Kapitel 35

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The more inhuman we became the more we understood each other as humans.
- Cameron Conaway, Caged: Memoirs of a Cage-Fighting Poet -

In den nächsten Wochen sah ich mit großer Zufriedenheit, dass sich Violet nicht viel verbesserte. Sie war gut, aber nicht großartig.

Gleichzeitig merkte ich, wie meine eigene Kraft immer besser wurde und wie ich sie fast perfekt kontrollieren konnte.
Trotzdem erinnerten mich Ryu und Jai regelmäßig daran, meine Kraft nicht zu benutzen, auch wenn ich gut darin war.
Ich verdrehte die Augen, wenn sie mir ihren Vortrag hielten, aber ich hielt mich daran.
Vor allem bei meinen Freunden hatte ich meine Fähigkeit noch nie benutzt und ich hoffte, sie ihre bei mir auch nicht.

Trotz dessen, dass Violet nur okay war, wurde sie innerhalb der zwei Monate fertig, was mich einerseits ärgerte, andererseits aber auch freute, da ich sie jetzt endlich los war.

Dachte ich zumindest.

Jai rief Ryu und mich am Nachmittag der letzten Trainingsstunde von Violet in die Zentrale.
Hier war ich schon ewig nicht mehr gewesen.

„Danke, dass ihr gekommen seid. Odie und ich haben Violet überprüft und denken, dass ihre Ausbildung jetzt abgeschlossen ist."

Ich musste ein erleichtertes Aufatmen zurückhalten, doch da hörte ich Ryu schon das Gleiche machen. Überrascht und belustigt sah ich ihn an.

Jai schaute weiterhin ernst.
„Freu dich mal nicht zu früh. Wir haben sie in deine Gruppe zugeteilt. Gleich morgen werdet ihr sie mit zum Jagen nehmen," sagte er an mich gerichtet.
„Das ist nicht dein Ernst," antwortete ich nur und spürte einen überraschend mitleidigen Blick seitens Ryu.
„Doch. Es war Odies Entscheidung."
„Kann es sein, dass er immer noch wütend auf mich ist wegen meinem Alleingang?"
Er zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung, aber ich kann es mir gut vorstellen. Er ist ein guter Kerl, nur sehr nachtragend. Aber hey, morgen auf dem Ausflug kannst du ihm zeigen, was du mittlerweile kannst."
„Wenn mir Violet nicht die Show stiehlt..."
„Das wird sie nicht, glaub mir. Sie ist gut, aber du bist besser," sagte Ryu.

Wow, ein Kompliment von ihm, dass ich das noch erleben durfte.

„Sie ist vielleicht nicht so gut wie ich, aber gegen ihren Charme komme ich einfach nicht an. Sie wickelt die Leute damit immer um den Finger."
„Aber bei dir hat es nicht geklappt," stellte Jai fest.
„Naja, mein Freund hat mich ja auch mit ihr betrogen, da fällt es einem ein bisschen schwer, Sympathie für sie zu empfinden."

Jetzt schauten mich beide mit offenem Mund an, wobei Jai weniger geschockt aussah als Ryu.

„Also das hab ich ihr nicht zugetraut. Was für eine Kuh," sagte Ryu.
Ich seufzte. „Wie auch immer. Entweder sie wirft mich morgen den Bestien zum Fraß vor oder ich gewinne und..." Ich sah Jais skeptischen Blick „...lasse sie natürlich gesund und am Leben," fügte ich hinzu.

„Ich glaube an dich. Du kannst gewinnen. Aber halte dich trotzdem an die Regeln und höre immer auf Phoenix."
Ich nickte, dann verließen Ryu und ich den Raum und gingen gemeinsam zum Abendessen.

„Du schaffst das schon mit Violet. Im Endeffekt ist sie nur ein durchschnittliches, arrogantes Mädchen. Vielleicht hat sie ihr Verhalten in Houston weitergebracht, aber ganz bestimmt nicht hier. Im Lager zählen Mut, Kampfstärke, Durchhaltevermögen, Biss und Teamfähigkeit. Und das hast du alles. Sie nicht. Also benutze das morgen, dann kannst du auch gewinnen."
Dankend nickte ich. „Mach ich."

Er ging zu seinem Tisch und ich setzte mich zu meinen Freunden.

War das jetzt Freundlichkeit gewesen oder Mitleid?

TelepathyWhere stories live. Discover now