Prolog

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Ich war noch ein Kind, als ich sie zu uns kamen

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Ich war noch ein Kind, als ich sie zu uns kamen. Ein unbeschwertes, sorgenfreies und fröhliches Kind. Vielleicht ein wenig stur, mit einem Hauch zu viel Selbstbewusstsein. Aber ich war glücklich. Und das lag daran, dass ich jeden Tag die uneingeschränkte Liebe meiner Eltern spüren durfte und konnte. Ich war alles für sie und sie waren alles für mich. Doch dann verdunkelte sich der Himmel.

Es war ein, von Sonnenschein getränkter, Frühlingsmorgen und ich stolzierte, wie so viele Tage zuvor in meinem Leben, durch die hohe Wiese vor dem Haus meiner Großmutter. Meine Eltern und ich hatten uns für das Wochenende eine Auszeit vom Trubel der Hauptstadt gegönnt. Dadurch, dass mein Vater Abschnittsleiter eines Bezirks der Stadt bei der Polizei war, war er eher selten zu Hause und so genossen wir die wenige unbeschwerte Zeit, die wir gemeinsam als Familie haben konnten. Das war besonders gut möglich, wenn wir in das idyllische Häuschen am Rande der Hauptstadt zu meiner Großmutter fuhren. Ich liebte diesen Ort - jedenfalls bis zu diesem Tag.

Das feuchte Gras machte meinen nackten Füßen nichts aus. Es war eher ein körperliches Hochgefühl für meine von den Schuhen der Schuluniform geschwollenen Füße. Ein genüsslicher Seufzer erfuhr meinen Lippen und ich ging weiter durch das kühle Nass. In der Holzhütte hinter mir konnte ich entspanntes Gemurmel wahrnehmen und ein verführerischer Duft von gebratenem Speck und frisch gebackenen Brötchen wurde von der leichten Brise zu mir herüber geweht, sodass mir das Wasser im Mund zusammenlief. Ich überlegte noch, ob meine Mutter heute auch wieder Eier braten würde, als plötzlich ein Dröhnen über mir erschien.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich im ersten Moment wie erstarrt war. So etwas, wie dieses Flugobjekt über mir, hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Es ähnelte den Raumschiffen aus Science-Fiction-Filmen aber dann wiederum auch nicht. Aber egal, wie krampfhaft ich auch versucht habe eine passende Beschreibung dafür zu finden, es gelang mir nicht. Ich verspürte eine gewisse Anspannung in mir, wobei ich noch heute nicht genau sagen kann, ob es an der majestätischen Ausstrahlung des Schiffes, an der sich bedrückenden Atmosphäre oder meiner unmenschlichen Neugier lag.

„Mama! Papa! Das müsst ihr euch unbedingt ansehen!", rief ich noch nach hinten, bekam aber nicht mit, wie meine Familie aus dem Haus kam. Meine Beine hatten sich schon von selbst in Bewegung gesetzt. Zuerst ging ich, dann lief ich und zu guter Letzt rannte ich quer über die Wiese zu einer großen Eiche, wo mein Vater mir schon vor einiger Zeit ein Baumhaus rauf gebaut hatte. Ich kletterte so schnell ich konnte die Sprossen der Leiter empor und hoffte inständig, von der Höhe aus einen noch besseren Blick auf das Schiff zu bekommen, welches immer noch gigantisch über mir ragte, doch ich musste ernüchternd feststellen, dass das nicht der Fall war. Trotzdem heftete ich meine Augen auf das, für mich bis dahin, absolut überfälligste Ereignis in meinem Leben. Ich war euphorisiert und sprühte nur so vor Aufregung und Neugier. Ich wollte wissen, was dieses unbekannte Flugobjekt war, wo es herkam und wieso es hier her gekommen war.

Ach, wie sehr ich mich doch in meiner Naivität gesuhlt hatte. Damals konnte ich nicht ahnen, was für eine Katastrophe da auf die Menschheit zukam und was das für mich und meine Familie zu bedeuten hatte. Ich war noch ein Kind! Ein naives, unschuldiges, neugieriges Kind, das sich niemals Gedanken darüber gemacht hatte, wie es war, wenn man alles verlieren würde.

Das Raumschiff steuerte das Zentrum der Hauptstadt an. Je weiter es sich entfernte, desto beeindruckender wurde ich. Das Ausmaß dieser Maschine war einfach unglaublich! „Wow!", kam es mir über die Lippen. Ich bemerkte nicht, wie meine Mutter zu der Eiche kam. Der Ton ihrer Stimme wirkte angespannt, doch auch das bekam ich damals nicht mit. Erst heute weiß ich, dass sie als Erwachsene bereits wusste, dass dieses Raumschiff für uns eine Gefahr darstellte. „Hey mein Schatz, würdest du bitte von da oben runterkommen. Das Frühstück ist fertig."

