44# - Helpless

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Ich sitze mit Ryan an einem Tisch und esse. Er hat mit dem Essen echt übertrieben, der ganze Tisch ist voll mit verschiedenen Gerichten. Nicht, dass mich das Essen stört. Mich stört eher dieses komische Gefühl in mir, das etwas nicht stimmt und ich weigere mich es einfach zu ignorieren. Ich weiß, dass ich eine Familie habe, aber das ist dann auch alles was ich weiß. Ich erinnere mich nicht an irgendwelche Gesichter.
,,Iss auch vom Gemüse. Du musst wieder zu Kräften kommen", sagt er und beobachtet mich während er an seinem Steak herum schneidet.
,,Ich habe mich nur gefragt, was mit meiner Familie ist", sage ich und stochere im Gemüse.
,,Du erinnerst dich nicht?", fragt er. Ich schüttle den Kopf. Er nickt verstehend.
,,Sie leben hier in New York", erklärt er. Ich runzle die Stirn. ,,Machen sie sich denn keine Sorgen darüber, wo ich bin?", frage ich ihn verwirrt. Meine Mutter müsste doch krank vor Sorge sein, wenn ich so lange weg bin?
,,Mach dir keine Gedanken. Ich habe ihnen gesagt, dass du bei mir bist. Ich würde dich ja zu ihnen bringen, aber du weißt wie schwierig die Lage momentan ist", erklärt er ruhig. Ich nicke enttäuscht und versuche meine Gedanken zu ordnen. Es macht mir Angst, dass ich mich vielleicht nie erinnern werde.
,,Wie haben wir uns eigentlich kennengelernt?", frage ich ihn. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Ein sanftes Lächeln umspielt seine Lippen, als würde er sich genau an diesen Moment erinnern.
,,Du hattest gerade mit dem College begonnen zu der Zeit, das war in Denver", erklärt er mir und wischt sich mit einer Serviette über den Mund. Er blickt mir verträumt in die Augen, was mich etwas verunsichert. Ich habe studiert?
,,Ich war damals geschäftlich unterwegs und wollte zu einem Meeting, als du dann plötzlich auf die Straße gesprungen bist um deinen Bus zu kriegen. Mein Fahrer hat angehalten, du hast deinen Bus verpasst und dann habt ihr angefangen euch zu streiten. Als ich aussteigen wollte um nachzusehen was los ist, hab ich dich entdeckt und ... tja, dann war's um mich geschehen", lacht er beim letzten Satz und schüttelt den Kopf. Seine Worte klingen so voller liebe, dass es mir schon weh tut mich nicht daran erinnern zu können.
,,Ich wünschte ich könnte mich daran erinnern ...", sage ich niedergeschlagen und kann es nicht verhindern, dass Tränen aufkommen. Als er sieht wie sehr mich das beschäftigt, steht er auf und kommt zu mir. Ich kann mich nicht wirklich rühren weil ich nicht richtig gehen kann, deshalb bleibe ich sitzen. Er kniet sich runter, nimmt meine Hände in seine und sieht mich aufmunternd an.
,,Ich weiß, dass das sehr schwer für dich ist, aber wir werden das gemeinsam schaffen, okay? Du bist nicht allein", muntert er mich auf und küsst meine Hände.
,,Ich bin nur so verwirrt", schluchze ich überfordert.
,,Shh...", sagt er sanft und nimmt mein Gesicht zwischen seine Hände. Mein Herz springt mir fast aus der Brust als ich befürchte, dass er mich küssen will. Stattdessen drückt er den Kuss aber auf meine Stirn und wischt mir die Tränen weg. Ich fühle mich gar nicht gut, ich habe das Gefühl mich gleich zu übergeben und umzufallen, weil ich mir hier so fehl am Platz vorkomme. Es tut mir so sehr leid, dass ich seine Gefühle nicht erwidern kann. Wollte ich diesen Mann tatsächlich heiraten? Wieso kann ich mich nicht einfach an ihn erinnern?
,,Es tut mir so leid Ryan ... ich ... ich will deine Gefühle nicht verletzten ... aber i-ich erinnere mich an rein gar nichts ... ich habe das Gefühl durchzudrehen...!", weine ich aufgebracht. Er nimmt mich in seine Arme und streichelt meinen Rücken beruhigend auf und ab.

