Kapitel 1

174 12 36
                                    

Die Welt hatte viele Dinge zu bieten.

Vor allem wenn man den Großteil nicht kannte, würde das Erkunden ziemlich abenteuerlich werden. Zwar war sie bloß eine Kugel, die am Rande der Milchstraße ihre Runden drehte und zufälligerweise als einziger Planet Wasser und Dreck servieren konnte - der sich dann auch noch dramatischerweise zu Inseln angesammelt hat. Allerdings konnte sie auch ihre verschiedenen Seiten zeigen.

Wie eine gewisse Art oder Rasse oder Plage, - wie auch immer - die sich auf der Erde angesiedelt hat: Mädchen.

Zum einen gab es die Mädchen, die sich jede Bravo-Zeitschrift kaufen mussten, obwohl sie eigentlich nur den kitschigen Fotoroman oder die Dr. Sommer-Tipps lesen wollten. Der Rest, wie Mode, Bastelideen und Poster von Berühmtheiten, die dann doch irgendwie keiner kannte, blieb unangetastet.

Zusätzlich liefen hier auch noch die fußballverrückten Gören herum, die sich dadurch bei den Typen einschleimen wollten. Schließlich lackierten sie sich nicht - wie eine weitere Mädchenart - ihre Nägel oder trafen sich nachmittags zum Zöpfe flechten.

Und mitten drin war ich.

Das Mädchen, das keinen Plan von ihrer Zukunft hatte, dringend ein paar Kilos abnehmen sollte und gerne auf ihren Bleistiften herumkaute. Dadurch habe ich herausgefunden, dass jeder Bleistift seinen ganz eigenen Geschmack hat.

Wenn ich durch die Straßen zog, zählte ich die Gullideckel oder versuchte nur im Schatten zu laufen - höchstens drei Schritte waren durch die Sonne erlaubt.

Und ich dachte mit meinen jungen sechzehn Jahren immer, dass irgendwann bestimmt der Tag kommen würde, an dem sich in meinem Kopf ein Schalter umlegte und ich endlich wusste, was ich mit meinem Leben anstellen sollte.

Doch keine leuchtende Glühbirne schwebte über mir oder blinkte wie verrückt, um mich darauf aufmerksam zu machen.

Und genau deshalb hatte meine Mutter gemeint, dass ich mich an meiner Schule für eine AG eintragen sollte.

"So kannst du lernen, was dir Spaß macht und für was du dich später vielleicht noch interessierst." Das waren ihre auschlaggebenden Worte, die mich jetzt hier vor dem Schwarzen Brett der Highschool stehen ließen.

Überall hingen verschiedene Listen, von Kunst bis zum Cheerleading war da alles dabei. Teilweise bereiteten mir allein schon die Namen der AG-Leiter Gänsehaut. Ich war überrascht, dass ich viele von ihnen nicht kannte und noch kein einziges Mal ihren Namen gehört habe.

Zwei Hände legten sich über meine Augen.

"Aus dem Schönheitsschlaf erwacht, Prinzessin?" Der heiße Atem in meinem Nacken und die raue Stimme in meinem Ohr sorgten für eine angenehme Wärme in meiner Brustgegend. Ich hob meine Arme und schob die Finger aus meinem Gesicht, um mich dann umzudrehen.

"Schönheitsschlaf? Dein Ernst?", fragte ich und zog skeptisch die Augenbrauen hoch. Ich sah in ein grinsendes Gesicht und wurde beinahe von zwei olivgrünen Augen in die Tiefe gerissen.

"Den hast du echt bitter nötig", antwortete er und boxte mir lachend in die Seite.

"Du bist echt so witzig, Shawn." Ich rollte mit den Augen und drehte mich mit verschränkten Armen von ihm weg.

"Hey, spielst du jetzt die beleidigte Prinzessin? Hast du schlecht geschlafen? Lag etwa eine Erbse unter deiner Matratze?" Shawns Arme schlangen sich um meinen Körper und ich hätte ihn am liebsten von mir weggeschubst. Stattdessen legte ich meinen Kopf an seine Brust und stöhnte.

"Nein, mir geht es gut, aber meine Mutter meint, dass ich mich jetzt für so eine bescheuerte AG anmelden soll", murmelte ich und sah zu den Listen. "Debatting, Kochen, Sport... das ist doch alles scheiße."

PUSSYCAT ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt