◇XXXII◇

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Benebelt von den Tabletten, da die Dosis doch etwas stärker war als gedacht, saß ich auf dem Sofa und betrachtete die weiße Maske in meinen Händen

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Benebelt von den Tabletten, da die Dosis doch etwas stärker war als gedacht, saß ich auf dem Sofa und betrachtete die weiße Maske in meinen Händen. Die Farbe blätterte an einigen Stellen bereits ab und es waren deutliche Spuren des Gebrauchs zu sehen.

Es mag etwas seltsam klingen, doch wenn ich die Maske in meinen Händen hielt oder auf meinem Gesicht trug, fühlte es sich so an, als wäre Mom noch immer bei mir. Doch sie konnte auch das komplette Gegenteil bewirken.

In den ersten Momenten der Berührung meine ich immer zu spüren, wie Mum mit ihrer sanften Hand über meine Wange streicht und mir dabei in die Augen blickt. Nur Sekunden später jedoch beginnen ihre blauen Augen zu tränen und ihre Wangen fallen in sich zusammen, bis das Blut von ihren Mundwinkeln zu Boden tropft und meinen Blick mit sich zieht, um mir ihre offenen Handgelenke, überquillt von Blut, in meine Erinnerungen zu brennen.

Anders als bei den letzten Malen ging Mum dieses Mal nicht weg. Somit konnte ich in dem Moment des Grauens nichts anderes tun, als ihr entgegenzustarren. Sie lag vor mir auf dem Boden, meine Sicht flimmerte so unkontrolliert, so wie das Licht in einem Flur eines Horrorhauses, und Tränen ließen mich beinahe erblinden.

Ich konnte sie nur noch verschwommen sehen, doch mein Gedächtnis wusste ganz genau, wie sie aussah. Es spielte mir vor, was ich damals gesehen hatte. Ich wollte es nicht mehr sehen. Nie wieder.

Warum wurde ich sie nicht mehr los? Wollte ich das überhaupt? Diese Erinnerung war, was mich zerstörte, zugleich war sie aber auch das, was mich am Leben hielt.

An jenem Tag hatte ich mir geschworen, es ihm und allen, die ihn unterstützt hatten, heimzuzahlen. Nur war dies damals vor 6 Jahren ein Versprechen eines Teenagers, der tief im Innern noch letzte Hoffnung besessen hatte.

Drei Jahre später hatte ihm der Mörder seiner Mutter diese auch noch genommen und ihn damit vollkommen zerstört und so verdreht, dass dieses Versprechen, sie auf legale Art und Weise zu bestrafen, zu einem Akt von skrupelloser Rache wurde.

Ich konnte dem Druck nicht mehr entgegenhalten. Die Stimme war von Tag zu Tag lauter geworden, bis sich ein Hebel in meinem Kopf ungelegt hatte und einen jungen Mann auferstehen ließ, der schlussendlich das Ende seines Vaters verkörperte.

Hustend stemmte ich mich über mein Waschbecken und sah mit wässerigen Augen zu, wie mir das Blut von den Lippen tropfte und das weiße Keramikbecken rot befleckte. «Heb deinen Kopf an, Ryou.» Ich konnte nicht. Ich wollte mir nicht selber in die Augen schauen.

«Lève la tête, Ryou!» Er packte mich an den Haaren und zwang mich dazu, mir im Spiegel selbst entgegenzublicken. «Du siehst aus wie sie. Als hätte man ihr Gesicht genommen und dir weitergegeben.» Ich schluckte. «Du siehst aus wie meine Mutter.» Die Stimme des Mannes, den ich einst Vater nannte, brach gegen Ende seines Satzes.

Seine Mutter? Meine Großmutter? «Hättest du nicht die Augen und die Haarfarbe deiner Mutter geerbt, wärst du ein verdammtes Ebenbild von dieser Schlampe!» Er umgriff mein Kinn und drehte es grob zu sich.

BETRAYALWo Geschichten leben. Entdecke jetzt