Dissidenz - 1.1

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„Sterne können wir überall sehen, wenn Zuversicht im Herzen wohnt" - Hanna Schnyders 

Ein innerer Kampf übermannt mich, als ich mit einem stinkenden Stück Stoff auf dem Kopf über einen kräftigen Körper bugsiert werde

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Ein innerer Kampf übermannt mich, als ich mit einem stinkenden Stück Stoff auf dem Kopf über einen kräftigen Körper bugsiert werde. Jeder meiner Instinkte schreit förmlich danach panisch zu werden, sich der plötzlichen Angst hinzugeben und sich gegen meine Angreifer zu wehren. Es kribbelt in meinen Armen und Beine, als das Adrenalin durch sie hindurch rast und mich in einen bekannten Rausch vor einem Gefecht versetzen will. Ich bin bereit zu kämpfen und alles zu tun, um mich aus meiner Lage zu retten, in die mich meine Feinde bringen.

Doch das Problem ist, dass es nicht meine Feinde sind, die mich entführen, sondern meine Freunde, meine Verbündeten, die lange Zeit ein bedeutender Teil meines Lebens waren.

Ich erkenne Jonah sofort an seinem stämmigen Körperbau, mit dem er mich so mühelos auf seinen Schultern trägt. Als ich seinen vertrauten Geruch nach Erde in meiner Nase wahrnehme, erscheinen sofort die Bilder unserer gemeinsamen Jagdmissionen vor meinem inneren Auge. Ich gebe zu, es ist eine Erleichterung zu wissen, dass er noch lebt und für einen Bruchteil einer Sekunde genieße ich sogar die Anwesenheit meines Freundes, so absurd diese Situation, in der ich mich gerade befinde, auch sein mag. Erst Fionas Worte klären meinen Verstand wieder auf: "Hast du sie? Gut, dann verschwinden wir hier!"

Das lässt meine inneren Alarmsirenen aufheulen: "Fuck, was soll die Scheiße, Leute? Lass mich gefälligst runter!"

Mit dem nächsten Knall, den ich hinter mir höre und den dazugehörigen panischen Schreien zucke ich unwillkürlich zusammen und versuche mich zeitgleich aus meiner Lage zu befreien. Das Seil um meinen Handgelenken schnürt sich tief in mein Fleisch, als ich daran zerre und ein weiterer Versuch den Sack auf meinem Kopf durchs Schütteln loszuwerden scheitert kläglich und spornt Jonah dazu an mich fester zu packen: "Alles wird gut, meine Sonny! Wir bringen dich in Sicherheit. Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen, wir passen jetzt auf dich auf!" Merkwürdigerweise lässt seine Aussage mich viel mehr frösteln, als der Gestank von Rauch, der trotz des dicken Stoffes über meinem Gesicht in meine Nase steigen kann.

Meine Instinkte erwachen aus ihrem Schlaf, als sie das Gift in meiner Lunge wahrnehmen und somit die Atmosphäre der Stadt verpestet wird. Erneut knallt es mehrere Male hinter mir, während ich spüre, wie Jonah in die Hocke geht, sehr darauf bedacht mich dabei nicht zu verletzen, und wir uns Schritt für Schritt von dem Chaos entfernen, dass ich nur durch meine Ohren und meiner Nase interpretieren kann. Der Klang der lauten und hilflosen Schreie verebbt immer mehr, was mich allerdings nicht ruhiger werden lässt. Ganz im Gegenteil! Je weiter wir uns von der Stadt entfernen und der trostlosen Stille des halbtoten Waldes nähern, desto stärker tobt der Widerstand in mir.

"Lasst mich runter, verdammt!", rufe ich erneut und höre, wie Fiona daraufhin schnaubt: "Wir hätten ihr einen Knebel in den Mund schieben oder sie ruhig stellen sollen, so wie Randall es vorgeschlagen hatte."

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