Kapitel 53

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There is Telepathy between hearts.
- Unknown -

„Jai, es wird bald dunkel, wohin gehen wir?"
„Lass dich doch einmal überraschen!" Er schnalzte mit der Zunge.
„Ich mag keine Überraschungen," murmelte ich.
„Ja, ich weiß, aber diese hier wirst du garantiert lieben."
„Mach dir da mal nicht zu große Hoffnungen, ich bin sehr schwer zu begeistern."
„Ja, auch das weiß ich."
„Woher?," fragte ich und er warf mir nur einen Blick zu, der sagte: „Drei mal darfst du raten." Richtig.
Fast hatte ich vergessen, dass ich ihm für diese Sache schon längst verziehen hatte.

Wir liefen für ungefähr eine halbe Stunde und mir fiel auf, dass die glühend rote Sonne langsam am Horizont hinter den Dünen versank. Auch das Kleid wehte mir fröstelnd um die Beine und ich bekam Gänsehaut.
Hoffentlich würden wir zurück sein, bevor es vollkommen dunkel sein würde.
Nach einer Weile bemerkte ich, dass mir die Stelle irgendwie bekannt vorkam. Und dann fiel mir auf, dass wir ganz in der Nähe der Wasserstelle sein mussten.

„Wir gehen zur Oase?," fragte ich Jai.
„Allerdings."
„In der Dunkelheit?"
„Wie gesagt, lass dich überraschen," antwortete er mit einem Zwinkern.
"Normalerweise braucht man dafür doch viel länger," sagte ich fast schon entrüstet, doch er zog mich einfach hinter sich her.

Schon bald kamen wir an der Düne an, unterhalb der die Oase lag und wir blickten auf das schwarz glänzende Wasser, das leise an das Ufer schwappte.
Hier schien der Regen nicht angekommen zu sein, der Sand war vollständig trocken.
„Komm," sagte Jai und reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie und wir liefen gemeinsam den Hügel hinunter.
Unten setzte er sich ein paar Meter oberhalb des Sees und ich nahm neben ihm Platz. Ich dachte, dass er vielleicht etwas sagen wollte, doch es vergingen bestimmt fünf Minuten, in denen er kein einziges Wort sprach.
„Jai? Willst du mich vielleicht mal langsam aufklären? Worauf warten wir?"
„Das wirst du gleich sehen."
„Gehts vielleicht noch ein wenig kryptischer?," fragte ich genervt und legte die Arme um den Körper, um mich zu wärmen.
Ich sah ihn aus dem Augenwinkel schmunzeln, dann fragte er: „Ist dir kalt?"
„Ein bisschen."
Ich spürte, wie er näher rückte und mich schließlich in seine Arme zog.
Doch das war gar nicht nötig. Auf einmal war mir so warm, dass ich Eis schmelzen könnte.
„Okay, gleich geht es los," sagte er plötzlich.
„Gleich geht was los?"
„Wirst du jeden Moment sehen. Aber erst musst du die Augen schließen."
Also tat ich mit einem Schnaufen, was er mir sagte und machte die Augen zu.
Es vergingen ungefähr drei Minuten, bis er meine Hand nahm, mir half, aufzustehen und sagte: „Mach die Augen auf."

Und das tat ich, doch was ich da sah, kam mir vor wie in einem Traum.
Der ganze See, das komplette Wasser, war übersät von unzähligen, blauen, leuchtenden Punkten, die die Oase zum Glühen brachten.
Im ersten Moment stand ich nur da und starrte auf das Schauspiel, was sich unter mir bat. Dann spürte ich Jais Blick auf meinem und brachte nur ein: „Wow," über die Lippen.
"Was ist das?," fragte ich schließlich. „Magie?"

Wieder nahm er meine Hand und wir liefen gemeinsam den Hügel runter. „Keine Magie. Simple Biologie. Genauer gesagt Biolumineszenz. Bakterien, Korallen und Fische, die Energie in Form von Licht abgeben. Und wenn es dunkel ist und sich das Wasser bewegt, dann kann man sie sehen."

Als würde eine Oase mitten in der Wüste noch nicht reichen...

„Das ist...einfach nur wunderschön," brachte ich bloß heraus, zu überwältigt war ich von dem Anblick des leuchtenden, pulsierenden Wassers.
„Willst du schwimmen gehen?," fragte Jai da auf einmal.
„Jetzt? Bist du verrückt?," sagte ich halb erstaunt, halb belustigt.
„Wieso denn nicht?," erwiderte er und zuckte die Achseln.
„Naja, es ist dunkel und wir sind in der Wüste und du willst in einem magischen See schwimmen gehen."
Jetzt grinste er mich an. „Keine Sorge, es ist nicht gefährlich. Und du bist doch schon ein großes Mädchen. Du schaffst das." Neckend sah er mich an und schließlich gab ich nach.
„Na schön."