Ich bin an einem unbekannten Ort, mit einem fremden Mann der mir erzählt, dass er die Liebe meines Leben sein soll. Wieso fühle ich mich nicht ansatzweise wohl? Diese Fotos beweisen doch, dass ich wirklich mit ihm zusammen war! Er sieht mich so liebevoll an, weshalb ich mich so schrecklich fühle! Der Arme hat es nicht verdient einfach vergessen zu werden ...
Ich muss alles tun, um mich an ihn zu erinnern!

Entschlossen sehe ich Ryan an. Fragend blickt er mir in die Augen.
,,Ich werde alles versuchen um mich an dich zu erinnern, versprochen...!", versichere ich ihm schluchzend. Er nickt leise und streichelt mir über die Wangen.
,,Mach dir keine Gedanken darüber, dass wichtigste ist, dass du zuerst gesund wirst. Du solltest dich jetzt schlafen legen, die letzten Tage waren sehr anstrengend für dich", sagt er sanft. Ich nicke und will aufstehen, doch er hält mich auf.
,,Ich mache das schon", sagt er und legt einen Arm an meinen Rücken und einen unter meine Beine. Vorsichtig hebt er mich hoch. Ich beiße auf meine Unterlippe als meine Verletzung am Oberschenkel beginnt zu pochen.
,,Tut es weh?", fragt er mich besorgt.
,,Ein bisschen", sage ich und versuche mir die aufkommenden Tränen zu vertreiben. Wieso tun diese Männer das? Was haben wir ihnen angetan, dass sie hinter uns her sind? Ich hoffe die Polizei findet die Verantwortlichen, damit wir endlich wieder in Sicherheit sind ...
,,Doktor Adams wird morgen nach dir sehen", sagt er mit mir auf den Armen, als er auf die Schlafzimmertür zusteuert. Er schiebt die Tür auf und setzt mich auf das Bett. Dann geht er zum Schrank und holt ein Nachtkleid raus. Ich spüre wie die Schmerzmittel nachlassen und jede Bewegung weh tut. Ich habe noch immer ein Verband um meinen Kopf wegen dem Unfall und spüre wie die Wunde darunter brennt.
,,Das hier sollte bequemer sein", sagt er und reicht es mir. Ich überlege gerade wie ich mir diese Krankenhauskleidung ausziehen soll, als er sich hinter mich setzt und es hinten beginnt zu öffnen. Ich drehe mich zu ihm um und halte ihn somit auf.
,,Oh stimmt ... tut mir leid", murmelt er entschuldigend. Unsicher blicke ich ihn an. Ich habe ihn verletzt ...
Ich drehe mich wieder um und schiebe meine Haare zur Seite. Alleine schaffe ich das ohnehin nicht ... auch wenn ich mich nicht ganz wohl dabei fühle.
,,Bist du dir sicher?", fragt er mich um sicher zu gehen. Ich nicke.
,,Ich schaffe das nicht alleine", sage ich leise und reiße mich zusammen. ,,Ich will dir vertrauen können", flüstere ich traurig. Ich spüre wie er zögerlich den Verschluss hinten langsam öffnet. Er streift mir das Hemd von den Schultern, was bei mir eine Gänsehaut auslöst. Überrascht blicke ich mir über die Schulter, als er seine Stirn an meinen Nacken lehnt und seufzt.
,,Du kannst mir vertrauen Celeste", haucht er leise. Seine Stimme klingt verletzt, schon fast zerbrechlich.
,,Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Ich lasse nicht zu, dass sie dich mir wegnehmen ... niemals."
Ich schlucke schwer und weiß nicht was ich sagen soll. Nache einer kurzen Weile spreche ich.
,,Gib mir nur etwas Zeit. Versprochen, ich werde mein bestes tun um mich an dich zu erinnern. Dann können wir gemeinsam eine Lösung für alles finden", sage ich aufmunternd. Er sagt dazu nichts und entfernt sich von mir. Vorsichtig stülpt er mir das Nachtkleid über den Kopf.
,,Danke", sage ich beschämt darüber, dass ich es nicht alleine schaffen konnte.
,,Gute Nacht", sagt er und steht vom Bett auf. Er deckt mich zu und drückt mir einen Kuss auf den Kopf.
,,Gute Nacht", sage ich nur benommen von den Schmerzen und sehe dabei zu wie er das Licht ausschaltet und die Tür schließt. Ich seufze gestresst auf.

Prisoner - Behind BarsWhere stories live. Discover now