Kapitel 20

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Frustriert vergrub ich mein Gesicht in einem der Kissen und warf es dann in die Höhe, um es schließlich wieder aufzufangen. Vor einer Stunde hätte Shawn bereits nach Hause kommen sollen, doch er kam einfach nicht. Wo bleibt er nur?

Genervt richtete ich mich in seinem Bett auf und schlüpfte in meine Sneakers. Jetzt würde ich mich auf den Weg zur Sporthalle machen, in der Samuel immer das Training für Basketball gab. Ich wollte mit ihm sprechen, über das Video. Schnell hinterließ ich Shawn noch einen Zettel auf seinem Bett und marschierte die Treppe hinunter. Ich packte den Zweitschlüssel in meine Jackentasche und trat aus dem Haus, in die eisige Kälte.

Bald würde es sicher schon schneien. Ich meine, so kalt wie es war?! Damit mich keiner aus meiner Schule erkannte, hatte ich mir eine von Shawns Sportjacken geschnappt und zog mir die Kapuze tief ins Gesicht. Außerdem trug ich noch sein T-Shirt, aber dafür nicht mehr als Nachthemd, sondern mit meiner Jeans darunter.

Ich würde Samuel schon heute damit konfrontieren, was er getan hat. Wenn ich ganz viel Glück habe, hatte er vielleicht doch nichts damit zu tun. Gelassen schlenderte ich den Gehweg entlang und ließ mir alle Zeit der Welt, da ich erst nach dem Training mit ihm sprechen wollte - ich war wenigstens so nett und würde ihn nicht vor all den Leuten bloß stellen.

Normalerweise dauerte der Weg bis zur Sporthalle nur zehn Minuten, aber ich brauchte heute doppelt so lange, da ich mehrmals stehen blieb und in die Welt starrte. Ja, ich musste noch ein bisschen Zeit schinden, bevor ich hinein gehe. Aber jetzt war es endlich soweit und ich näherte mich dem großen Gebäude. Ich stemmte mich mit meinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür und mühelos konnte ich sie öffnen - vermutlich dank der Kuchen, die ich vorhin verdrückt hatte.

Meine gute Laune löste sich plötzlich in Luft auf, als ich einen ohrenbetäubenden Schrei wahrnahm.

"Lass' mich los!", hörte ich Samuel brüllen, worauf ein lauter Schlag den ganzen Erdboden erschütterte. Meine Beine bewegten sich immer schneller. Die wütenden Schreie wurden immer lauter, je näher ich der eigentlichen Halle kam. Ich rannte schon fast zu der Tür und stürmte hinein. Was ich sah, brachte mein Herz kurzzeitig zum Stillstand.

Oliver kniete über dem heulenden Samuel und klammerte seine Hände um dessen Hals. Er hatte vor ihn zu erwürgen.

"Halt! Hör' auf!", rief ich entsetzt und streckte ängstlich die Hände aus, sobald ich mich ihnen näherte. "Lass' ihn los!"

"Ashley!", schluchzte Samuel, jedoch hatte ihn Oliver darauf wieder fester im Griff, weshalb er den Mund aufriss und verzweifelt nach Luft rang. Scheiße, was sollte ich machen?

"Spinnst du, Oliver? Lass' ihn auf der Stelle los!", schrie ich ihn an, traute mich allerdings nicht näher zu ihnen zu gehen. Oliver gehörte in die Klasse Jungs, die vor gar nichts zurück schreckten und alles taten, was sie wollten - auch wenn sie dafür Gewalt anwenden mussten.

"Du hast Glück, dass ich heute einen guten Tag habe", knurrte er und ließ von ihm ab. Er wischte sich die Hände an seiner Jogginghose ab, als wären sie durch die Berührungen infiziert worden. Guter Tag? Wie sah dann sein schlechter aus?

Ich stürzte zu Samuel, der etwa einen Meter von ihm entfernt, sich noch auf dem Boden zusammen krümmte, packte ihn am Arm und zog ihn von diesem Geisteskranken weg.

"Alles gut?", fragte ich besorgt und zwang ihn dazu, einfach auf dem Boden liegen zu bleiben, weil er weiterhin so schwer atmete. Sein Auge war blau gefärbt und leicht angeschwollen und außerdem blutete seine Nase. Klar, ich wollte ihn eigentlich jetzt anschreien, aber nicht während er noch um Luft kämpfte.

"Oliver, was soll der Scheiß?"

"Du kennst den?", keuchte Samuel und rieb sich seinen Hals. Na ja, ich hatte nie wirklich etwas mit ihm zu tun und habe ihn manchmal mit Shawn zusammen auf dem Schulhof gesehen. Aber auch an Shawns achtzehntem Geburtstag, davon wusste ich noch, dass er sich ins Koma gesoffen hat.

PUSSYCAT ✓Where stories live. Discover now