XVIII

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«Va dans ton chambre, mon coeur

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«Va dans ton chambre, mon coeur.» Sie zitterte. Ihre Wangen waren verklebt vor lauter weinen und ich stand einfach nur da. Wie jeden Tag, jede Nacht. Immer. Ich konnte nichts tun. Hilfe lehnte sie schon seit Monaten ab. «Mom-», fing ich leise an und ignorierte ihre Bitte gekonnt. «Nein, bitte! Geh einfach in dein Zimmer, okay?» Sie kam auf mich zu und umgriff meine Schultern mit ihren zitternden, schwachen Fingern.

«Geh und schließ die Tür hinter dir ab, damit du vor deinem Vater sicher bist, verstanden?» Ich schüttelte meinen Kopf. «Non, Maman.» Ihr Griff um meine Schultern wurde stärker und sie schob mich grob in Richtung meines Zimmers. «Tu, was ich dir sage!» Wir beide hörten, wie ein Auto vor dem Haus parkte und jemand ausstieg. Er war hier. Mein Vater war von der Arbeit zurück.

Wieder schüttelte ich meinen Kopf und ich weigerte mich auf meine Mutter zu hören. Ich wusste, was es für sie bedeutete, wenn ich in mein Zimmer ging und die Tür hinter mir schloss. Mir war vollkommen bewusst, was dann auf der anderen Seite meiner Tür passieren würde. Das Schluchzen, Schreien und Wimmern ließ mich die vollen Bilder im Inneren meines Auges sehen. Ich wollte nicht, dass er es wieder tat.

«Pour lamour de Dieu, écoute-moi et va dans ton chambre, Ryou! Ton père est là!» Sie ließ mir keine Zeit zu antworten und zerrte mich in mein Zimmer. Ich versuchte mich zu wehren, denn ich wollte nicht, dass es wieder geschah. Es passierte jeden Tag und das seit beinahe einem Jahr. Ich konnte das nicht mehr mitanhören. In meinem Zimmer angekommen, hörte ich, wie die Haustür aufging, und Mom strich mir einmal sachte über meine Wange, als sie den Schlüssel zog und mich sanft anlächelte, bevor sie mich in meinem eigenen Zimmer einsperrte. In dem Moment, als sie den Schlüssel drehte und mich von ihr trennte, hatte sie nicht nur mich machtlos gemacht, sondern auch sich selbst.

«Mom!» Ich schlug gegen die Tür und konnte gleich danach hören, wie mein Vater die Schuhe auszog und von meiner Mutter begrüßt wurde. «Ma chérie», hörte ich ihn atmen und ich wusste, dass diese lieblichen Worte mit keinerlei Liebe von seinen Lippen kamen. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er ihre Wange streichelte und auf sie herabsah.

Es brannte sich in mein Hirn ein, wie sie hilflos vor ihm stand und zitternd zu ihm aufblickte. Wieder schlug ich gegen die Tür, um ihn von ihr wegzuholen, denn ich wusste, dass sie nicht mehr konnte. Ich war mir im Klaren, dass er dabei war sie zu zerstören und wahrscheinlich es schon getan hatte. «Mom!», brüllte ich und versuchte die Tür erneut zu öffnen, aber ohne Erfolg. «Da rackert man sich den ganzen Tag ab und kommt zu einem verzogenen, nervigen Bengel nach Hause! Will Gott mich verarschen?!», platzte es aus dem Mann, der mein Vater sein sollte, und ich hoffte, er würde sich auf mich konzentrieren, aber alles, was ich anschließend zu hören bekam, war ein gequälter Schrei meiner Mutter.

«Es kann doch nicht so schwer sein unseren Sohn ordentlich zu erziehen und ihn dazu zu bringen seinen Mund zu halten?! Oder?!!» Meine Mutter blieb still, denn sie wusste, egal was sie tat, es würde sowieso dazu kommen. Jeder Weg führte dorthin. Egal, wie stark ich gegen die Tür schlug. Egal, wie laut ich brüllte und flehte. Egal, wie sehr sie sich wehrte. Er würde es tun. So wie jeden Tag. Jede Nacht.

Als ich fest an die Tür gepresst, hörte, wie Vater meine Mutter packte und an meiner Tür vorbei ins Schlafzimmer zerrte, breitete sich dieser unerträgliche Schmerz in meiner Brust aus. Der Schmerz meiner Mutter. Den, den sie jeden Tag und jede Nacht durchleben musste, nur damit er mich in Ruhe ließ.