„Mama, wie kannst du jetzt nur ans Essen denken!? Hast du das Raumschiff nicht gesehen? Hast du nicht gesehen, wie groß das war?" Natürlich hatte sie alles mitbekommen. „Doch, ich habe es gesehen, Sonny. Trotzdem möchte ich jetzt, dass du zum Frühstück kommst, sonst wird noch alles kalt." Ich ignorierte ihre Worte, auch wenn sie sich von einem freundlichen Unterton zu einem eindringlichen verändert hatten.

„Ob das Außerirdische sind? Was meinst du, wo die wohl herkommen und was sie hier bei uns wollen? Das ist so unglaublich! Echte Außerirdische sind hier auf der Erde! Ich hoffe, dass ich einen von denen mal sehen kann. Das wäre sowas von cool, oder? Was meinst du, Mama?"

Wenn ich könnte, würde ich mich am liebsten neben mein kindliches Ich setzen, mich an den Schultern packen und kräftig schütteln. Ich würde mich anschreien: Hör auf dir das zu wünschen! Das sind Monster! Sie bringen nichts als Tod und Verderben! Nimm deine Familie und lauf! Lauf so weit weg wie du nur kannst und bring euch alle in Sicherheit! Doch leider ist das nicht mehr möglich.

„Sonja! Du kommst jetzt sofort runter!", hörte ich in dem Moment meinen Vater von unten schreien und verstand nicht, was die beiden so aus der Fassung brachte. Gerade als ich ihn fragen wollte, wieso ich das tun sollte, erbebte die Erde.

Instinktiv klammerte ich mich an den Balken neben mir und versuchte nicht das Gleichgewicht zu verlieren und vom Baumhaus zu stürzen. Bis zu diesem Augenblick kannte ich Erdbeben nur aus Büchern oder Filmen und war mir dessen Ausmaß einigermaßen bewusst. Doch dieses Beben war kein Normales. Die Erde unter mir zitterte so heftig, dass das massive Holz des Baumhauses anfing gefährlich zu knacken und ich panisch anfing zu schreien.

„Sonja!" Ich hörte meine Eltern nach mir rufen. Ich weiß noch, dass ich durch das Zittern der Erde nichts mehr deutlich erkennen konnte. Alles war verzerrt und wackelte unaufhaltsam vor meinen Augen auf und ab. Mein Griff verkrampfte sich schmerzhaft um den Balken und als das Holz unter meinen Füßen noch lauter ächzte, presste ich meine Wange dagegen. Ich hatte Todesangst! Ich wusste, dass das Baumhaus jeden Moment einstürzen würde und ich dann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde. Ich schrie nach meinen Eltern, in der Hoffnung sie würden mich irgendwie aus dieser gefährlichen Situation retten können, doch das war vergebens.

Dann, als wäre nie etwas gewesen, stand die Welt abrupt still. Eine bedrückende Ruhe legte sich über das Land. Ich kann mich noch an mein panisches Keuchen und meine innere Angst erinnern. Ich kann mich noch an die auffordernden Rufe meiner Eltern erinnern und daran, dass das das Einzige war, was ich noch hören konnte, bevor der große Knall kam und mit ihr nur Sekunden später eine gewaltige Druckwelle. Meine krampfenden Hände konnten mich nicht länger an den Balken des Baumhauses halten. Ich wurde von der Druckwelle mitgerissen und in die Luft geschleudert. Ich erinnere mich daran, dass ich schreien wollte, aber es nicht konnte. Ich erinnere mich daran, dass sich die Welt um mich herum gedreht hat, als ich durch die Luft flog. Ich erinnere mich an die Schmerzen, die meinen Körper erfüllten. Ich erinnere mich daran, dass ich im Kopf nach Mama und Papa rief und am liebsten weinen wollte. Und dann erinnere ich mich an Schwärze. Was danach noch an diesem Tag passierte, weiß ich nicht mehr.

Von da an bestand meine Welt nicht mehr aus Heiterkeit und Sorgenfreiheit, sondern aus Dunkelheit, Trauer und Tod.

Von da an bestand meine Welt nicht mehr aus Heiterkeit und Sorgenfreiheit, sondern aus Dunkelheit, Trauer und Tod

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