vierzehn

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Lin

Noch völlig benommen von der Vergangen Nacht kam ich um sechs Uhr morgens nach hause. Ich versuchte so leise wie möglich zu sein und schlich auf Zehenspitzen die Treppe hoch. Hoffentlich wurde Henrik nicht wach. Ich konnte wirklich drauf verzichten mich seinen Fragen und noch viel schlimmer, seinem neugierigen Blicken zu stellen.

So leise wie möglich schloss ich die Tür zu meinem Zimmer und zog mich um. Nur in einem alten T-Shirt legte ich mich in mein Bett und schloss die Augen. Meine Gedanken kreisten und hörten nicht auf, sich zu drehen. Immer wieder musste ich an die letzte Nacht denken, daran was ich gefühlt hatte. Und daran was Jules mit mir gemacht hatte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und ich presste meinen Kopf in das Kissen. Ein verräterisches Kribbeln breitete sich in meiner Brust aus. Sein Geruch umgab mich immer noch. Ich konnte ihn überall auf mir und an mir riechen. Es brachte mich fast um den Verstanden, dass ich ihn nicht wieder sehen würde. Doch es war besser so. Ich hatte keine Kraft dazu, mein Herz erneut zu verschenken. Erst musste ich wissen, wer ich war, was ich wirklich wollte, dann, vielleicht, konnte ich mich auf einen neuen Mann in meinem Leben einlassen.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn ich wurde von einem lauten Klopfen an der Tür geweckt. Einen Moment war ich etwas verwirrt. Ich öffnete die Tür.

„Hm?", fragte ich Henrik, mein Mund vom Schlafen noch ganz trocken.

„Hab ich dich geweckt?" Ich nickte nur und lies mich wieder auf mein Bett fallen. Henrik hatte mich mitten aus einem Traum gerissen, der mir noch in den Knochen saß. Was genau ich geträumt hatte, wusste ich nicht mehr so genau. Es war nur noch ein Gefühl, eine wage Erinnerung, über geblieben.

Zwanzig Minuten später saß ich mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand auf der Couch. Mir gegenüber saß Henrik. Besorgt musterte er mich. Ihm waren die dunklen Schatten unter meinen Augen offenbar nicht entgangen, doch zu meinem Glück stellte er keine Fragen.

„Was siehst du mich so an?", er legte den Kopf ein wenig schief. In diesem Augenblick erinnerte er mich so sehr an einen Welpen, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste.

„Machst du dir wieder Sorgen um mich Henne?", Henrik schwieg, so als würde er sich zuerst die passenden Worte zurecht legen.

„Denn wenn es so ist, hast du keinen Grund dazu. Ja mein Leben ist in den letzten Wochen ein bisschen aus den Fugen geraten und.."

„Ein bisschen aus den Fugen geraten?", seine Stimme klang streng. Ganz der große Bruder. „So würde ich das jetzt nicht unbedingt bezeichnen. Du lebst seit zwei Wochen wieder in deinem alten Kinderzimmer und hast das Haus seit dem in etwa zwei Mal verlassen. Lin, ich mache mir Sorgen, dass du in eine Depression abrutscht."

Bei seinen Worten machte sich eine angenehme Wärme in meiner Brust breit. Ich stellte den Tee auf den kleinen Glastisch der vor mir stand und sah meinen Bruder direkt in die Augen. Seine Augen glitzerten besorgt und das Braun, welches dem meiner Augen so glich, war dunkler als sonst.

„Ich weiß das zu schätzen. Wirklich, aber mir geht es gut. Ich bin vielleicht momentan etwas verloren. Auch wenn es dir so vorkommt als wäre ich völlig orientierungslos, geht es mir gut. Und ich werde schon meinen Weg finden."

Er zog eine Augenbraue hoch. „Wenn du das sagst."

Ich nickte. „Außerdem habe ich das Haus verlassen."

„Ach ja?", fragte er und zog belustigt eine Augenbraue hoch.

„Ja du Spinner.", ich boxte ihm spielerisch gegen seinen Oberarm.

Er packte mich und ehe ich mich versah, drückte Henrik mich mit seinem gesamten Gewicht auf die Couch.

„Wie hast du mich genannt?", lachend begann er, mich unter den Armen zu kitzeln. Ich wehrte mich mit aller Macht und versuchte dem klammernden Griff meines Bruder zu entkommen. Es war zwecklos. Gegen meinen Bruder hatte ich keine Chance.

LET LOVE GROWWhere stories live. Discover now