Wieder schlug ich gegen die Tür und hoffte darauf, dass sie irgendwann aufgeben würde, aber das Einzige, was aufgab, war meine Mutter, welche ich bis hierhin weinen hörte. Ich hörte die gnadenlosen Schläge. Ich meinte sie zu spüren. Jeden Hieb.

In der Hoffnung die Bilder, die sich in meinen Kopf bahnten, zu verdrängen, presste ich meine Augenlider fest aufeinander. Mir war übel, schwindelig und mit jedem Schrei, mit jedem Schlag und jedem Stoß, denn er ihr antat, ging ich mit ihr zusammen kaputt. Denn ich war hier eingesperrt und konnte nichts tun.

Ich musste mitanhören, wie er sie benutzte und langsam zerstörte. Ich ging zu Boden, als ich die Schnalle seines Gürtels öffnen hörte. Dann das gequälte Geschrei und Beten meiner Mutter, meinem Ein und Alles, was ich für mehrere Stunden ertragen musste.

Meine Hände fest auf meine Ohren gepresst, meine Knie nahe meiner Brust. Mein Herz versank langsam im Boden und suchte das meiner Mutter, die mit jeder vergangenen Sekunde ein bisschen mehr starb.

× Ryou ×

Genervt, weil ich es einfach nicht hinbekam, warf ich das Drahtseil auf den Boden und erhob mich energisch. Warum lassen sie mich nicht einfach in Ruhe?! Die Schreie meiner Mutter. Warum hallen sie in meinem Kopf umher, als würde es noch immer jeden Tag und jede Nacht passieren? Warum sind sie nicht, wie sie es selbst ist, von mir gegangen? Geht es ihr jetzt besser dort oben? Oder quält er sie noch immer?

Mein Kopf pochte stärker, als es mein Herz tat, und ich raufte mir die Haare, als ich vor dem Fenster stand und versuchte mich zu beruhigen. Wieso geht es mir nicht besser? Sollte Rache mir nicht dabei helfen Frieden zu finden? Warum wird es nicht einfacher? Warum geht es nicht weg?!

Wieder dieses Schreien. Es quälte mich. Ich kann es einfach nicht vergessen! Mein Blick fiel auf die neue Falle, die morgen platziert werden sollte und ich fragte mich, ob es sich überhaupt noch lohnen würde. Wenn sie es alle doch so sehr verdienen, ich das Richtige tat... Warum wird es dann nicht besser? Warum fühle ich mich von Tag zu Tag schlechter?! Mein Blick fiel wieder nach draußen und ich versuchte den Schmerz zu kontrollieren. Es tat so weh. So sehr...

Doch das sollte mich nicht aufhalten. Ich habe ein Ziel und geschworen, dass es meine letzte Tat sein wird. Ich räche Mom und kehre dann zu ihr zurück. An einen friedlichen Ort. Der friedlichste Ort, hoffentlich. Dort oben kann ihr nichts mehr passieren. Vater hat es niemals nach oben geschafft.

Nicht, nachdem er sie mit seinen Krallen so zerrissen hat. Selbst wenn ich es nicht wollen würde, die Rückkehr zu Mom ist das Einzige, was ich mir nach all dem noch leisten kann. Ein Leben gibt es für mich nicht mehr. Es endete in der gleichen Sekunde, als ich Mom tot im Badezimmer gefunden hatte.

Ich stützte mich am Fensterrahmen ab und atmete laut aus. Aber verdiente ich es überhaupt noch, bei ihr zu sein? Gehörte ich nicht an denselben Ort wie Vater? Mein Sichtfeld wurde langsam verschwommen und ich verfiel der Angst und dem Schmerz. Mittlerweile war es doch schon vollkommen egal, was ich als Nächstes tat.

Schon nach meinem ersten Mord war klar, was aus mir werden würde. In dem Moment, als ich meinem Vater die Klinge in die Brust schob und seine Augen sich weiteten, war bereits entschieden, dass ich genau wie er untergehen würde.

Ich stieß mich vom Fensterrahmen ab und hob das Drahtseil vom Boden auf. Nachdenklich musterte ich es und ich setzte mich wieder an denselben Ort wie zuvor. Was solls... Ändern kann ich jetzt nichts mehr. Egal, wie sehr ich es auch wollen würde. Es stand fest.

Ich war ein toter Mann.

Ich war ein toter Mann

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Hach... der liebe Ryou ist Franzose... Wer hätte das gedacht...

BETRAYALWhere stories live. Discover now