Kapitel 26

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If people are doubting how far you can go, go so far that you can't hear them anymore.
- Michele Ruiz -

Während wir die tote Bestie auf unsere Schultern legten, auf dem Weg zurück durch den Wald und die Wüste und auch noch als wir ins Camp zurückkehrten, sagte niemand ein Wort und ich fühlte mich furchtbar klein und schlecht.

Ich war mir nicht sicher, was genau passiert war, aber ich wusste, dass ich schuld daran war, dass wir fast gestorben wären. Zumindest hatte das Phoenix gesagt und auch die anderen hatten mich mit vernichtenden Blicken angesehen.

Gemeinsam trugen wir die Bestie in den Lagerraum, dann stampfte Phoenix davon, ohne sich zu verabschieden.
Alle anderen wollten ihm hinterher, aber ich hielt Olivia und Reign am Arm fest.

„Leute, was ist passiert?," fragte ich.
„Weißt du das denn nicht?" Reign zog die Augenbrauen zusammen.
„Nein. Ich war wie gelähmt, ich habe kaum etwas mitbekommen."

Olivia seufzte. „Du hast Reign festgehalten, sodass sie nicht schießen konnte. Außerdem mussten Jamie und ich die Bestie ganz alleine bekämpfen, weil du dich nicht gerührt hast. Dadurch konnte sie nicht gebändigt werden und hätte uns fast getötet. Phoenix hat sie in allerletzter Sekunde erlegt. Dann hat er dir eine gescheuert," fügte sie noch hinzu.

„Ja, das weiß ich noch," räusperte ich mich. „Es tut mir leid. Ich hatte auf einmal so viel Angst vor diesem... Tier, dass ich nicht mehr klar denken konnte."

„Aber die hatten wir doch alle, Quinn! Ganz besonders Olivia und trotzdem hat sie uns nicht wie ein Feigling im Stich gelassen! Verstehst du das denn nicht? Wir sind ein Team. Wir müssen zusammen arbeiten. Es würde mich gar nicht überraschen, wenn Phoenix dich aus der Gruppe ausschließen würde," antwortete Reign und ihr war anzusehen, dass sie wirklich wütend war.

„Reign!," rief Olivia.
„Was? Hast du nicht gesehen, wie er danach drauf war? Er ist unglaublich sauer auf dich."
„Ich werde mit ihm reden und mich entschuldigen. Aber ich möchte vor allem, dass ihr mir verzeiht," sagte ich.
„Aber klar tun wir das," antwortete Olivia und lächelte ein bisschen.
„Nein! Sprich für dich selbst!," rief Reign zu Olivia und ich zuckte zusammen.
„Ich habe keine Lust wegen dir draufzugehen. Meiner Meinung nach solltest du ausgeschlossen werden."
„Wie du meinst," antwortete ich nur und ging dann schnell weg, sodass sie die Tränen in meinen Augen nicht sehen konnten.

Hinter mir konnte ich Olivia und Reign lautstark diskutieren hören.

Den Rest des Tages versuchte ich, den anderen aus dem Weg zum gehen, aber spätestens beim Abendessen war das nicht mehr möglich.
Mein Magen grummelte furchtbar und ich hielt es nicht aus, bis morgen nichts zu essen. Außerdem würde ich sowieso jeden von ihnen beim Frühstück sehen und ich konnte ihnen nicht für immer aus dem Weg gehen.

Als ich bei unserem Stammtisch eintraf, blickten alle zu mir hoch. Sie hatten keinen fröhlichen Blick drauf.

Na toll. Also hatten Reign und O ihnen alles erzählt.

„Hey Leute," krächze ich und Phoenix nahm sich seinen Teller, ohne mich anzusehen, und verschwand.

Olivia und Reign schauten auf ihre Teller und Saige, sowie Leo sahen mich mitleidig an.

Teala guckte wie immer missbilligend und Harry aß genüsslich sein Essen.

„Leute?," wiederholte ich.
Den anderen blieb keine Zeit zu antworten, denn da kamen auf einmal Jai und Odie an den Tisch.

