.
Das würden ihm weder Claudia noch Veronika je verzeihen.

Der Kaiser betrat das Atrium. Antonius neigte wie alle anderen den Kopf und beobachtete dann wie sich Tiberius mit freundlicher Hilfe von Markus auf den Stuhl setzte, der an der Stirnseite des Atriums für ihn aufgestellt war. Die beiden wechselten ein paar Worte. Markus grinste über beide Ohren.

Dann kam sie.

Als wäre sie schon Braut schritt Veronika zwischen den Senatoren auf den Kaiser zu. Sie weinte nicht, wie es andere unglückliche Mädchen an ihrer Stelle getan hätten. Ihr Schritt war gemessen und würdevoll, das Kleid und der Schleier, den sie hinter sich herzog, perfekt.

Auf halber Strecke hielt sie inne. Antonius konnte sie nur anstarren als sie auf ihn zukam und ihm das Muschelseidetuch abnahm. Dabei berührte sie kurz seine Hand. Ihre Fingerspitzen waren eiskalt.

„Danke, Vater", sagte sie mit einem Lächeln.

Ohne weitere Worte wandte sie sich wieder nach vorne und trat die letzten Meter auf Markus und den Kaiser zu.

„Veronika" Tiberius hatte einen freundlichen Ton angeschlagen, eher wie ein Großvater als ein Kaiser. „Du weißt, warum du hier bist?"

„Ja, Herr", sagte sie mit klarer Stimme. Kein Zittern war zu hören. "Ich bin des Hochverrats beschuldigt und-"

„Ja, Ja..." Tiberius machte eine wegwerfende Geste. „Das lassen Wir mal beiseite. Du siehst sehr schön aus. Und was sagst du zu deinem Bräutigam?" Er klopfte Markus auf den Arm. "Ein stattlicher Mann, nicht? Dieser Moment muss groß für ihn sein. Er hat ja das halbe Reich für dich auf den Kopf gestellt."

VeronikaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt