XLII

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«Darf ich dich etwas fragen?» Meine Stimme drohte, als wäre sie eine zu Boden fallende Weinflasche, zu zersplittern

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«Darf ich dich etwas fragen?» Meine Stimme drohte, als wäre sie eine zu Boden fallende Weinflasche, zu zersplittern. So sehr, dass es sich sogar anfühlte, als würde ich mit Scherben in der Kehle sprechen, die mich innerlich aufschnitten und quälten.

Ryou nickte langsam und wartete mit gesenktem Blick auf meine Frage. Er hatte mir erklärt, warum er es tat, warum er Leute tötete, aber wie kam es zu Kian Walker? Wieso ein Praktikum bei Leuten, die man angeblich hasst?

«Wieso hast du Kian Walker erschaffen? Waru-» «Warum habe ich ein Praktikum bei der Polizei angefangen?» Ich nickte ihm zu und wich seinem Blick aus, als er mich komischerweise aus vergnügten Augen ansah.

«Du bist auf bestem Wege, selbst eine super Polizistin zu werden. Das solltest du doch schon längst durchschaut und verstanden haben.» Wieder nickte ich, denn er hatte recht, aber ich wollte es von ihm hören. Seine Worte würden meine Neugierde befriedigen und ruhigstellen können. Meine Vermutungen und Spekulationen konnten das nicht.

Ich wusste nicht, was ich Ryou antworten könnte, weshalb ich ruhig geblieben war, jedoch wartete er auf irgendetwas. Er erhoffte sich, dass ich es für ihn aussprechen würde, aber ich tat es nicht. Deswegen bewegte er sich zwei kleine Schritte von mir weg und ein Seufzen entfloh seinen eigentlich so rötlichen Lippen, die heute ein dumpfes, lebloses rosé verkörperten.

Ryous Glanz verblasste. Oder, um es richtig zu sagen: Kians Glanz, den er als Schutzschild um sich geschaffen und getragen hatte, war verschwunden. Ryous Freude und Sonnenstrahlen, die er sicherlich als Kind in sich beschützt hatte, waren schon längst von ihm gegangen. Wahrscheinlich in dem Moment, als seine Mutter es auch getan hatte.

«Weißt du, am Ende des Tages bin ich immer noch ein Mörder, der so viele Leute wie möglich mit sich in den Tod reißen wollte. Auch jetzt. Ich denke, du verstehst nicht, wie laut die Schreie in meinem Kopf sind und wie schwer es mir fällt, nicht in dir und deinem Leiden das High zu ergattern, dass mir jetzt gerade helfen könnte.»

Er kam wieder auf mich zu und lehnte sich weit zu mir herunter. «Meine Fingerspitzen kribbeln, meine Augen zucken hin und her und dieses grässliche Gefühl von Sandpapier, das meine Haut grob und mit jedem Zug aufreißt , kann ich nur loswerden, wenn ich diesen Kick verspüre.» Ich bewegte mich nicht, als Ryou seine Hand um meinen Hals legte und begann mich milde zu würgen.

Seinen Atem, den ich auf meinen Lippen spürte, ließ mich erschaudern, aber nicht aus Angst. Seit ich wusste, wer Ryou war, konnte ich mich nicht mehr vor ihm fürchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mich hier und jetzt töten würde, war minimal.

Es bestand noch immer eine Chance, aber auch dies schüchterte mich keineswegs ein. Wenn er es tun würde, dann wäre es halt so. Ein Schicksal, das mir so dicht auf den Fersen hockte, würde ich nicht mehr versuchen zu verhindern. «Dir steht nichts im Weg. Ich halte dich nicht auf. Wenn es dir hilft, so tu es, töte mich.»

BETRAYALWhere stories live. Discover now