R Y O U

14.5K 594 401
                                    

«Babe? Kannst du bitte kurz den Kleinen halten?» Die frisch gewordene Mutter lauschte ihrem Ehemann, welcher auch gleich ins Wohnzimmer marschiert kam

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

«Babe? Kannst du bitte kurz den Kleinen halten?» Die frisch gewordene Mutter lauschte ihrem Ehemann, welcher auch gleich ins Wohnzimmer marschiert kam. «Ich muss noch Papierkram erledigen», erklärte sie und deutete auf ihr Abzeichen als Polizistin. «Sicher. Gib mir den Engel», schwärmte der verliebte Vater und langte nach dem winzigen Baby.

Hier in New York regnete es wieder einmal, aber das war man sich mittlerweile schon gewohnt. Barbara huschte in ihr Büro und öffnete dort ein Fenster, um trotzdem etwas frische Luft abzubekommen.

Der Kleine war vor knapp einer Woche zur Welt gekommen und obwohl sie sich im Mutterschaftsurlaub befand, konnte sie es nicht lassen. Der Workaholic in ihr kam nicht zur Ruhe und zwang sie dazu sich in ihren Stuhl zu setzen, damit sie dort einige neue Fälle überarbeiten und an Mitarbeiter verteilen konnte.

Im Wohnzimmer hörte sie ab und zu, wie ihr Mann mit dem kleinen Luca redete und lachte. Sie hatten so lange versucht ein Kind zu bekommen und endlich war es ihnen gelungen.

Als sie die Nachricht bekamen, dass sie endlich Schwanger war, verloren beide sicherlich mehr als 5 Liter Tränen. Ob das überhaupt möglich war? Das weiß niemand, aber jedenfalls hatte es sich so für die beiden angefühlt. Ein neues Kapitel hatte sich in ihrem jungen Leben geöffnet. Sie hatten ein neues Leben kreiert. Ein Leben, das ihnen von nun an alles bedeutete. Es war ihnen wichtiger als deren eigenes.

Barbara öffnete ein neues Mail und lud die Audiodateien runter, welche von Opfern, Zeugen und so weiter aufgenommen wurden. Sie würde sich diese anhören und selbst versuchen erste Anhaltspunkte zu erarbeiten. Da sie Mann und Kind nicht stören und auch selbst etwas hören wollte, schloss sie die Tür ihres Büros und bewegte sich wieder zu ihrem Schreibtisch. Als sie jedoch auf ihren Bildschirm blickte, stockte sie in ihrem Tun. Ein neues Mail. Nein, von keinem Mitarbeiter.

Als sie den Betreff las, wusste sie nicht, ob das ein Scherz oder vollkommen ernst war. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und nervös schaute sie kurz um sich. Ihre Augen blieben am Fenster hängen und erst jetzt merkte sie, dass es komischerweise zu war. Sie hatte es nicht zugemacht.

Hatte der Wind es zu geblasen? Windete es draußen überhaupt? Sie wandte sich wieder an ihren Computer und wählte das Mail an.
Das Mail mit dem Betreff «Schlau oder tot? Beides?»

Im Mail selbst waren Buchstaben angereiht. Wirr und definitiv extra. Was wollte man von ihr? Sollte sie ein Wort, oder gar einen ganzen Satz daraus lesen können? Kurz lauschte sie wieder ihrer Familie und hörte diese nur dumpf. Dann aber griff sie nach ihrer Brille, um diese Buchstaben anzuordnen.

Als Polizistin liebte sie solche Dinge. Kein Rätsel sollte ungelöst bleiben. Nicht in ihrer Gegenwart. Sie holte sich also einen kleinen Papierblock zur Hand und klickte ihren Kugelschreiber.

Sie konnte das Wort HIER formen, doch dann ging mit den anderen Buchstaben nichts mehr. Dann würde so etwas wie DINTR übrigbleiben, aber schnell realisierte die Rätselliebhaberin, dass es sich um ein DIR handelte.

Sie schrieb es sich auf und reihte die übriggebliebenen Buchstaben nacheinander auf. H N R I T E. Nachdenklich musterte sie diese und relativ schnell machte es klick, denn sie atmete laut auf und schüttelte den Kopf. «Mein Gott, wie lange ich für so etwas Einfaches gebraucht habe», schmunzelte sie und schrieb alles komplett auf.

HINTER DIR

«Bin ganz deiner Meinung. Habe eigentlich mit knappen 30 Sekunden gerechnet.» Barbara erstarrte, als hinter ihr eine kratzige Stimme ertönte und sie im Display ihres Computers eine weiße Maske erblickte. Sie wollte sich umdrehen, wehren, aber die fremde Statur hielt ihr den Mund zu, drückte ihren Kopf auf die Oberfläche des Tisches und kappte ihr langsam die Luft ab.

Er trug Handschuhe, mehr konnte die Frau nicht wirklich erkennen. Sie versuchte sich zu wehren, auf sich aufmerksam zu machen, aber nichts half. Ihr jahrelanges Training kam hier nicht zur Geltung, denn der Fremde war zu unerwartet, plötzlich und hinterlistig gekommen.

Barbara wurde es schwindlig. Ihr Luftmangel machte sich bemerkbar und ihre Augen begannen sich in unmenschliche Richtungen zu drehen. Der Typ hinter ihr, leise und ruhig atmend und das trotz Maske, merkte, wie sich ihr Leben langsam aus ihrem Körper löste und entspannte seine Arme wieder. Die junge Polizistin gab unidentifizierbare Laute von sich und verließ die Welt mit einem besiegten Wimmern.

Leise, weil er wusste, dass im Wohnzimmer ihr Ehemann war, legte er ihren Kopf vorsichtig und sanft auf die Tastatur ihres Computers, nachdem er das Mail von ihrem Computer löschte und über sich selbst schmunzeln musste.

Er wurde immer kreativer. Schon jetzt freute er sich auf die Art, wie er sein nächstes Ziel erwischen würde. Schließlich war das für ihn ein reines Spiel. Ein Spiel, das er verdammt gern spielte. Vor allem, weil er der Beste darin war.

Als jegliche Hinweise auf seine Existenz vernichtet war, lief er gelassen zum Fenster und machte dieses leise und langsam mit den Spitzen seiner Finger auf, bevor er noch einmal zurückschaute und kurz einen verhassten Blick trug. Verdient hatte sie es. So wie alle. Alle verdienten es.

Mit einem Ruck landete er auf dem weichen Gras und zog das Fenster von außen zu. Kurz bevor er sich vom Acker machte, schaute er kurz um sich und atmete erleichtert aus, als die Luft rein zu sein schien. Die Polizei wusste von ihm. Sie wussten, dass es ihn gab und sie fürchteten ihn. Er, Ryou. Ein Serialkiller, der es spezifisch auf die Helfer der Stadt abgesehen hatte. Auf die Polizisten und auf niemanden anders. Denn seiner Meinung nach verdienten es diese Schweine am meisten. Sie hatten dafür zu bezahlen.

Um der möglich entstehenden Aufmerksamkeit auszuweichen, schlich er hinter einem Haus durch und wagte es erst drei Straßen weiter wieder auf den Gehsteig, wo sich auch andere New Yorker aufhielten.

Die Maske längst im Rucksack versteckt und das wahre Gesicht an der Luft. Das war aber kein Problem, denn niemand wusste, wer er war, wie er aussah, was er gerade getan hatte. Er schien wie ein normaler junger Herr, der gelassen der Straße entlang nach Hause lief. Weiße, moderne Turnschuhe, graues Shirt unter dem dunkelgrauen Hoodie und hellblaue Jeans.

Ganz normal, alltäglich. Aber genau das war es, was ihn so gefährlich machte. Die Kunst in der heutigen Welt unterzugehen lag ihm, wie anderen das Zeichnen, Singen oder Tanzen. Er schien unscheinbar und harmlos, doch niemand wusste, was in seinem Kopf vorging.

Keiner ahnte, wie überlegen er ihnen war.

Keiner ahnte, wie überlegen er ihnen war

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Ich dachte, heute (mein 18. Geburtstag) wäre ein guter Tag, um diese kleine Vorschau zu präsentieren.

Ich hoffe natürlich, dass ich euch mit diesem Prolog fesseln konnte und dann auch zu sehen bekomme, wenn es losgeht.

BETRAYALWhere stories live. Discover now