Like A Carousel Ride...

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Als Val vor der großen Villa hielt, kam Murtagh gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. ,,Du wohnst...Hier?"
Val nickte grinsend. ,,JA. Mit meinen Eltern. Ich weiß nicht ob sie da sind."
Beide stiegen aus und Murtagh folgte seinem Freund. Val sperrte die Tür auf und ließ Murtagh ein treten. ,,Boa!"
,,Wenn man darin wohnt, ist es nichts neues. Komm, ich zeige dir mein Zimmer."
Val rannte nach oben und Murtagh folgte ihm so schnell wie möglich. Als sie auch dort ankamen, staunte der jüngere noch mehr.
,,Das ist ja mindestens doppelt so groß wie meines!", rief er und sah sich alles genau an.
,,Naja. Ich finde es einsam hier. Meine Eltern sind ja fast nie da und meine Freunde haben auch nicht viel Zeit für mich. Und Haustiere darf ich keine haben.", erklärte Valentin und setzte sich auf sein Bett. Murtagh setzte sich neben ihn und sagte einfach nichts. Er war einfach von all dem hier fasziniert. ,,Was arbeiten deine Eltern denn?"
,,Mein Dad hat ein wichtiges Unternehmen und meine Mum eine eigene Parfüm Marke."
,,Cool."
,,Was willst du heute noch machen? Es regnet, also wäre es besser, wenn wir im Haus bleiben. Sollen wir uns etwas zu essen machen und einen Film anschauen?", schlug Val vor. Murtagh schwieg kurz und dachte nach.
,,Ich weiß nicht ob ich schon so viel essen kann.", gab er leise zurück.
,,Macht nichts, du musst ja nicht so viel essen. Also komm, meine Grandma, hat uns immer Ratatouille gemacht. Ich habe das Rezept. Vielleicht kommen meine Eltern ja etwas früher, dann können sie ja mit essen.", grinste Val und sprang aus seinem Bett. Murtagh folgte ihm und kurz später waren sie auch schon in der Küche.
Val hatte das Rezept heraus gesucht und legte es auf den Tisch. Beide lasen es sich erst mal durch Val suchte die Sachen zusammen.
Während Murtagh sich um die Soße kümmerte, schnitt oder besser gesagt hobelte Val die Zucchini.
Als sie die Mahlzeit ins Backrohr schoben, war es bereits halb fünf. Der Duft von Ratatouille lag in der Luft und erfüllte den gesamten unteren Stock. Genüsslich zog Val die Luft ein.
,,Riechst du das? Das haben wir erschaffen.", lachte Val und legte Murtagh einen Arm auf seine knochigen Schultern. Murtagh grinste leicht und dachte sich seinen Teil.
Val holte vier Teller, vier Gabeln und vier Gläser aus den Schränken und deckte den Tisch.
,,Also kommen deine Eltern?", fragte Murtagh und nahm seinem Freund die Teller ab. Auch wenn es ihm peinlich war, mehr konnte er einfach nicht tragen.
,,Ich weiß nicht, ich decke einfach immer für sie mit. Manchmal sind sie gekommen.", stöhnte Val und stellte zu jedem Teller ein Glas dazu.
,,Ironie. Du brauchst jemanden in deiner Nähe, und ich brauche jemanden, der mir hilft. Wir ergänzen uns gegenseitig.", schmunzelte Murtagh und nahm Val auch noch die Gabeln ab. Val grinste und setzte sich auf einen Stuhl.
,,Du hattest nicht wirklich viele Freunde oder?"
Murtagh hielt mitten in der Bewegung inne und schüttelte dann langsam den Kopf.
