Kapitel 21

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Mit zittrigen Händen drehte ich den Schlüssel um und schob die Haustür ganz langsam auf. Die eisige Kälte machte die Schmerzen in meinem Gesicht nicht gerade besser. Möglichst leise schloss ich die Tür hinter mir und lehnte mich für einen Moment lang dagegen. Der Weg zu Shawn hat sich unerträglich weit angefühlt, meine Beine haben mich kaum tragen können.

Der Flur war klein und nur knapp zwei Meter lang. Da die gegenüberliegende Tür zum Wohnzimmer meilenweit offen stand, konnte ich Trish erkennen, die sich über den Küchentisch beugte. Sie schien etwas zu lesen, vielleicht eine Zeitung.

Ich blickte nach links und die Treppe hinauf. Es kostete mich eine Menge Kraft und Überwindung, die Stufen hochzusteigen. Hauptsächlich krallte ich mich am Geländer fest und zuckte bei jedem Schritt zusammen, wenn unter meinem Gewicht die Stufen knarzend nachgaben. Dennoch schaffte ich es bis zu Shawns Zimmertür, die bloß angelehnt war.

Ich sah durch den schmalen Spalt und erkannte ihn auf seinem Bett liegend, das Gesicht in seinen Händen vergraben. Vielleicht täuschte ich mich auch nur, aber ich glaubte, dass seine Schultern bebten. Ganz langsam stieß ich die Tür auf und betrat den Raum.

Sein Kopf hob sich an und sobald er mich sah, sprang er von seinem Bett auf. Ich brach direkt wieder in Tränen aus und versank in seinen Armen.

"Wo bist du gewesen?", wollte er wissen und drückte mich fest an seine Brust. "Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich dachte die ganze Zeit, dass er eingebrochen ist und was weiß ich für grausame Dinge mit dir angestellt hat."

Schluchzend lehnte ich mich gegen ihn.

"Hey, alles wieder gut", flüsterte er in mein Ohr und sah zu mir herab. "Was ist passiert?"

"Sa-... Samuel hat mich geschlagen", heulte ich und wich seinem hasserfüllten Blick aus.

"Du bist bei ihm gewesen?" Entgeistert starrte er mich an, als hätte ich einen Vogel. Schweigend nickte ich. "Wie bist du denn auf diese Schwachsinns Idee gekommen?"

"Ich wäre ja mit dir gegangen, aber du bist nicht nach Hause gekommen!", konterte ich und befreite mich aus seiner Umarmung. Ich musste mich hinsetzen, lange würde ich nicht mehr durchhalten.

"Doch, bin ich!", protestierte er und stellte sich vor mich, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Um zwei Uhr bist du aber noch nicht da gewesen", fügte ich heiser hinzu und starrte auf meine Hände, die auf meinem Schoß lagen. Ich wollte mit ihm nicht streiten, vor allem nicht dann, wenn ich ihn am meisten brauchte!

"Ja, weil ich..." Er kratzte sich nervös an seinem Nacken. "Ich hatte ganz vergessen, dass ich Nachsitzen musste. Schreiben konnte ich dir ja auch nicht."

"Warum musstest du schon wieder nachsitzen?", fragte ich und wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Die Schmerzen waren inzwischen besser, hatten aber noch nicht ganz aufgehört.

"Weil es da ein paar... Streitigkeiten gegeben hat. Ist doch auch egal", meinte er und ging vor mir in die Hocke. "Wenn ich Samuel das nächste Mal sehe, breche ich ihm alle Knochen. Was fällt ihm ein, meiner Prinzessin weh zu tun?!"

Die Wut kochte sichtbar in seinem Körper. Seine Hand legte sich auf mein aufgeschürftes Knie, worauf ich mich beherrschen musste, nicht vor Schmerzen zusammenzuzucken.

"Oh, tut mir Leid." Entschuldigend nahm er seinen Arm wieder zurück und blickte kurz auf den Boden, bevor er mich wieder ansah. "Jetzt erzähl' mir mal, was genau vorgefallen ist."

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und starrte ihn schweigend an. Erst musste ich von ihm hören, warum er Oliver da mit reingezogen hat. Denn sein toller Freund hatte da nichts mitzumischen. Für ihn war es üblich, jemanden zu schlagen. Vorhin hätte er Samuel wirklich umgebracht, wenn ich nicht gewesen wäre.

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