vierzig

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Am Morgen der Hochzeit versank unser Haus in vollkommenem Chaos. Jeder musste ins Bad oder wollte noch einen letzten Blick in den Spiegel im Flur werfen. Nachdem meine Mutter und ich uns geschminkt und angezogen hatten, ließen wir uns von der Friseurin, die Mama extra für diesen Anlass organisiert hatte, die Haare machen.

Sie lockte meine dunkelbraunen Haare und steckte einen Teil mit einer silbernen Spange hoch. Mit meinem Kleid und dem dezenten Make-up fühlte ich mich, wie eine Prinzessin. „Wow", Johannes betrat, bereits in seinen Anzug gekleidet, die Küche und musterte mich von oben bis unten.

„Wann genau ist meine kleine Schwester so wunderschön geworden?" „Du bist ein elender Schleimer, Hannes", sagte ich. Ich nahm mir ebenfalls einen Moment Zeit, meinen Bruder genauer zu betrachten. Die blonden Haare hatte er ordentlich mit etwas Gel gestylt und der dunkelblaue Anzug saß wie angegossen. „Ich kann es nicht glauben, dass du heute heiraten wirst. Unglaublich."

„Ja, das finde ich auch. Ich kann es kaum erwarten, Lisa zu sehen. Und die Kleine. Wir haben ihr extra ein Kleid gekauft, auch wenn es vermutlich albern ist, da sie es vermutlich in der ersten Stunde vollkotzen wird", er lächelte. Ein wahrhaft glückliches Lächeln. Neid blitze in meiner Brust auf. Würde ich jemals so ein Glück empfinden, wie mein Bruder in diesem Augenblick? Ich hoffte es inständig, denn das war alles, was ich vom Leben wollte.

„Wir müssen los!", rief mein Vater vom Hausflur aus. Er hatte bereits die Autoschlüssel in der Hand und stand abfahrbereit vor der Tür. Ich musste schmunzeln. Diese krankhafte Pünktlichkeit lag eindeutig in der Familie. Die Zeremonie fand in einem kleinen Raum, im Standesamt der Gemeinde statt. Die beiden hatten bewusst auf eine kirchliche Hochzeit verzichtet, da weder mein Bruder noch Lisa besonders religiös waren.

Die Trauung fand in kleinem Kreise statt. Nur die engste Familie und wichtigsten Freunde waren dabei. Der Rest würde später auf der Party zu uns stoßen. Es war eine wunderschöne Veranstaltung, mit vielen Tränen. Während wir darauf warteten, das frisch vermählte Brautpaar begrüßen zu dürfen, hielt ich die kleine Luisa auf dem Arm, die die gesamte Zeremonie verschlafen hatte.

Henrik stellte sich neben mich und legte mir einen Arm auf die Schulter. Er trug einen schwarzen Anzug und sah schlicht und ergreifend umwerfend darin aus. „Sie hat unsere Augen", sagte er und betrachtete den kleinen Menschen in meinem Arm. „Woher willst du das wissen? Ihre Augen sind noch blau. Sie ist noch viel zu jung dafür." „Warte nur ab. Ich weiß es einfach", sagte er und strich Luisa liebevoll über den Kopf. „Steht dir übrigens gut, so ein Baby", sagte er dann. „Danke, aber ich glaube, das wird bei mir noch eine Weile dauern. Ich hab ja noch nicht mal den richtigen Mann an meiner Seite." „Bist du dir da so sicher?", fragte er.

Ich wusste sofort, worauf er anspielte, doch ich ging nicht weiter darauf ein. „Du kannst mir und diesem Thema nicht ewig ausweichen, Lin" Als Antwort gab ich ein Schnauben von mir. Und wie ich das konnte. Nachdem wir dem Brautpaar gratuliert hatten und vom Fotografen noch einige Bilder mit der Familie gemacht wurden, brachen wir auf zur Party-Location. Vor Ort angekommen, wechselte ich meine unbequemen Schuhe gegen ein paar Sneaker. Ich war nie der Typ für hohe Schuhe gewesen und war froh, diese nun endlich nicht mehr tragen zu müssen.

„Jetzt schon?" Noah grinste mich frech an und rammte mir den Ellenbogen in die Seite. „Benehmt euch, Kinder", ging meine Mutter dazwischen. Ich unterdrückte ein Augenrollen und sah Noah an, dem es offensichtlich ähnlich ging. Wir fingen beide an, zu lachen. Es tat gut, mit ihm wieder herumzualbern. Noch vor wenigen Monaten hätte ich es nicht für möglich gehalten. Es war eine meiner besten Entscheidungen, ihm zu verzeihen. Was brachte schließlich all der Groll, wenn man dadurch nur Zeit miteinander verschwendete.

LET LOVE GROWWhere stories live. Discover now