Kapitel 28

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Protect those who protect you.
- Evangelos Venizelos -

Als ich wieder zu mir kam, war es gleißend hell und die Welt um mich herum bewegte sich.

Ist das der Tod?, fragte ich mich, doch da hörte ich eine Stimme. Ich sah nach oben und da erblickte ich Jai, der immer wieder meinen Namen und „Halte durch" rief.

Meine Augen waren viel zu schwer, um sie offen zu halten, ich war unsagbar müde und fühlte mich wie ausgetrocknet.

„Was ist passiert?," wollte ich fragen, doch es kam nur ein Krächzen raus. Ich glaubte, meine Lippe war aufgeplatzt, aber ich spürte es gar nicht. Ich bemerkte nur die Schmerzen aus meinem Bein.

Nachdem ich vermutlich hunderte Male immer wieder in Ohnmacht gefallen war, wachte ich durch laute Schreie auf. Ich konnte nicht ausmachen, woher sie kamen oder was gerufen wurde, aber ich spürte wie mich jemand griff und ich in einen Raum transportiert wurde. Dann spürte ich einen Stich im Arm und war wieder weg.

Als ich erneute aufwachte, war es wieder hell.
Diesmal war es aber nicht der Himmel, sondern eine Lampe, die direkt auf mich gerichtet war.

Ich drehte den Kopf leicht, um der Helligkeit zu entkommen und stöhnte vor Schmerzen auf.

Es fühlte sich so an, als wäre mein Gehirn püriert worden.

„Hey, Vorsicht," sagte da jemand.
„Saige?," riet ich mit rauer Stimme.
„Ja."
„Wo bin ich?"
„Im Medizinraum."
„Was? Was ist passiert? Wieso bin ich hier?," fragte ich und riss die Augen auf.

Großer Fehler. Kleine Ameisen fraßen sich durch meine Augenhöhlen.

„Eine der Bestien hat dich angefallen. Hier trink ein bisschen was."
Sie reichte mir einen Becher und stützte meinen Kopf dabei.

Ich trank ein paar Schlucke und merkte erst jetzt, welchen Durst ich hatte. Gierig verlangte ich nach mehr und nachdem ich ungefähr fünf Becher getrunken hatte, fühlte ich mich um Welten besser.

„Eine Bestie hat mich angefallen?," fragte ich schließlich nach.
„Ja. Kannst du dich nicht mehr erinnern?"
„Doch ein bisschen. Ich wollte sie töten und da hat sie sich auf mich gestürzt."
„Du weißt schon, dass das echt blöd war?," sagte Saige mit einem Grinsen.
Mein Lächeln missglückte. „Ja. Ich weiß."

Nein, eigentlich wusste ich es nicht. Wenn ihnen das jetzt nicht bewies, dass ich mutig war, wusste ich es auch nicht.

Ich wollte mich aufsetzen, aber Saige drückte mich zurück auf die Liege.
„Du wirst hier erstmal für eine Weile bleiben müssen."
„Was meinst du mit eine Weile?" Hoffentlich war diese Weile nicht zu lang.
„Quinn, du hast eine Fleischwunde und eine schwere Gehirnerschütterung. Selbst wenn du wolltest, könntest du keine drei Schritte gehen."
„Fleischwunde? Wie...?" Bevor sie etwas tun konnte, setzte ich mich auf.

Mein ganzer rechter Oberschenkel war von einem blutdurchtränkten Verband bedeckt.
„Oh Gott," murmelte ich nur und ließ mich sofort wieder zurücksinken.

„Ganz genau. Wir können keine Bluttransfusion machen, deswegen müssen wir dich so wieder gesund kriegen. Aber es war echt knapp, das kannst du mir glauben. Ich hole ihn jetzt rein."

Ich wollte gerade fragen wen, da verließ sie schon das Zimmer und herein kam Jai.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Du? Was willst du denn hier?"
„Das ist aber eine nette Begrüßung dafür, dass ich dich gerettet habe. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben mich.

„Gerettet? Was soll das denn bitte heißen?"

Erst jetzt fiel mir auf, dass sein weißes T-Shirt ebenfalls mit Blut durchtränkt war.

„Jai," hauchte ich nur und streckte die Hand danach aus.
Er hielt sie fest. „Brauchst dich nicht zu bedanken, Quinn."

Mit einem Schnauben zog ich sie zurück. „Wollte ich gar nicht, keine Sorge," giftete ich zurück.
Zum ersten Mal sah ich den Anflug eines Grinsens in seinem Gesicht.

„Was ist denn überhaupt passiert? Also wie hast du mich gefunden?," fragte ich schließlich.
„Nachdem du den Schlafsaal so überstürzt verlassen hast, bin ich dir nach draußen gefolgt und habe gesehen, dass du das Lager verlassen hast. Ich dachte, du müsstest nur kurz Luft schnappen, aber nachdem du nach einer Stunde nicht wieder aufgetaucht bist, hab ich mir Sorgen gemacht und bin dir hinterher gelaufen. Ich bin dir bis in den Wald gefolgt. Dort habe ich dich blutüberströmt und bewusstlos gefunden."

„Und die Bestie? Hat sie dir nichts getan?"
„Nein, sie muss schon weg gewesen sein, als ich gekommen war."
„Zum Glück," seufzte ich nur. Ich war unendlich müde.

„Quinn, was hast du dir nur dabei gedacht?," fragte Jai nach einer Pause.
„Keine Ahnung," meinte ich nur und drehte meinen Kopf von ihm weg.
„Komm, sag schon. Du hast einen Grund, ich kenne dich."

Mit einem Ruck drehte ich meinen Kopf wieder zu ihm und ignorierte dabei die Schmerzen.

„Wenn du mich wirklich kennen würdest, wüsstest du, dass ich eigentlich mutig bin und kämpfen kann. Und du wüsstest auch, dass ich meine Freunde niemals so einfach im Stich lassen würde."

„Quinn, ich denke, dass du mutig bist, aber...," sagte er und streckte die Hand nach mir aus.
„Denkst du es oder weißt du es?," unterbrach ich ihn und verschränkte die Arme.

Mit einem Seufzen ließ er seine Hand wieder fallen.

„Bevor ich gehe, wollte ich dir noch etwas zeigen, falls du mal wieder in der Klemme steckst. Morse Code."
Meine Augen verdrehten sich automatisch und misstrauisch sah ich ihn an.
„Morse Code?," wiederholte ich skeptisch und immer noch sauer.
Er nickte. „Da wir hier keine Telefone haben, ist es nützlich, wenn man morsen kann. Das wichtigste ist der Code für SOS: drei Mal kurz, drei Mal lang, drei Mal kurz. Das funktioniert natürlich nur, wenn du ein Licht oder ähnliches hast. Hier ist eine Liste mit Buchstaben und Zahlen, lern sie auswendig. Dann kannst du immer mit mir reden."

Immer noch skeptisch sah ich ihn an, nahm aber die Liste in die Hand. Man konnte ja nie wissen.

„Ich lass dich jetzt mal wieder ein bisschen schlafen. Wir sehen uns später."

Ich reagierte nicht mehr darauf, sondern drehte mich nur wieder von ihm weg und senkte den Blick auf meine Hände, mit denen ich das Blatt faltete.

TelepathyWhere stories live. Discover now