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Wir standen an einer Bude und Jonas holte uns gerade ein warmes Getränk. Ich sah derweil verträumt meine blauen Wollhandschuhe an, die ich dann in meine Jackentasche packte. Wenn man nur so herum steht, wird einem erst wieder bewusst wie kalt es ist. Als Jonas dann mit meinem Kakao kam, bedankte ich mich schnell und wärmte meine fast eingefrorenen Finger an der Tasse. Wir sind schon einmal um den ganzen Markt rumgelaufen und hatten uns die ganzen Stände angeschaut. Es war nett mit Jonas. Er war nett. Er brachte mich auf andere Gedanken und ließ mich auch Nick vergessen. Zwischen uns war auch keine unangenehme Stimmung aufgekommen, seitdem wir uns am Treffpunkt begrüßt hatten. Es war so angenehm nicht immer den Kopf auf Nick fokussiert zu haben. Übrigens hatte ich ein wenig von Jonas und Veronica erfahren. Beide waren 21 Jahre alt und gingen beide auf eine unterschiedliche Uni, weshalb ich sie noch nie gesehen hatte. Trotzdessen waren sie nicht weit von meiner entfernt. Veronica und er lernten sich auch erst in der Uni kennen und sind seitdem wirklich gut miteinander befreundet. Natürlich hatten sie auch andere Freundeskreise. Jonas hatte mich auch gewarnt, dass je länger ich Veronica kenne, desto schneller und offensichtlicher werde ich ihre Charakterzüge erkennen. Sie ist ein wenig aufgedreht und frech, aber gleichzeitig bewahrt sie in ernsten Situation die Ruhe und den Überblick. Außerdem hat Jonas mir erzählt, wenn Veronica in der Uni ist, sei sie ein ganz anderer Mensch. So seriös und schnell mit den Aufgaben und notieren von Sachen. Selbst er erschreckt sich jetzt noch manchmal, wie ernst sie sein kann. Jonas dagegen ist ein grundauf lieber Mensch. Freundlich zu jedem und immer hilfsbereit. Veronica hatte mir mal zugesteckt im Vertrauen, dass viele ihn kennen und alle meinen er wäre "perfekt". Sie hatte nur lachend nach dieser Aussage den Kopf geschüttelt. 'Jonas und perfekt?- im Leben nicht', hatte Veronica nur als Kommentar abgegeben. Er ist ein tadelloser Student, dass würde stimmen, aber das sehe nur oberflächlich so aus. Er würde von außen her für jeden nett aussehen, was er natürlich auch ist, aber wie Vero es beschrieb sei er ein kleiner fauler Sack. Wenn er Nachhause kommt, zockt er erstmal irgendein Ballerspiel oder verkriecht sich in sein Zimmer und liest den ganzen Nachmittag. Warum er trotzdessen so gut in der Uni ist, weiß selbst Veronica nicht. Ich sah mein Kakao an und kam langsam wieder in das hier und jetzt.
Ich wollte es auch wissen. Wenn du ach so faul seist, Jonas- warum bist du dann so gut in der Uni? Ich schluckte und biss die Zähne zusammen.
"Alles in Ordnung, Rachel?", ich sah leicht erschrocken hoch.
"Ja ja", sagte ich viel zu schnell und hätte mir dafür eine geklatscht.
"Lüge?", fragte mich Jonas während ich mich nur unschuldig wegdrehte und so tat als würde ich pfeifen.
"Was ist los?", er stubste mich leicht grinsend an, sodass ich ihn wieder anschauen musste.
"Ich habe viele Fragen", gab ich ehrlich zu und er lachte.
"Dann frag mich, aber nur dann wenn ich dir auch welche stellen darf", stellte er die Anforderung, weshalb ich kurz überlegend meine Augen zu Schlitzen formte. War es mir das wert? Ich schluckte. Ich werde es warscheinlich bereuen.
"Warum bist du so gut in der Uni?", er sah mich zuerst fragend an.
"Hat dir das Vero erzä-", ich ließ ihn garnicht aussprechen sondern nickte nur. Er seufzte daraufhin und sah mir dann in die Augen.
"Ich hatte früher während ich eigentlich in der Schule war viel Zeit... weshalb ich gelernt habe"
"Eigentlich?", hakte ich nach und er biss sich auf die Unterlippe.
"Klingt jetzt ein wenig dumm, aber früher war ich wegen Gerüchten... bekannt dafür angeblich Leute verprügelt zu haben", ich nickte.
"Aber hast du nicht?", er sah zu mir runter und fing an zu grinsen.
"Findest du Badboys oder Goodboys besser? Darauf basiert dann meine Antwort"
"Ich steh auf Honestboys", sagte ich nur grinsend und er fing an zu lachen.
"Ein etwas jüngerer Junge wurde von Jungs aus meiner Parallelklasse bedroht. Sie wollten wohl Geld und hatten keinen Scharm auch Gewalt anzuwenden. Als ich das mitbekam, wie sie ihm eine in den Magen verpasst hatten, konnte ich doch nicht tatenlos daran vorbeigehen...", innerlich nickte ich. Ich kannte vielleicht nicht lange Jonas, aber wenn seine Hilfsbereitschaft schon früher so stark war, kann ich durchaus verstehen, weshalb er den jüngeren Jungen helfen wollte.
"Im Endeffekt um auch mich am Ende zu schützen, musste ich leider handgreiflich werden. Irgendwie schaffte ich es auch, die drei am Ende am Boden liegen zu haben. Doch als die Sache vor dem Schulleiter besprochen wurde, hatte nichtmal der bedrohte Junge den Mumm zu sagen, was wirklich passiert ist. Ihm wurde warscheinlich gedroht, dass wenn er mich nicht in die Scheiße reinreitet, die ihm das Leben zur Hölle machen werden. Auch meine Freunde, die dass Spektakel warscheinlich mit angesehen hatten, standen nicht hinter mir. Somit wurde ich suspendiert", er seufzte, kratzte sich am Hinterkopf und lachte dann heiser.
"Als dieser Verweis dann vorbei war, fühlte ich mich aber so betrogen, dass ich mich einfach weigerte weiter dorthin zu gehen. Bis ich dann auf eine Privatschule kam", mir blieb nichts anderes übrig als zu staunen. Und in der Zeit, wo er nicht zur Schule gegangen war, hatte er dann nur mit lernen verbracht, für das Thema welches ihn später in der Berufswelt interessierte.
"So genug mit meiner Geschichte. Ich will deine hören. Um es leichter zu machen, warum standest du im Regen an diesem Tag?", ich nickte und wunderte mich nicht, weshalb er dies fragte. Ohne groß darüber nachzudenken, atmetete ich kurz ein und aus.
"Da du offen zu mir warst Jonas werde ich das Gleiche sein. Da gibt es so einen Jungen, der nebenbei mein Kindheitsfreund ist-"

