39# - Smile for the Camera

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Man hält mich hier stundenlang fest, vielleicht tagelang. Auf den Beinen stehe ich nur wegen den Infusionen, da mir kein Essen gebracht wird. Ich fühle mich ausgelaugt, schwer und müde. Manchmal schlafe ich ein, ohne es zu bemerken. Ich verliere immer mehr das Zeitgefühl und habe Schwierigkeiten, Realität und Schein voneinander zu unterscheiden. Manchmal habe ich das Gefühl Schritte hinter der Tür zu hören, aber dann passiert nichts und alles wird wieder still. Ich hatte vor einigen Stunden eine Panikattacke, wieso kann ich nicht genau sagen. Ich bin so verwirrt. Ich erinnere mich an Dinge, weiß aber nicht ob sie wirklich passiert sind. Zum Beispiel hätte ich schwören können, dass jemand eben hereingekommen ist und mit mir geredet hat. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Tür seit Stunden nicht geöffnet wurde. Ist das die Infusion die das mit mir macht? Ich hatte sie doch eben abgenommen, oder nicht?
Das Licht in diesem Raum ist immer gleich. Ich kann nicht sagen wann es Nacht oder Tag ist. Es könnten zehn, oder auch nur eine halbe Stunde um sein. Ich weiß es nicht. Ich weiß irgendwie gar nichts mehr. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich mit Darrows Vater gesprochen habe. Habe ich mir das nur eingebildet? Vielleicht habe ich das auch nur geträumt. Er hat von einem Ryan gesprochen ... wer war das noch gleich ...?

Ich fasse mir an den Kopf und atme tief durch. Ich will nicht noch eine Panikattacke. Je unruhiger ich werde desto mehr Filmrisse kriege ich. Ryan ... ich weiß doch wer das ist! Er ... er ist jemand böses, das weiß ich! Macht er das alles mit mir? Will er, dass ich hier verrückt werde?!

Ich stehe auf und ziehe die Infusion raus. Mit krücken und wackeligen Beinen gehe ich zu der grauen Tür und klopfe dagegen. ,,Hey! Wann lasst ihr mich hier raus?!", rufe ich panisch. ,,Ich fühle mich schon viel besser! Bitte, ich möchte raus wieso erzählt mir niemand was hier vor sich geht?!"
Es passiert nichts. Niemand kommt und geht, niemand antwortet. Ist das ein Experiment? Will man meine Schmerzensgreze austesten? Ich darf mich nicht aus der Fassung bringen lassen. Ich gehe zurück auf das Bett und überlege. Celeste Jazz ... Welson. Oder doch Jazz Celeste Welson? So müsste es richtig sein. Gut. Ich erinnere mich an Darrow. Er hat mir Damon geschenkt ... er hat mir immer so schöne gestreifte Rosen gebracht ... er ... hat mir verbrannte Waffeln serviert und ...

Ein kleines Lächeln legt sich auf meine Lippen.

... er hat mich mal 'Fette Kuh' genannt als ich ihn damals in der Waldhütte erschreckt habe. Wie könnte ich das jemals vergessen?

Stimmt, die Waldhütte ... dort hatte er mir einen Heiratsantrag gemacht. Er hat mich jeden Morgen wortwörtlich auf den Händen getragen. Die Zeit mit ihm dort war die schönste Zeit die ich je in meinem Leben hatte.
So weit so gut. Es ist wirklich komisch, je mehr ich mich an ihn erinnere, desto mehr scheine ich zu mir selbst zu finden. So muss das weiter gehen ... sonst kann ich es vergessen, heil hier herauszukommen. Also, nochmal langsam.

Ich heiße Jazz Celeste Welson. Ich muss mir merken wer Darrow ist. Dass er der gute ist ... Carter ist der böse ... Ella Thompson ist meine beste Freundin ... und man versucht mich zu manipulieren ...

Ich merke wie ich immer müder werde und kurz davor bin wieder einzuschlafen. Jedes Mal wenn ich aufwache fühle ich mich immer fremder in meinem Körper, als wäre etwas während dieser Zeit der Bewusstlosigkeit passiert. Ich muss herausfinden ob sie mich extra bewusstlos machen um mich dann wegzuschleppen. Ich sehe mich um und entdecke oben einen Lüftungsschacht die für Sauerstoff sorgen soll, da es hier kein Fenster gibt. Wenn sie mich tatsächlich wegschleppen während ich weggetreten bin ... ich muss es einfach wissen. Schnell fahre ich mir durch meine langen Haare und reiße mir vier Strähnen raus. Ich lege sie zusammen, sodass sie eine Schnur bilden und binde das eine Ende an das Bettgestell und das andere an meinen Finger. Dann legt sich wieder diese Müdigkeit auf mich und ich schlafe langsam und ungewollt wieder ein.

