Kapitel 4

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Genes, I have learned, do not make a family
- Unknown -

Als ich nach Hause kam, standen meine Eltern und Leo schon in der Küche und deckten den Tisch.
„Da bist du ja," sagte meine Mutter, als ich in den Raum trat.
Ich begrüßte sie, meldete mich kurz zum Duschen ab und hechtete nach oben ins Bad.
Das Wasser tat gut und im Nu waren der Schweiß und das Salz aus Haaren und Haut gewaschen. Schnell zog ich noch ein hellgelbes Sommerkleid an, bürstete mir die Haare und ging wieder runter in die Küche.

„Wir wollen jetzt frühstücken, setzt du dich dazu?," fragte mein Vater, als ich den Raum betrat und ich setzte mich an meinen Stammplatz.
Meine Mutter kam mit einer Torte herein und wir fingen an, „Happy Birthday" zu singen. Am Schluss klatschten und johlten wir und Leo pustete die Kerzen auf dem Kuchen aus. „Luise hat sich mal wieder selbst übertroffen mit der Torte," schwärmte meine Mutter und seufzte.

Alecs Mutter backte schon seit unserer Kindheit Geburtstagskuchen für uns.

„Schade, dass du und Alec nicht mehr..."
„Mom, hör auf," unterbrach ich sie. Ich mochte jetzt über alles sprechen, nur nicht über Alec und mich.
Sie seufzte wieder. „Na schön. Also, dann greift mal zu." Sofort setzte sie wieder ein Lächeln auf und verteilte Tortenstücke an uns.
Missmutig schaute ich sie an und stocherte in meinem Stück rum. Diese ganze Szenerie erinnerte mich zu sehr an meinen eigenen Geburtstag letztes Jahr. Sofort stieg bittere Galle in meinem Hals auf und ich legte die Gabel zur Seite. Meine Familie merkte von all dem nichts.

Als alle fertig mit Essen waren, räumten meine Eltern den Tisch ab und erlaubten Leo und mir, auf unsere Zimmer zu gehen.
Glücklich, der Situation zu entkommen, lief ich schnell, aber in angemessenem Tempo nach oben und warf mich auf mein Bett.
Ich fragte mich, ob ich jemals über Alec hinwegkommen würde. Zu vieles erinnerte mich an ihn.
Ich sah ihn neben mir am Strand stehen, gemeinsam mit mir laufen, ich erinnerte mich an unsere gemeinsame Zeit, wenn ich durch das Tor an seinem Haus ging, ich sah ihn in Luise und ich sah ihn in Violet, die mir jeden Tag im Schulflur begegnete.
Lautlos schrie ich in mein Kissen.
Warum war es so schwer, über jemanden hinwegzukommen? Wie konnte es sein, dass einen jemand so in der Hand hatte, ohne auch nur einen Finger zu krümmen?

Missmutig drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Direkt über mir war ein gelblicher Fleck in der sonst schneeweißen Farbe zu erkennen, der dort über mich wachte, seit ich klein war.
Meine Eltern hatten mir erzählt, dass ich ihn verursacht hatte, als ich einmal Suppe nach meinem Vater geworfen hatte.
Er wollte mir wohl keine neuen Bücher schenken und das hatte mich sehr wütend gemacht.
Ich konnte mich auf jeden Fall nicht mehr daran erinnern, aber wenn sie es sagten...
Trotzdem hatte sich bis heute niemand die Mühe gemacht, diesen Fleck zu entfernen und ich hatte auch keine Lust dazu.

Ich rieb mir über die Stirn. Eine Welle an Kopfschmerzen durchzuckte meine Schläfen.
Vorsichtig setzte ich mich auf. Ein wenig kaltes Wasser half mir dabei, den Schmerz loszuwerden, hatte ich festgestellt.

Gerade wollte ich die Treppe herunter gehen, um mir ein Glas zu holen, als ich an Leos Zimmer vorbei kam und etwas sah, wovon mein Herz beinahe stehen blieb.
Er stand mitten im Raum und blickte auf sein Kissen, dass aber nicht im Bett lag, sondern vor ihm in der Luft schwebte.

Mit offenem Mund starrte ich es an. Jetzt schlug mein Herz wieder, schneller als bei jedem Marathon, den ich jemals gelaufen war.
Ich hörte ihn leise lachen und dann drehte er auf einmal den Kopf zu mir.
Sein Lachen brach ab und seine Augen wurden groß.

TelepathyWhere stories live. Discover now