◇XXXI◇

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× 13 Days ×

«Non! Non!» Ich stemmte mich mit all meiner Kraft gegen meine Zimmertüre, um diese geschlossen zu halten, aber ich wusste, dass ich gegen ihn nicht ankommen konnte. Schließlich war er 30 Jahre älter als ich und ein für den Kampf gelehrter Polizist, der mich innert Sekunden in der Luft zerreißen könnte.

«Ouvre la porte, Ryou! Je veux seulement parler.» Er wollte ganz sicher nicht nur reden. Wäre diese Türe nicht zwischen uns, würde er mir das antun, was Mom zum Suizid getrieben hatte. Ich war mich schon lange nicht mehr so sicher.

Vater konnte nicht «nur reden». Er konnte gar nichts, außer jedes einzelne Leben seiner Familienmitglieder zu zerstören. Es ist nahezu bizarr, dass ihn diese gottverdammte Stadt als einen wahren Helden anerkannte, denn das war er nicht. Eine utopische Vorstellung, die niemals real werden kann.

Aber wer glaubte schon dem anscheinend unzurechnungsfähigen Sohn, der aufgrund des Todes seiner Mutter den Verstand verloren hatte? Niemand. Es war sinnvoller, dem Police Captain zu glauben. Denn dieser war allwissend und hatte immer recht.

Jemand wie er würde niemals seine Frau schlagen, vergewaltigen und nun versuchen, seinen Sohn mit Brutalitäten zurechtzuweisen, bis dieser wie seine Frau den Willen verlor. Das Allerschlimmste ist, dass besagter Sohn schon jetzt nicht mehr konnte, bevor es überhaupt angefangen hatte.

Er war unfähig, jegliches zu tun. Ich konnte nichts mehr, außer in meinen eigenen vier Wänden zu sitzen und darauf hoffen, dass es irgendwann vielleicht doch aus dem Nichts enden würde. Ich hatte die letzten 3 Jahre, seit Moms Tod, nichts anderes getan, als mich tagtäglich selbst zu verteidigen und gegen die wütenden Hände meines Vaters anzukämpfen.

Andere 19-Jährige gingen zur Universität oder arbeiteten als Festangestellte und verdienten sich ihren eigenen Lebensunterhalt. Vielleicht wohnten sie noch bei ihren Eltern, aber das störte sie nicht, denn ihre Eltern waren für sie da und schlugen sie nie so lange, bis sie Blut spuckten.

Sie hatten keinen kranken Vater, der seine Wut, welche sich über den ganzen Tag in ihm aufstaute, abends an seinem halb so schweren und starken Sohn ausließ. Jedenfalls hoffe ich das für sie.

Ich spürte keinen Widerstand mehr an meiner Tür, weshalb ich mein Gewicht langsam von ihr zurück auf den Boden verlagerte. Vater musste es aufgegeben haben. Ich hatte Glück.

Leise seufzend, weil ein lautes ihn vielleicht wieder auf mich aufmerksam gemacht hätte, torkelte ich geschwächt einige Schritte von der Türe weg, doch ließ sie mit meinen trüben und leeren Augen nicht los.

Schließlich wanderten sie dann doch zu dem vom einstigen Blut immer noch verfärbten Pullover, der damals bei Mom gelegen hatte, und ich schluckte das komische Gefühl, das sich in mir breitmachte, herunter. Es war keine Trauer, nein.

BETRAYALWhere stories live. Discover now