*****

Ich ziehe Noles Leiche in einen Schrank und lasse ihn da gammeln. Wenn er Glück hat, finden sie ihn bevor seine Leiche anfängt zu stinken.

Dieser Kampf kam mir eigentlich sogar sehr gelegen. Der Penner hat ordentlich ausgeteilt und mir einige Wunden verpasst, die ich so oder so für gleich gebraucht hätte. Ich sehe durch die kleine Türspalte raus auf den Flur. Wo bleiben diese Idioten?!

Nach wenigen Minuten sind die Latinos auch schon da. Paco, Miguel, Raimon und Javier kommen nacheinander hereingestürmt.
,,Was ist passiert?", fragt Miguel mich als er mein Gesicht sieht.
,,Hatte eine kleine Auseinandersetzung. Wo ist Bruno?", frage ich in die Runde als er nirgends aufzufinden ist.
Raimon spricht. ,,Keine Ahnung, wir haben ihn aus den Augen verloren. Ich glaube, sie haben ihn geschnappt."
Ich nicke. ,,Wir warten noch eine Minute, wenn er nicht kommt und die beiden mit den Waffen da sind, sind wir ohne ihn weg. Ich hoffe er plaudert nicht wenn sie ihn schnappen."
Schweren Herzens nickt Paco zustimmend. ,,Keine Sorge, so wie ich ihn kenne hält er dicht." Ich nicke. Das hoffe ich für ihn. Ich werde wohl kaum auf diesen Punk vertrauen der seine Frau ermordet hat. Wenn ich hier raus bin muss ich ihn wohl oder übel umlegen lassen.

Es dauert nicht lange bis Emilio und Nacho zusammen mit den Waffen hereinstürmen und sie sich untereinander aufteilen. Dank Benjamin haben wir Zutritt zum Waffenlager bekommen und können endlich mit dem eigentlichen Plan anfangen.
,,Wo ist Bruno?", fragt Nacho.
,,Wir glauben sie haben ihn gefasst", sagt Javier. ,,Was?! Und jetzt?", fragt Emilio schockiert.
,,Wir machen mit dem Plan weiter, was sonst?", sagt Paco.
,,Wir lassen ihn einfach hier?", zischt Emilio.
,,Wir müssen, sonst kommen wir hier nie wieder raus", sagt Raimon.
,,Uns bleibt nichts anderes übrig Amigo wir sind schon auf den Überwachungskameras - jetzt gibt es kein zurück mehr!", fügt Nacho hinzu. Stimmt. Der Plan war, dass der Einbruch in die Waffenkammer absichtlich von den Kameras aufgenommen werden soll damit es wie ein Ausbruch aussieht mit dem ich nichts am Hut habe. Die Cops haben also nur Videoaufnahmen davon, was sie auch sehen sollen.
Emilio seufzt und nickt schweren Herzens. ,,Na gut."
,,Sein Opfer wird nicht umsonst sein Hermano", sagt Miguel und klopft ihm auf die Schulter. Nicht mehr lange und man merkt dass wir weg sind!

Wahrscheinlich werden die Häftlinge gerade durchgezählt. Auch wenn Roses Leute für einen möglichst späten Alarm sorgen werden, bleibt uns nicht mehr viel Zeit.

Ich drücke Emilio die Schlüsselkarte in die Hand. ,,Schnappt euch die Waffen, los!", sage ich unter Zeitdruck und lasse mir anschließend von Miguel die Handschellen hinter meinem Rücken anlegen. Zwei Sturmgewehre und zwei Pistolen sind mehr als genug. Paco und Raimon schnappen sich die Knarren und Javier und Miguel die Gewehre. Emilio hält mich an einer Seite, Nacho an der anderen Seite fest.
,,Bereit?", frage ich. Sie nicken mir alle zu. Schweißperlen tropfen an meiner Stirn runter und den anderen scheint es auch nicht besser zu gehen. Mein Kreislauf hier ist komplett am Arsch wegen diesem Drecks Essen worauf ich so oft verzichtet habe. Hoffen wir mal, dass ich so scheiße aussehe wie ich mich fühle. Der Presse wird es gefallen. Vor allem wird es aber der FBI gefallen wenn das hier nicht klappt.
,,Dann los!"

Raimon tritt die Tür zum Flur auf und wir marschieren in schnellen Schritten voran. An der nächsten Kurve sind alle Gänge Kameraüberwacht und bilden somit perfektes Bildmaterial für die Nachrichten. Bevor wir an bei der Kurve sind, hält mir Paco die Pistole an den Kopf.

,,Jetzt lächle für die Kamera, Gringo."

Prisoner - Behind BarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt