BETRAYAL

IV

Da es hier so still war, konnte man meine und Kians Schritte wahrscheinlich meilenweit hören, denn der angebliche Jack McCandless hob seinen Kopf an und blickte mir direkt ins Gesicht. «Mr McCandless? Wir haben vorhin telefoniert.» Rasch erhob er sich und kam auf uns beide zu. Höflich, so wie es sich gehörte, hielt ich ihm meine Hand hin und stellte mich vor. «Soraya Evans und mein Partner.» Mit einer lockeren Bewegung deutete ich auf Kian, der nickte und die Hand des Zeugen ebenfalls kurz schüttelte. «Kian Walker.» Wir alle setzten uns an den Tisch. Kian neben McCandless und ich gegenüber von ihnen.

«Anhand der Informationen, die Sie der Polizei bereits weitergeben haben, wissen wir, dass es sich um eine Frau handeln muss. Nur haben Sie auch erwähnt, dass Sie sich nicht genau an das Äußerliche erinnern können. Gerne würde ich Sie erneut darum bitten, es zu versuchen. Irgendetwas Auffälliges? Alles. Bitte sagen Sie uns alles, was Ihnen in den Sinn kommt.» Kians Augen blieben kurz an meinen hängen, als ich meine kleine Ansprache beendet hatte und ich grinste ihm kurz zu. Ja, ich war ein Profi und hatte das alles vollkommen im Griff. «Diese Frau trug eher längere Kleider. Einen langen Rock vielleicht?», fragte er sich selbst und ich schrieb brav mit. Gleichzeitig versuchte ich mir ein Bild davon zu machen und hörte dem Herrn weiterhin aufmerksam zu.

«Ich meine, blondes Haar gesehen zu haben und ganz unter uns, ihr Rücken war nicht mehr der Geradeste.» Mir entfloh ein leises Lachen und ich suchte eine Reaktion ins Kians Gesicht, doch dieser fixierte das Fenster. Genauso, wie der alte Herr es eben getan hatte. «Ich weiß, es ist vielleicht etwas zu viel gefragt, aber können Sie sich mittlerweile daran erinnern, woher diese Frau kam? Vielleicht aus einem bestimmten Laden?» Auch wenn Kian nicht gerade anwesend war, wollte ich meine Arbeit gut machen. Genau deshalb ignorierte ich seine Augenbrauen, die sich verwirrt zusammenzogen, als er noch immer aus dem Fenster blickte. Was gab es dort bitteschön zu sehen? War hier nicht gleich die Polizeistation nebenan? Sah man nicht nur eine Wand, wenn man rausblickte? Ich konnte es nicht mehr ertragen und drehte mich zum Fenster, um selbst zu sehen, was so spannend oder verwirrend war. Aber nichts. Auf den ersten Blick konnte ich nichts erkennen.

«Es war, wie ich Ihren Kollegen schon erzählt habe, vor dem McDonalds, aber ich bin mir nicht mehr sicher. Jedenfalls sagt mir mein Gedächtnis die ganze Zeit, dass diese Dame aus dem diagonal gegenüberliegenden Swatch Laden gekommen ist. Vielleicht wollte sie sich ja eine Uhr kaufen, bevor sie ein Kind entführt» Etwas überrumpelt, weil ich noch immer aus dem Fenster blickte, realisierte ich, dass McCandless gerade einen wichtigen Punkt erwähnt hatte und ich diese unbedingt festhalten sollte. Swatch? Bitte was? War- Okay nein. Ich würde die Aktionen dieser Frau nicht hinterfragen. Leute taten komische Dinge aus komischen Gründen.

Ich schrieb mir alles auf und bedankte mich bei dem Herrn. Dieser trommelte erneut auf der Tischoberfläche herum und es schien mir, als hätte er es eilig. Vielleicht wartete eines seiner Betthäschen? Man konnte nie wissen. «Vielen Dank für Ihre Zeit, Mr. McCandless. Wir melden uns, wenn wir Weiteres wissen möchten. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.» Oder einen befriedigenden Tag Same thing.