,,Nein. Sie fanden es eklig, dass ich so dünn war, aber niemand wusste warum, schwimmen wollte nie jemand mit mir gehen, weil es ihnen peinlich war, weil ich ihnen peinlich war. Und im Sportunterricht wurde ich immer als letzter gewählt, weil mich keiner wollte. Die Elftklässler haben mich oft vermöbelt oder sind mit Aussagen gekommen wie, Du hast eine Figur wie eine Hundehütte, in jeder Ecke ein Knochen. Oder das ist ja der Skelett im Bett. Manchmal haben sie aber auch einfach nur Hungerhaken, oder Knochengestell gesagt. In meiner Klasse bin ich immer alleine gesessen weil niemand neben einem Bleistift wie mir sitzen wollte. Könnte ja ihrem Ruf schaden. Ich war damals noch nicht so dünn wie jetzt. Als Mum dann gestorben ist, wurde alles nur noch schlimmer. Ich habe oft einige Tage nichts gegessen, nur getrunken und so. oder wenn ich gegessen hatte, mich dann ein oder zwei Stunden später übergeben. Die Schule hat es nicht wirklich besser gemacht. Ich wurde wie du dir denken kannst, immer blasser und schwächer, bis ich dann im Sportunterricht zusammen gebrochen bin. Dabei hab ich mir einen Liegegips eingeholt und konnte drei Wochen nicht in die Schule gehen. Die Lehrer haben den anderen dann wohl gesagt, was Sache war. Sie haben aufgehört. Und dann direkt angefangen mich mit meiner Mum zu ärgern. Das ging immer weiter so, bis dann die Depressionen angefangen haben. Mein Dad war kurz davor in die Schule zu gehen um mich abzumelden. Dann hat er das Job-Angebot hier bekommen. Anfangs wollte ich nicht weg, weil das Grab meiner Mum ja in Houston ist. Ich bin jeden Tag nach der Schule zu ihrem Grab gegangen.", Murtagh begann zu schluchzen. Offensichtlich, war es für ihn wirklich nicht leicht, sich an all diese Sachen zu erinnern. Val konnte es gar nicht fassen, dass die ganzen Schüler so gemein gewesen waren.
Val stand auf und umarmte seinen jungen Freund. Ganz vorsichtig.
,,Aber dann habe ich noch mal nachgedacht. Dad war es wichtig, dieser Job.", schluchzte er und schlang seine Arme um die Taille des älteren.
,,Tut mir leid, dass ich dich danach gefragt habe. Ich hätte nicht so neugierig sein sollen.", meinte Val und drückte den kleineren etwas fester an sich.
,,Und außerdem, finde ich gar nicht, dass dein Körper eklig ist, nur weil du dünner bist, als die anderen. Natürlich sieht man ds nicht alle Tage, aber so abstoßen? Nein, das bist du wirklich nicht, und wenn Menschen schon nach dem Äußeren urteilen, dann sind sie Arschlocher!"
Murtagh glaubte, dass er nicht richtig hörte. Aus großen Augen starrte er zu Val auf.
,,Jetzt siehst du aus, wie einer dieser Beanie Boos.* Du hast richtige Rehaugen."
,,M..Meinst du das ernst? Du findest mich nicht abstoßend oder so?", fragte Murtagh leise und wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers die Tränen aus dem Gesicht.
Val lächelte.
,,Hätte ich es denn sonst gesagt?"
Ungläubig schüttelte der jüngere den Kopf.

Pünktlich um sechs holten die beiden das Ratatouille aus dem Backofen und stellten die Form auf eine Unterlage auf dem Tisch. Und zu ihrer Überraschung, wurde die Tür geöffnet und zwei Personen kamen herein. ,,VAAAAAAALLLL!", rief die Frau quietschend und eilte zu ihnen in die Küche. Blonde Haare, roter Lippenstift, roter Mantel der nur bis knapp über ihre Oberschenkel ging und eine Sonnenbrille. Getoppt von roten Stiefeln. Und ein Mann im Anzug.
,,Hallo Mum! Hi Dad!"
,,Hast du gekocht?", fragte Vals Mum ( Lily ) und löste sich aus der Umarmung, ehe er in die Arme seines Dads ( James ) gezogen wurde.
,,Ja, ich und Murtagh haben Ratatouille gekocht.", erklärte Val und zeigte auf Murtagh, der etwas abseits stand.
,,Mein Gott bist du niedlich!", rief Lily und zog ihn einfach ihn ihre Arme.
,,Ich bin Lilian, aber du kannst mich Lily nennen. Und das ist mein Mann James. Und bist du ein Freund von Val?"
,,J..Ja."
,,Wir sind in der selben Klasse. Er kommt aus Houston und ist seit dieser Woche hier."
,,Houston? Das ist aber ganz schön weit weg.", meinte sie lächelnd und setzte sich auf einen Stuhl. ,,Das riecht aber gut!"
Gemeinsam gingen zu den Stühlen und setzten sich hin.
,,Und Murtagh, was arbeiten deine Eltern?"
,,Mein Dad ist Lehrer in einer Universität."
,,Und deine Mum?"
,,Meine Mum starb letztes Jahr."
,,Tut mir leid."
Schweigend aßen sie eine Weile lang und Murtagh fühlte sich ein klein wenig beobachtet. Seine Lust etwas zu essen, war ihm vergangen, alleine schon bei der Erwähnung von seiner Mum. Und er fühlte sich unwohl, hier bei fremden Leuten zu essen, die er nicht einmal kannte.
,,Und, gefällt es dir hier?", fragte James und legte seine Gabel auf dem Teller ab.
,,JA, das was ich bis jetzt gesehen habe ist okay."