Gerade nahm er seine Jacke ab und auch ich bückte mich, um meine Schuhe auszuziehen, da fuhr ich mit einem Ruck hoch und schubste ihn gegen seine Brust in den See. Womit ich nicht rechnete, war, dass er mich am Arm griff und mit ins Wasser zog. Beide gingen wir unter und kamen mit einem Prusten wieder hoch.
„Hey!," rief er lachend und fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare. „Was sollte das?"
„Na, du wolltest doch unbedingt schwimmen gehen," antwortete ich, auch lachend.
„Du bist doch echt..."
„Ja?"
Als Antwort spritzte er Wasser auf mich und blaue Funken flogen durch die Luft.
Ich folgte ihnen mit den Augen, bis sie sich wieder mit dem Wasser vereinten und zu einer blau-schwarzen Masse wurden.

„Willst du es mal unter Wasser sehen?," fragte er jetzt.
„Klar. Aber pass auf, ich kann lange die Luft anhalten."
„Bestimmt nicht länger als ich," stritt er ab.
„Wollen wir wetten?," erwiderte ich.
Nach einer Pause antwortete er: „Na schön. Auf drei. Eins...zwei...drei..."
Wir holten tief Luft, dann verschwanden wir unter der Wasseroberfläche.

Für einen Moment war alles schwarz, dann leuchtete das Wasser auf und kleine blaue Funken tanzten um mich herum.
Und jetzt sah ich auch ihn.
Klar und deutlich.

Sein Gesicht war umrahmt von einem Kranz aus dunklen Haaren, sein Shirt floss weich wie Seide um seinen Körper, sodass ich jeden einzelnen Muskel seines durchtrainierten Körpers erkennen konnte und in dem Moment wollte ich nichts weiter, als ihn zu berühren, als wäre es meine Bestimmung.
Doch obwohl er nicht weit weg von mir war, war dieses bisschen Entfernung immer noch zu viel für mich.
Was ihm ähnlich zu gehen schien.
Trotz der Unschärfe durch das Wasser erkannte ich ganz deutlich die goldenen Sprenkeln in seinen Augen und ich konnte nur sie betrachten, als er sich langsam näherte, getragen von der Schwerelosigkeit des Wassers; seine Augen stets an meine gehaftet.
Ich nahm das sanfte Gluckern und Rauschen des Wassers war, das schnelle Klopfen meines eigenen Herzens und die Hitze meines Blutes, die mich erst angenehm wärmte, dann meinen gesamten Körper bis in die Fingerspitzen zum Glühen brachte und schließlich ein regelrechtes Feuer in meinen Eingeweiden entfachte, als sich seine Hände um mein Gesicht legten und im nächsten Moment seine Lippen auf meinen lagen.

Ich wollte ihn auf keinen Fall gehen lassen, doch im nächsten Moment hatte er sich schon von mir gelöst und sah mir nur in die Augen.
Es war ein regelrechter Reflex, als ich ihn, umgeben von einer Explosion aus tausenden blauen Punkten, wie eine Ertrinkende wieder an mich zog und seinen Kuss erwiderte.
Auch er umfasste meine Taille zart, aber bestimmt, nahm mich in seine starken Arme und ehe ich mich versah, waren wir mit einem Schlag wieder über der Wasseroberfläche und atmeten die eiskalte Luft der Wüste ein, bevor sich unsere Lippen erneut, wie Magnete voneinander angezogen, trafen.

Ich hatte meine Augen lange geschlossen, als ich seinen salzigen Geschmack und den unverkennbaren Duft seiner Haut nach Luft und Wald und etwas, was ich nicht beschreiben konnte, wahrnahm.
Sein Körper war so warm und dicht an meinem, dass ich ihn nie wieder loslassen wollte; seine Lippen so weich und zärtlich, dass ich süchtig nach ihnen wurde; seine Hände in meinen Haaren so bestimmt und fordernd, dass ich ihnen sofort verfiel.
Sachte ließ er seine Finger durch die nassen Strähnen meiner Haare, über meine Schultern und meine Taille wandern, bis er schließlich unsere Hände miteinander verschränkte und sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken strich.
Langsam, Millimeter für Millimeter, lösten wir uns schließlich voneinander, immer noch außer Atem.

Unsere Stirnen berührten sich weiterhin, während wir unsere Augen öffneten und er mir einen federleichten Kuss auf die Nasenspitze gab.
Ich schluckte schwer und bemühte mich, meinen Atem unter Kontrolle zu kriegen.
"Wow," war das einzige, was ich schließlich sagen konnte.
Er stieß ein leises Lachen aus und leckte sich ganz leicht über die Lippen, bevor er seinen Kopf aufrichtete.

Zum ersten Mal waren wir beide sprachlos.


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Hallo an alle lieben Leser, die es bis hier geschafft haben. Ihr seid bis zu einer meiner liebsten Stellen im ganzen Buch gelangt!
Ich muss zugeben, dass ich Schwierigkeiten habe, einen Shipping Namen zu finden 😅 Quai oder Jinn, was meint ihr?🤔☺️

TelepathyWhere stories live. Discover now