Kapitel 14

97 15 1
                                    

Of pain you could wish only one thing: that it should stop. Nothing in the world was so bad as physical pain. In the face of pain there are no heroes.
- George Orwell, 1984 -

Als ich die Zeltplane zur Seite schob, sah ich drinnen sechs Personen in einem Kreis stehen. Als ich reinkam, drehten sich alle zu mir um.
Einen von ihnen erkannte ich als den schwarzhaarigen Jungen aus der Zentrale. Alle anderen waren mir fremd.

„Jai schickt mich hierher für die Ausbildung," sagte ich unsicher.
„Okay, komm rein," sagte der Junge und ich stellte mich in den Kreis dazu.
„Wie heißt du?," fragt er und sah mich mit einem abschätzigen Blick an. Nicht nur Jai hatte diesen Blick perfektioniert.
„Quinn."
Er nickte mir zu und erwiderte: „Ich bin Ryu. Das sind Jona, Reign, Jamie, Sophie und Malcolm."

Er zeigte auf einen blonden, großen Jungen, ein Mädchen mit braunen, lockigen Haaren und grünen Augen, das ungefähr in meinem Alter sein durfte, auf einen braunhaarigen Jungen, der so breit war wie ein Schrank, auf ein dünnes Mädchen mit roten, kurzen Haaren und wässrigen blauen Augen, dass mich grimmig ansah und einen kleinen Jungen mit dunkelbraunen Haaren, der mich misstrauisch musterte.

„Also, wir haben gerade mit der Besprechung begonnen. Bis auf Reign sind alle neu hier und deswegen erkläre ich euch jetzt mal den Ablauf. Eure Ausbildung wird maximal zwei Monate dauern, in manchen Ausnahmen auch länger." Dabei warf er Reign einen Blick zu, die verlegen den Kopf senkte.
„Eure Ausbildung wird sowohl ein körperliches, als auch ein mentales Training
umschließen. Der mentale Teil wird natürlich der größte sein, da wir ja eure Kräfte trainieren wollen und die kommen schließlich aus dem Kopf, nicht aus dem Bizeps."
Ich sah, dass Jamie grinste, doch sofort wieder aufhörte, als Ryu ihn mit einem strengen Blick bedachte.
„Es gibt natürlich auch Regeln," erklärte er weiter.
„Ihr werdet keine unnötigen Fragen stellten, sondern mir einfach zuhören. Nur Fragen stellen, wenn sie wirklich wichtig sind. Ihr werdet diese Ausbildung ernst nehmen. Ihr seid hier nicht zum Spaß, sondern es geht um euer Überleben, eure Sicherheit. Und die liegt nicht nur in unserer, sondern auch, und in erster Linie, in eurer Hand."

Ich musste mehrmals tief durchatmen, während er diese Rede hielt. Immerzu redete jeder von Überleben, von Sicherheit. Doch ich konnte mir einfach nicht vorstellten, wer uns gefährlich werden könnte und wie das dann aussehen würde. Klar, Jai hatte von ängstlichen Familien und Freunden geredet, aber sonst? Wer sonst konnte sich für uns interessieren? Und außerdem waren wir doch hier draußen, weit weg von Houston. Wer würde uns hier vermuten, wenn sie nicht mal wussten, dass es diesen Ort gab?
Und wenn ich nicht wusste, worum es ging, wie konnte ich mich dann selbst beschützen?

„Als allererstes werde ich mir eure Kräfte aufschreiben. Wir gehen der Reihe nach." Nacheinander sagten Jona, Reign, Jamie, Sophie und Malcolm ihre Kräfte: Telekinese, Illusion, unbegrenztes Erinnerungsvermögen, Einschlafen durch Berührung und Kryokinese.
Telekinese war die Kraft, die auch Leo hatte. Er und Jona sahen äußerlich sehr gleich aus, doch Jona wirkte viel schüchterner als mein Bruder.
Malcolm besaß Olivias Kraft und beide wirkten sich sehr ähnlich. Etwas schüchtern, klein, süß.

Als ich an die Reihe kam, bekam ich wieder die gleiche Reaktion wie bei Olivia und Harry zu spüren. Auch Ryu sah mich entgeistert an; die anderen in der Runde, außer Reign, zum Glück nicht.
„Was ist denn?," fragte ich ihn.
Schnell schüttelte er den Kopf.
„Ni...nichts," stotterte er. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Jedes Mal, wenn ich meine Kraft nannte, reagierten selbst die härtesten Kerle merkwürdig darauf und sahen mich völlig geschockt an.

In dem Moment kam Jai in das Zelt und fragte Ryu, ob alles okay sei.
Dieser zog ihn nach einem kurzen Blick zu mir in eine Ecke und begann, leise auf ihn einzureden. Immer wieder schauten sie zu mir und Ryu fuchtelte dabei wie wild mit den Armen.
So langsam fragte ich mich echt, was jeder hier für ein Problem mit meiner Kraft hatte. Was war denn an ihr so schlimm, dass sich alle dermaßen aufregten?

TelepathyWhere stories live. Discover now