Kapitel 33

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"Willst du das Video jetzt sehen oder nicht?", fragte mich Samuel und baute sich vor mir auf. "Meinetwegen können wir nämlich auch ganz einfach wieder gehen."

Das konnte ihm völlig egal sein.

Wenn nicht, wäre es ihm sicherlich lieber, wenn ich es doch nicht mehr sehen wollte. Aber falls er ausnahmsweise mal nicht gelogen hat, sollte es wenigstens die Antwort auf die Frage 'Warum?' liefern.

Das hoffte ich zumindest, ansonsten würde ich Samuel wirklich die Augen auskratzen müssen.

Genervt schob ich ihn an der Schulter zur Seite und starrte die Haustür an, die sich nur wenige Meter von uns entfernt befand. Also gab es auf seine Frage nur eine einzige Antwort.

"Ja", seufzte ich und holte tief Luft. "Mach die Tür auf..."

Damit gab sich Samuel scheinbar zufrieden und ging an mir vorbei auf die Haustür zu. Ich starrte auf seinen breit gebauten Rücken und fragte mich, ob das wirklich eine gute Idee war.

Schließlich vertraute ich ihm gerade, dass er mich in keinen von Chris und ihm geplanten Hinterhalt lockte. Falls dieses Video tatsächlich existierte, musste ich es einfach sehen und daran würde er mich nicht hindern können.

Auf jeden Fall jetzt nicht mehr!

"Worauf wartest du?", hörte ich ihn fragen und blinzelte hastig, um mich aus meiner Starre zu lösen. "Die Antwort, die du suchst, ist hier drin."

Ich schluckte und blickte mich nochmal zu allen Seiten um, bevor ich zögernd auf die Schwelle trat. Misstrauisch starrte ich durch den dunklen Flur und schloss dann die Tür schnell hinter mir.

"Ist Jemand zuhause?", wollte ich von Samuel wissen, worauf er sich wieder zu mir umdrehte und eine umschweifende Armbewegung machte.

"Wären wir dann hier?"

Immerhin habe ich gedacht, dass wir darauf gewartet haben, bis Chris nach Hause kommt. Jedoch schien das nicht der Fall zu sein, weshalb ich wohl besser nicht mehr darüber nachdenken sollte.

Trotzdem würde irgendwann Jemand wieder nach Hause kommen - ob Chris oder sein Vater. Insbesondere bei seinem Vater war ich mir ziemlich sicher, dass er uns für Einbrecher halten würde.

Irgendwie unheimlich, wieder in diesem Haus zu sein.

Richtig besucht habe ich Chris zuletzt vor einem Jahr - wegen Noahs Tod. Sein Vater war zwar einerseits nett, aber andererseits konnte er verdammt schnell wegen Kleinigkeiten ausrasten.

Ich erinnerte mich darin, wie er einmal Chris angeschrien hat. Dabei ist ihm bloß eine Tasse heruntergefallen, die in tausend Scherben zersplittert ist.

Die Tasse schien irgendein Familienerbstück gewesen zu sein.

Jedenfalls hat sein Vater verschiedene Seiten.

Die Böse.

Und die Gute.

"Komm", sagte Samuel, der inzwischen die Treppe hinaufstieg. Ich folgte ihm verunsichert und legte meine Hand auf das hölzerne Geländer.

Unter meinem Körper knarzte jede einzelne Stufe, sodass ich bei jedem Schritt kurzzeitig stehen blieb und den Atem anhielt.

Innerlich betete ich darum, dass wirklich Niemand zuhause war. Unauffällig verhielten wir uns nämlich nicht gerade.

"Dieser Idiot hat abgeschlossen."

Die letzten Stufen beeilte ich mich und mich erwartete ein leise fluchender Samuel, der vor einer verschlossenen Tür stand. Ich wusste, dass Chris wegen seinem Vater seine Zimmertür schon immer abgeschlossen hat.

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