„Quinn? Würdest du bitte mal mitkommen?," fragte Jai.
„Warum?," fragte ich zurück.
„Wir würden gerne mit dir sprechen."

Jetzt waren auch O und Reign aufmerksam geworden und sahen mich merkwürdig an.

Ich wagte es nicht, zu widersprechen, weil eh schon alle guckten und ging schließlich mit ihnen mit.

Ich dachte schon, wir würden in Jais Zimmer gehen, doch sie führten mich lediglich in den Schlafsaal.

„Was soll das hier?," fragte ich, als wir dort ankamen und sie mich ungefähr eine Minute lang nur anstarrten.

„Du brauchst überhaupt nicht so zickig zu sein," erwiderte Odie und seine Stimme klang eiskalt.

Es erschreckte mich, ihn so zu erleben.

Bisher war er immer nett zu mir gewesen und ich hatte nur Gutes über ihn gehört und jetzt fuhr er mich so an.
Jetzt wurde mir auch klar, wie ernst die Situation anscheinend war.

„Wegen dir wären heute fast fünf Menschen gestorben. Dich nicht eingerechnet," sagte Jai.

„Ich weiß und es tut mir unendlich leid. Ich hatte nur so furchtbare Angst, dass ich nichts mehr wahrgenommen habe."

„Verstehe ich das gerade richtig? Du hattest Angst? Du hast dich von deiner Angst leiten lassen? Jai, liege ich damit richtig, dass Quinn gerade ihre Ausbildung abgeschlossen hat und sie dafür bereit erklärt wurde, mit ihrer richtigen Aufgabe zu beginnen?"

„Ja," antwortete Jai leise.

„Wie kann es dann sein, dass sich ein so gut ausgebildetes, intelligentes Mädchen mit einer solchen Aufgabe überfordert fühlt?"

„Ich habe mich nicht überfordert gefühlt, ich hatte nur Angst," verteidigte ich mich.

„Und genau darum geht es, Quinn: Angst ist unser schlimmster Feind und die versuchen wir, mit dem Training zu besiegen. Und selbst wenn sie nicht ganz weggeht, versuchen wir, sie zu nutzen. Eine Fähigkeit, die du anscheinend nicht beherrschst. Die Angst beherrscht dich. So sehr, dass deine Freunde fast gestorben wären."

„Aber das habe ich doch nicht absichtlich gemacht," rief ich.
Hörte mir hier denn niemand zu?

„Odie, was schlägst du vor?," fragte Jai und rieb sich über die Schläfe. Er sah geschafft aus.

„Ich werde mir was überlegen. Vielleicht ein besonderes Training oder die Einteilung in eine andere Gruppe. Ich werde dir dann Bescheid geben," meinte er zu mir und verließ dann den Raum.

Wütend sah ich ihm hinterher und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Quinn," sagte Jai und machte einen Schritt auf mich zu.
„Hör auf," erwiderte ich und verließ dann schnell den Raum.

Geladen ging ich in Richtung Tor. Ich brauchte dringend frische Luft.
Unruhig und mit verschränkten Armen tigerte ich schließlich hin und her.

Sie konnten mich nicht dafür bestrafen oder mich von der Gruppe ausschließen. Ich hatte bloß Angst gehabt, das war alles. Das war meine erste Jagd gewesen und ich hatte einen einzigen Fehler gemacht. Ja, ich habe die anderen in Gefahr gebracht und ich war auch die einzige, die sich so verhalten hat, aber dann hätte mich Phoenix nicht gleich beim ersten Mal mit so etwas schwierigem beauftragen sollen.

Das war meine Chance gewesen, den anderen zu zeigen, was ich drauf hatte und nun würde ich vermutlich nie wieder so eine Möglichkeit bekommen.

Doch ich würde das nicht so auf mir sitzen lassen, beschloss ich und ging schnurstracks in Richtung Waffenzelt. Dort nahm ich mir Pistolen, Messer und Munition in rauen Mengen und packte meinen Rucksack.

Dann ging ich los in Richtung Wald.

TelepathyWhere stories live. Discover now