sechszehn

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Obwohl wir erst mitten in der Nacht nach Haus kamen, war ich am nächsten Morgen bereits früh wach. Ich saß mit einer dampfenden Tasse Tee auf dem Sofa und schaute nach draußen in den Garten. Das saftige Grün war verschwunden und der Kugelahorn, der am hinteren Ende des stand, hatte beinah all seine Blätter verloren. Das Gras wirkte grau als im Sommer. Ein paar dicke Wolken schoben sich über den Himmel und verliehen allem eine düstere Atmosphäre.

Ich fröstelte und zog die dünne Wolldecke, die über meinen Schulter hing, enger um mich.

Immer wieder lauschte ich, ob mein Bruder bereits wach geworden war. Irgendwie musste ich herausfinden, ob Julian sein Versprechen gehalten, und meinem Bruder nichts über uns gesagt, hatte oder ob er sich im laufe des Abends vielleicht doch verplappert hatte. Ich hoffte inständig, dass er zu seinem Wort stand. Allein die Vorstellung, wie mein Bruder darauf reagieren könnte, sorgte dafür, dass sich mein Magen schmerzhaft zusammen zog. Wir waren gerade wieder auf einem guten Weg.

Ich öffnete Instagram auf meinem Handy und gab in die Suchleiste Julians Namen ein. Ernüchternder Weise gab es ziemliche viele Julian King. Mit wenigen Klicks öffnete ich das Profil von meinem Bruder und begann, seine Follower durchsehen. Wenn Julian Instagram haben sollte, würde ich ihn hier finden. Nach kurzem suchen erregte ein Profil mit dem Namen: JulesK25 meine Aufmerksamkeit. Ich öffnete es und musst ernüchternd feststellen, dass es auf privat gestellt war.

Mein Finger schwebte über dem Folgen-Button. Sollte ich ihm wirklich eine Anfrage schicken? Unsicherheit keimte in mir auf. Ich überlegte eine Weile hin und her, entschied mich aber schließlich dagegen. Manchmal verstand ich mich selber nicht. Eigentlich war ich kein schüchterner Mensch, doch Julian eine Anfrage zu schicken löste in ungutes Gefühl in mir aus.

Frustriert schloss ich die App, nur um sie Sekunden später wieder zu öffnen. Wie von selbst öffneten meine Finger das Profil von Leon. Er hatte das einzige Foto von uns beiden zusammen gelöscht. Dafür waren in den letzten Tagen ein paar Neue hinzugekommen. Auf einem war er alleine zu sehen. Er trug einen schlichen, grauen Anzug und saß in einem Café oder Restaurant. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und seine blauen Augen strahlten in die Kamera. Er wirkte glücklich. Diese Tatsache versetzte mir einen Stich. Wie konnte er nicht mal einen Monate nach unsere Trennung schon wieder so glücklich und zufrieden aussehen, während ich mich immer noch mit einem schlechten Gewissen quälte. Ich scrollte weiter und hielt bei einem ebenfalls neuen Foto inne. Es zeigte Leon, der die Arme um ein Mädchen in meinem Alter geschlungen hatte. Beide sahen mit breiten Grinsen in die Kamera und wirkten unendlich vertraut zusammen. Ob das seine Neue war? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, sperrte ich mein Handy und legte es außerhalb meiner Reichweite auf den Beistelltisch.

Bevor ich mich in negative Gedanken flüchten konnte, kam mein Bruder ins Wohnzimmer gewankt. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten und seine Hautfarbe sah alles andere als gesund aus.

„Guten Morgen Sonnenschein", flötete ich ihm, dankbar für die Ablenkung entgegen.

„Wie geht es dir?"

„Hm. Beschissen.", brummte mein Bruder und hielt sich dabei den Kopf.

„Da hat wohl jemand ein bisschen zu tief ins Glas geschaut?", neckte ich ihnn.

„Erinner mich nicht daran!", mit einem Stöhnen lies er sich auf das Sofa fallen. „Ich glaube, ich muss sterben."

„So schnell stirbt man nicht.", mit einem Schulterzucken musterte ich ihn.
„Wobei .. wenn ich dich so anschaue."

„Ernsthaft Lin. Das ist kein Witz." leidend schaute er mich an.

„Soll ich dir einen Tee machen?"

„Ja bitte."

Ich unterdrückte einen gemeinem Kommentar und lief in die Küche, um Wasser für seinen Tee aufzusetzen.

„Sag mal, erinnerst du dich daran, dass Luca mich gestern eingeladen hat heute Abend mit zu kommen?", rief ich von der Küche.

„Ja. Daran erinnere ich mich, wieso fragst du?"

„Nun ja", begann ich und goss den Tee auf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich mitkommen soll."

„Warum bist du unsicher?", mein Bruder richtete sich auf, als ich mit dem Tee zurück ins Wohnzimmer kam.

„Ich kenne die Jungs doch gar nicht. Und es sind deine Freunde. Ich möchte mich nicht aufdrängen oder so.", ich stelle die Tasse mit dem Tee auf den Tisch ab und setzte mich neben meinen Bruder aufs Sofa.

„Lin.", Henrik griff nach meiner Hand. „Du machst dir zu viele Gedanken. Wenn die Jungs, insbesondere Luca, dich nicht da haben wollte, hätte er dich nicht eingeladen. Er ist niemand, der so was aus Mitleid tut."
„Wenn du das meinst."

„Ja das meine ich.", sagte Henrik mit Nachdruck.

„Und jetzt, zeigt mir einen von deinen Comfortserien. Ich muss mich noch ein bisschen ausruhe, bevor es heute Abend los geht."

Den restlichen Tag verbrachten wir gemeinsam auf der Couch. Wir schauten zuerst ein paar Folgen Castle, die ich mittlerweile beinahe mitsprechen konnten. . Man könnte meinen, dass ich in den letzten Wochen genug Serien für das restliche Jahr geschaut hatte, doch auch ich war müde und froh über diesen Gammeltag. Die meiste Zeit schwiegen wir. Es war kein unangenehmes Schweige, eher die Art von Schweigen, die für eine entspannte Atmosphäre sorgte.

Irgendwann durchbrach ich die Stille: „Du und die Jungs, ihr steht euch ziemlich nah oder?"

„Ja klar. Wir haben jahrelang zusammen gearbeitet."

„Aber eure Freundschaft, die geht doch über die Arbeit hinaus?"

Er nickte gedankenverloren.

„Weiß du Lin, die Jungs sind wirklich wie eine Familie für mich und wir alle haben letztes Jahr ziemlich viel Scheiße durchgemacht."

Das lies mich aufhorchen. Am liebsten hätte ich ihn weiter ausgequetscht, doch Henrik lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Fernseher und beobachtete, wie Castle und Becket gerade einen Mörder verhafteten. Es war deutlich, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte.


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Ich finds richtig schön, dass Lin sich mit den Jungs anfreundet. Ich persönlich liebe ja solche Gamingabende.

Seid ihr eher Typ Party oder Typ Gamingabend?

LET LOVE GROWWhere stories live. Discover now