12# - Sleepless

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Es ist schon nach Mitternacht. Irgendwie habe ich es hinbekommen, dass Ella schläft, statt wie eigentlich vor sich her zu schnattern. Die Fahrt hat sie wohl doch noch müde gemacht. Einem Kingsizebett könnte sie oder so nicht widerstehen. Morgen will sie mit mir volles Programm durchziehen. Sie will in die Sauna, zum Pool, ins Fitnessstudio, in den Kinoraum, zum Garten und was es hier sonst noch so gibt. Ich weiß nicht mal wo die ganzen Räume sind, habe ganz andere Dinge im Kopf. Ich versuche erst gar nicht einzuschlafen. Bei mir werden es höchstens zwei Stunden sein, dann werde ich wieder schniefend aufwachen und durchdrehen, weil mir die Zeit davon läuft.

Ich beuge mich zu Ella rüber und checke, ob sie wirklich schläft. Als ich mir sicher bin, steige ich vorsichtig aus dem Bett. Ich habe eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Ich mache mir schnell einen Zopf und siehe mir meine Jacke über. Damon schläft in seinem Korb und merkt auch nichts, als ich leise den Raum verlasse.

Ich habe laut Rose nur noch diesen einen Tag Zeit. Leider sehe ich mich überhaupt nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Ich weiß nicht, was die beste Entscheidung ist. Normalerweise gibt es doch immer einen harmlosesten Weg. Hier aber, finde ich keinen einzigen Weg, der irgendwie harmloser als der andere sein soll. Deswegen wage ich es, die aller letzte Option auszuprobieren.

Ich laufe schon fast die Flure entlang, achte dabei aber darauf stets leise zu sein. Ich darf jetzt nicht entdeckt werden, das würde nur Verdacht auf mich ziehen. Draußen ist es Stockdunkel, nur die Lichter des Anwesens beleuchten das riesige Grundstück. Ich nehme einen kleinen Hinterausgang und trete raus auf den Garten. An der großen Garage vorbei, gehe ich durch eine Gittertür und gerate in den Vorderhof. Als ich dann nach einer gefühlten Ewigkeit an der Außentür ankomme, sitzt ein Security Kerl an einem Schalter.
,,Was machen Sie noch so spät Miss?", fragt der Mann mich höflich.

,,Ich wollte nur etwas Luft schnappen. Wäre das in Ordnung wenn sie die Türen öffnen würden?", bin ich so freundlich wie es nur geht.

,,Aber natürlich. Möchten sie Begleitung? Es ist spät und um diese Uhrzeit gefährlich für eine junge Lady alleine draußen herumzulaufen.", sagt er.

,,Nein, nein. Ich werde mich sowieso in der Nähe des Grundstücks aufhalten. Das dauert nicht lange.", sage ich schnell.

,,Wie Sie wünschen.", sagt dieser und öffnet mir schon auch die Gittertore. Als sie sich langsam außeinander schieben und ich endlich heraus kann, bedanke ich mich bei dem Arbeiter und gehe auch schon raus. Als ich mir sicher bin, aus der Sichtweite zu sein, gehe ich die Straße runter, bis ich an einer Hauptstraße ankomme. Ich winke ein Taxi herbei und setze mich rein.
,,Wohin geht's?", fragt der alte Taxifahrer mich mit indischem Akzent.

,,Ins J&R Hotel.", antworte ich. Er nickt und fährt still los. Vor mich hin grübelnd starre ich aus dem Fenster. Ich fasse es einfach nicht, dass ich tatsächlich aus eigenem Antrieb dorthin gehe. Jetzt verstehe ich die Bedeutung hinter dem Spruch 'Fahr zur Hölle'. So komme ich mir im Moment jedenfalls vor. Meine Augen brennen vor Schlaflosigkeit und den Tränen die ich vergossen habe. Ich fühle mich wie ein Wrack. Erschöpft und trüb. Ich verstehe einfach nicht, wie ein Mensch so schlecht sein kann. Was habe ich denen jemals angetan, dass ich so etwas durch machen muss? Das einzige was ich will, ist einfach glücklich zu sein. Nichts mehr.
Wieder einmal schätze ich diese kurze Zeit, in der ich so frei und so unbeschwert war. Ich will zusammen mit Darrow zurück in die Berge. Einfach weg von allem. Weg von der Zivilisation. Dort gab es nur Darrow, die Natur, Damon und mich. Es war alles perfekt, aber natürlich muss es ja wieder zerstört werden. Wie jedes mal. Auf mir liegt ein Fluch, anders kann ich es mir einfach nicht erklären...

Ich merke erst, dass wir da sind, als der Fahrer mich darauf aufmerksam macht.
,,73 Dollar.", sagt er. Ich taste meine Taschen ab und merke, dass ich gar kein Geld mitgenommen habe. Ich sehe den Fahrer entschuldigend an.