,,Was meinst du mit okay?"
,,Naja, ich finde einfach hier ist ziemlich viel los und es ist sehr, stressig aber eben okay."
,,Wenn euch das nicht passt, dann hättet ihr nicht hier her ziehen sollen."
,,Mein Dad hielt es für richtig und anderst als sie, kümmert es ihn auch, was ich mache! Und meine Probleme kümmern ihn auch! Zudem ist er auch zu Hause und nicht ständig weg, weil es auch noch Eltern gibt, denen ihre Kinder mehr bedeuten als ihre Arbeit!"
,,Das ist eine Frechheit! Ich lasse mich nicht von irgendeinem daher gelaufenen Jungen in meinem Zuhause beleidigen lassen! War doch klar, dass Valentin nicht ein einziges Mal jemanden normalen als Freund haben kann!"
,,Da haben sie recht, ich bin nicht normal, aber man sollte erst über Leute urteilen, deren Geschichte man nicht kennt.", knurrte Murtagh und stand auf.
,,Wir sehen uns morgen Val. Danke für das Essen, Lily."
Er verließ die Villa mit raschen Schritten und lief hinaus in den Regen. Die Kälte war ihm gerade völlig egal. Er wollte einfach nur nach Hause. Er bemerkte gar nicht, wie Val ihm nach lief.
,,Murtagh warte!"
Doch er dachte nicht daran. Statt langsamer zu werden, beschleunigte er seine Schritte. Erst als Val ihn am Handgelenk packte und fest hielt brachen die Dämme.
,,Murtagh es tut mir leid, mein Dad war gereizt, weil meine Eltern einfach einen ruhigen Abend mit mir verbringen wollten und mein Dad einfach angepisst war wegen ein paar Leuten in der Firma."
,,Hör auf Val! Hör auf! Du verstehst es einfach nicht! Dein Dad ja recht! Ich habe ein Problem! Ich habe große Probleme und habe wirklich gedacht, dass du mir helfen könntest. Ich habe gedacht, dass alles wieder gut werden kann. Ich habe mir gewünscht, dass ich wieder essen kann, ohne dass ich mich danach übergeben muss, ich habe mir gewünscht, dass ich wieder richtig lachen kann, so wie ich es mit meiner Mum immer getan habe! Ich habe mir jemanden gewünscht, der ein Freund für mich sein kann. Ich danke dir wirklich dafür, dass du da warst, dass du mir helfen wolltest, aber irgendwann endet auch das! Und ich will nicht schon wieder jemanden verlieren! Verstehst du das? Das alles, mein ganzes Leben war, ist wie eine Karussellfahrt! Zuerst freust du dich auf die Fahrt, stellst dir vor wie viel Spaß du haben wirst, dann genießt du sie, hast Spaß, freust dich einfach nur für den Moment und dann? Und dann ist sie vorbei und du kannst dich nur noch erinnern wie sie war. Du erinnerst dich an den Spaß den du hattest, für den Moment! Du erinnerst dich und blickst traurig zurück. Du....Du verlierst dich in den Erinnerungen, weil sie einfach wunder schon sind. Aber...aber das darfst du nicht! Erinnerungen, sind nichts weiter als Dinge, die einem Schmerzen bereiten, wenn sie verblassen. Mit jeder Minute, die vergeht, verblassen sie noch mehr und alles was bleibt ist ein leerer Schatten. Das alles hier ist mein Karussell! Und meine Fahrt war wirklich lustig, ich hatte Spaß! Wirklich! Aber meine Fahrt ist vorbei! Ich habe gedacht, dass ich...dass ich wirklich noch einmal so viel Spaß haben kann wie früher! Dass du mir dabei wirklich helfen kannst. Dass ich nicht alleine bin und jemanden habe! Ich weiß du denkst jetzt, mein Dad ist auch da, aber mein Dad ist mein Dad, und nicht der Freund den ich brauche, Val. Ich will einfach, dass es aufhört. Ich will, dass ich endlich frei sein kann, von meinen ganzen Problemen! Dass mir jemand hilft, dem ich wirklich etwas bedeute! Ich will einfach, dass irgendjemand mich sieht! Ich existiere! Helft mir! Oder ich zerbreche noch mehr!"
Tränen rannen dem fünfzehn jährigen übers Gesicht und vermischten sich mit den Regentropfen.
Val stand einfach nur da. Er wusste nicht was er tun sollte. Oder doch?
Wie von selbst, trugen seine Beine ihn zu dem weinenden Jungen vor ihm und seine Arme zogen diesen eng an sich. Ehe seine Lippen den Rest taten.

Love Till To Your BonesWhere stories live. Discover now