Kapitel 16

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"Was?" Er riss mir die Maske aus der Hand und ließ seinen fassungslosen Blick von ihr zu mir wandern. Das entgegnete ich mit dem erwartungsvollen Hochziehen einer Augenbraue. "Woher hast du die?"

"Aus deiner Tasche, Shawn! Aus deiner Tasche!" Mit jedem einzelnen Wort wuchs die Kraft in meiner Stimme und anders als erwartet, war sie nicht zerbrechlich, sondern so hart wie ein Diamant. "Du... du bist..."

"Nein, Ashley! Nein, nein, nein... das ist nicht..."

"Was ist es dann?", schrie ich ihn aufgebracht an und wich von seiner angesetzten Umarmung zurück, als würde er mich dadurch vergiften wollen. In meinen Augen sammelten sich schon die ersten Tränen an. Sie waren - ganz im Gegensatz zu mir - bereit.

Sie warteten nicht darauf, bis ich ihnen endlich den Startschuss gab, sondern hinterließen ohne Warnung auf meinen Wangen eine feurig brennende Spur. Die Maske löste sich wie von selbst aus meiner Hand und fiel neben seiner Tasche auf den Boden. Ich sah ihr hinterher und erblickte in der geöffneten, dunklen Tasche eine kleine herausstechende Dose. Anscheinend hatte er keine Ahnung, weshalb ich in die Hocke ging und in seine Tasche griff.

"Ashley, das würde ich niemals tun! D-du hast doch gesagt... er hat blaue Augen... i-ich hab keine..."

Ich hielt ihm die Plastikdose unter die Nase und öffnete sie mit einer winzigen Bewegung.

"Antwort genug?" Wütend schleuderte ich ihm die Dose, samt der zwei darin enthaltenen blauen Kontaktlinsen vor die Füße. "Ganz ehrlich, ich könnte kotzen! Du scheiß Arsch... du... ich... ich hasse dich!"

"Du traust mir das nicht ernsthaft zu, Ashley?! Wirklich?", brüllte Shawn mich an, was kurzzeitig meine Knie weich werden ließ. Ich wollte mich nicht von ihm unterkriegen lassen.

"Ich habe genug von dir!" Ich schluchzte. "Ich will nie wieder etwas mit dir zu tun haben!"

"Ash... P-prinzess-"

"Steck' dir dein scheiß 'Prinzessin' sonst wohin und spar dir eine Entschuldigung", unterbrach ich ihn kalt und wischte mir mit dem Ärmel die Tränen von meinen Wangen. "Ich fasse es nicht..."

Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief. Weg von hier. Weg von ihm! Letztendlich haben mich meine wackeligen Beine in das Mädchenklo getragen, was von einigen Mädchen wohl zum beliebtesten Ort für Kummer und Sorgen gekürt worden ist. Wie gerne würde ich all die schlechten Dinge aus meinem Leben am Kragen packen und in die Toilette schmeißen, um sie dann durch den Abfluss hinunter zu spülen.

Ich hasste Shawn nicht. Selbst wenn ich versuchte, den Hass auf ihn zu verstärken, funktionierte das nicht. Von Sekunde zu Sekunde verabscheute ich ihn zwar immer mehr, aber gleichzeitig wünschte ich mir sehnlichst, dass ich gerade in einem verdammt realistischen Albtraum lebte. Und augenblicklich brach der Damm in meinem Körper auf und die Tränen nahmen kein Ende.

Schreiend und schluchzend stützte ich mich an dem Waschbecken ab. Ich krallte mich daran fest, da meine Waden zitterten und unter meinem Gewicht nachgaben, sodass sie bald wie Papier zusammengeklappt wären. Ich wollte meinem Spiegelbild nicht in die Augen sehen, weil ich genau wusste, was mir gegenüber stehen würde.

Ich schluckte, schnappte nach Luft und brach erneut in einen Heulanfall aus. In meiner Brust zog sich alles schmerzhaft zusammen. Mein Herz wrang alle positiven Gefühle, die mit Shawn in Verbindung standen, aus. Ich sank nahezu in Zeitlupe auf den Boden.

"Ashley", hörte ich eine gedämpfte Stimme an meinem Ohr. "Ashley, was ist passiert?!"

Den roten Haarschopf von Marie erkannte ich trotz des dichten Tränenschleiers sofort. Obwohl ich sie dumm angemacht habe, sorgte sie sich um mich. Ich verstand Chris. Alle kamen nur aus Mitleid an und verstanden rein gar nichts!

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