Und so begann ich über den Tag zu erzählen und grob alles zu schildern. Einzelheiten ließ ich natürlich aus. Es tat gut darüber zu reden. Es tat so gut. Es war so befreiend.
Dann kam ich zum Ende.

"Er hat dich fallen gelassen und du trauerst noch? Ich weiß nicht, was du gerne hören möchtest von mir, aber wenn dir der Honestboy am besten gefällt, dann will ich auch ehrlich sein. Ich hatte auch einmal eine nicht erwiderte Liebe, doch dieser Schmerz vergeht"

Jonas hatte mich dabei angelächelt. Er hatte meine Schulter angefasst.

"Ich weiß nicht was in diesen Jungen vorgeht, aber vielleicht solltest du jetzt auch nach vorne schauen"

Ich sah zu ihm hoch.

"Sei nicht traurig darüber und finde auch deinen neuen Weg"

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
Dann nickte ich. Ich schloss kurz meine Augen. Nick stand mit dem Rücken gegenüber von mir. Er hatte mich solange nicht mehr angeschaut. Ich stand hier immer und starrte auf seinen Rücken. Ich hab gewartet. Ich habe genug gewartet. Ich kniff die Augen fester zu.
Das letzte Mal werde ich auf deinen Rücken schauen Nick! Ich drehte mich in meinen Gedanken von ihm weg und fing an zu rennen. Rennen in die Dunkelheit- nicht wissend was auf mich zu oder mir entgegen kommt. Ich kann nicht immer stehen bleiben und sehen wie alles an mir vorbei zieht und dennoch du einen Schritt machst, Nick. Es ist genug...

Genug.

Just FriendsWhere stories live. Discover now