vierundzwanzig

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Lin

Der Jahrestag von Julians schicksalhafter Nacht kam und ging, ohne weitere, einschneidende Ereignisse. Ich hatte zwar extra den Ton meines Handys eingeschaltet, nur um sicherzugehen, doch zu meinem Glück blieb es stumm.

Ein paar Tage später verbrachte ich den Abend mit meinen Brüdern. Henrik hatte, wie durch ein Wunder, einen freien Abend und Johannes hatte uns gefragt, ob wir Lust auf einen gemeinsamen Abend hätten. Da es ewig her war, dass wir drei etwas gemacht hatten, stimmte ich natürlich sofort freudig zu.

Wir saßen gemeinsam in der Küche und überlegten, wo wir uns etwas zu essen bestellen sollten. Immer wieder musterte ich Henrik. Er war dünner geworden. Vermutlich hatte er durch den ganzen Stress auf der Arbeit abgenommen. Zunehmend machte ich mir Sorgen um ihn, doch heute war kein geeigneter Abend, um darüber zu sprechen. Es war ein Abend zum Genießen.

Als das Essen schließlich geliefert wurde, kam Johannes mit einer Flasche Sekt und einem breiten Grinsen zu uns in die Küche. Er strahlte regelrecht von einem zum anderen Ohr.

„Was grinst du so?", frage Henne ihn. Das Grinsen auf Hannes Gesicht wurde nur noch breiter.

„Spuck's aus!", ich stieß ihn mit dem Ellenbogen an.

„Also gut. Ich wollte eigentlich warten, bis nach dem Essen, aber ..."

„Ich schwöre dir, wenn du nicht sofort mit der Sprache rausrückst, dann ...", wütend funkelte ich ihn an.

Beschwichtigend hob Johannes beide Hände.

„Lisa ist schwanger. Wir bekommen ein Baby", lies der Bombe platzen. Einen Moment sah ich ihn sprachlos an. Ich konnte nicht ganz realisieren, was er uns da gerade erzählt hatte. Mein Bruder strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Ich löste mich aus meiner Schockstarre und schloss ihm in die Arme. „Hannes, das ist so toll! Du wirst Vater. Das ist einfach unglaublich", Tränen stiegen mir in die Augen. Tränen der Freude. Ich würde Tante werden.

Ich löste mich von Hannes und gab Henne die Chance, ihn zu ebenfalls zu beglückwünschen.

„Großartig, Man", Henrik zog ihn in einer Umarmung und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.

„Wie weit ist Lisa denn?", wollte ich wissen.

„Im vierten Monat. Wir wollten warten, bis wir uns sicher sein konnte, dass wirklich alles gut ist" Der Stolz stand ihm ins Gesicht geschrieben. Unglaublich, dass Johannes in ein paar Monaten bereits Vater sein würde und ein kleiner, neuer Mensch Teil unserer Familie sein würde.

„Wir werden die Hochzeit natürlich ein bisschen nach hinten verschieben, damit Lisa da nicht hochschwanger durch muss."

Während Henrik und Hannes weiter über die Hochzeit sprachen, öffnete ich die Sektflasche und füllte drei Gläser für uns. Das war definitiv ein Grund, anzustoßen.

Wir aßen und tranken und unterhielten uns angeregt. Diese frohe Nachricht sorgte dafür, dass ich mich völlig aufgekratzt fühlte. Unsere Familie würde wachsen und ich konnte es kaum erwarten, meine Nichte oder meinen Neffen kennenzulernen.

Unser Gespräch wurde durch ein stürmisches Klingeln an der Tür unterbrochen. Verwundert schauten wir uns an. Niemand machte den Anschein aufzustehen, also erbarmte ich mich und ging, um die Tür zu öffnen. Die Person, die auf der anderen Seite stand, hatte ich nicht erwartete.

„Noah", meine Stimme war nur ein leiser Hauch. Er sah schrecklich aus. Noch schlimmer, als beim letzten Mal. Sein linkes Auge war so zugeschwollen, dass man es kaum noch erkennen konnte und er blutete aus einer Wunde an seiner Stirn.

LET LOVE GROWWhere stories live. Discover now