,,Bitte warten Sie kurz. Ich gehe sofort hoch und bringe das Geld. Es dauert nicht lange."
Der Fahrer nickt und ich steige aus. Ich sehe mir das riesige Gebäude an. Es ist nur eines von vielen Hotels, die er besitzt. Ich steige die kleinen Treppen hinauf und gehe zum Eingang, der von zwei Security Männern bewacht wird und wo ein langer roter Teppich ausgerollt ist. Mit meinem Aussehen passe ich nicht wirklich hierher. Aber ein Versuch ist es ja wert. Was anderes bleibt mir im Moment auch nicht wirklich übrig. Ich gehe in Richtung Drehtür, als mich die zwei Männer aufhalten. War ja klar...

,,Ihre Mitgliedskarte Miss?", sagt der große Kerl. Ich schlucke schwer.

,,Ich habe noch keine. Ich würde aber gerne einchecken.", bluffe ich.

,,Haben Sie denn reserviert? Dann bräuchte ich ihren Namen.", sagt er. Scheiße.

,,Ich... habe leider nicht reserviert.", sage ich schwer schluckend.

,,Tut mir leid. Sie kommen ohne Reservation leider nicht rein.", sagt der Mann.

,,Wäre es denn möglich, dass Sie an der Rezeption Herrn Carter ausrichten, dass ich hier bin.", sage ich nervös und lege meine arme um mich. Mir ist plötzlich ganz kalt. Der Mann betrachtet mich von oben bis unten. Mir ist schon klar, dass ich nicht wirklich High Society aussehe, Arsch.

,,Tut mir leid, das kann ich leider nicht tun.", sagt er.

,,Bitte, es ist sehr wichtig Sir ich muss ihn sehen.", sage ich eindringlich. Was anderes fällt mir gerade nicht ein.

,,Es tut mir Leid Miss, aber ich muss Sie jetzt bitten zu gehen."

,,Er kennt mich! Sie müssen nur an der Rezeption-"

,,Wie lautet denn Ihr Name Miss?", fragt mich der Security Mann auf der anderen Seite.

,,Jazz Welson.", antworte ich. Er betrachtet mich und räuspert sich schnell. Sein Kollege vor mir sieht ihn fragend an und sieht auf die Liste vor ihm. Seine Augen werden plötzlich ganz groß.

,,Natürlich dürfen Sie rein Miss Welson.", sagt der Mann und macht mir den Weg plötzlich frei.
,,Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten. Wenn Sie an der Rezeption bescheid sagen, können Sie sofort zu Herrn Carter.", versucht er seine Nervosität zu verbergen und lächelt ganz freundlich.

,,Danke...", sage ich nur verwirrt.
Mit gerunzelter Stirn gehe ich durch die gläserne Drehtür ins Gebäude. Das Foyer ist riesig und luxuriös. So eine riesige Leuchtkrone habe ich nur in Filmen gesehen. Vorher habe ich nie wirklich darauf geachtet, da ich stets von Männern umzingelt war die mich bewacht haben, inklusive Ryan. Jetzt hier so alleine herum zu stehen, gibt mir das Gefühl nackt zu sein. Als wäre ich wie auf einem Silbertablett serviert. Tief durchatmend gehe ich zur Rezeption, wo eine dunkelhaarige Frau mit strengem Dutt sitzt und Anrufe entgegen nimmt. Als sie auflegt, spricht sie.
,,Was kann ich für Sie tun?", fragt sie mich. Natürlich mustert sie mich auch. Das Personal hier ist viel edler als ich angezogen, selbst wenn ich in normalen Klamotten hierher kommen würde.

,,Ich möchte zu Ryan Carter.", sage ich. Sie sieht mich leicht überrascht an.

,,Herr Carter erwartet zu dieser Zeit leider keine Gäst-"

,,Mein Name ist Jazz Welson.", sage ich. Auch ihre Augen sind verblüfft. Sie fragt sich bestimmt welche Penner Frau zum großen Ryan Carter will.

,,Natürlich. Einen Moment.", sagt sie und nimmt den Hörer in die Hand.
,,Entschuldigen Sie sie Störung Mr. Carter, Miss Welson ist hier.", sagt sie. Sie nickt leicht, als würde er es sehen.
,,Verstanden." Sie legt auf und reicht mir eine Karte aus ihrer Schublade.
,,Herr Carters Suite liegt-"

,,Ich weiß.", sage ich, nehme die Karte und gehe zum Aufzug, welches nur für den obersten Stockwerk erbaut wurde. Ich halte die Karte an den Scanner und warte, bis mir die Türen geöffnet werden. Dann trete ich ein.

Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich hasse diesen Ort. Ich würde ihn niederbrennen wenn ich könnte...

Als der Aufzug anhält, steige ich aus und gehe den Flur entlang. Schon wieder zwei Security Männer. Sie nicken mir zu. Einer klopft an der Tür. Nach einer Weile wird sie von Ryan geöffnet. Er betrachtet mich mit monotonem Blick. Dann lächelt er.

,,Ganz schön mutig von dir, um diese Uhrzeit einfach an meiner Tür zu klopfen."








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Vielen Dank für Kommis und Votes💕

Prisoner - Behind BarsWhere stories live. Discover now