Kapitel 32

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You can't start the next chapter of your life if you keep re-reading the last one.
- Unbekannt -

Das erste, was ich spürte, war Brechreiz.

Von allen Bewohnern Houstons war ausgerechnet Violet diejenige, die unser Camp ab jetzt bewohnte?

Und vor allem, was für eine Fähigkeit sollte sie bitte haben? Etwa die, Leute zu nerven und sie zu terrorisieren?

Wie sie da schon stand mit ihren schicken Klamotten und ihren gestylten Haaren. Herrgott, noch nicht mal eine Entführung in einem Sack konnte ihr perfektes Aussehen zerstören? Das war doch einfach nur unfair.

Ohne, dass ich es wollte, trafen sich unsere Blicke über den Platz hinweg und wir starrten uns nur an.
Ich las bewusst ihre Gedanken nicht, das letze Mal hatte mir gereicht, doch ich sah sie weiter an.

„Quinn Roberts," sagte sie schließlich und ich merkte, wie mich jeder anstarrte.
„Ihr kennt euch?," fragte Jai und sah etwas verwirrt aus.
„Allerdings," antwortete ich.
„Ja wir sind entfernte Bekannte."

Ich schnaubte abfällig und bemerkte, wie mich Leo von der Seite mitleidig ansah. Er wusste, wie ich mich fühlte.

„Das trifft sich ja ganz gut," sagte Odie jetzt und winkte mich zu ihnen.
Widerwillig setzte ich mich in Bewegung, während mich die Blicke der Leute weiter verfolgten.

„Wieso soll sich das gut treffen?," fragte ich und verschränkte die Arme.

Er antwortete nicht, sondern rief noch Ryu zu uns rüber.

„Ihr beide werdet Violets Ausbildung übernehmen," sagte er lediglich.
Ich starrte ihn mit offenem Mund an.
„Das ist nicht dein Ernst," erwiderte ich schließlich.
„Oh doch, allerdings. Siehe es als Teil deiner Strafe an. Das Putzen ist dafür beendet."

Sollte das etwa etwas Gutes sein? Ich würde lieber den Boden sauber lecken, als eine Sekunde mit Violet verbringen zu müssen.

Zu allem Überfluss mischte die sich jetzt auch noch ein.
„Was denn für eine Strafe? Hast du etwas ausgefressen?," sagte sie mit einem süffisanten Grinsen.

Ich sah kurz zu Ryu, der zu der ganzen Sache anscheinend überhaupt nichts beizutragen hatte und stapfte dann davon.
Ich wusste nicht genau, wo ich hin ging, aber auf keinen Fall wollte ich gerade mit jemandem reden.

Da fiel mir eine Stelle ein.
Ich lief durch das Tor, vorbei an den Schlafsälen und dann die Treppe hoch zur Zentrale.
Doch ich betrat sie nicht, sondern ging daran vorbei nach rechts und dann um die Ecke, an das Ende der Empore.
Hier konnte ich mich ungestört hinsetzen, ohne, dass mich jemand sah.

Langsam ließ ich mich an dem kühlen Beton hinuntergleiten und zog die Beine an die Brust, bevor ich meinen Kopf anlehnte und die Augen schloss.

Auf einmal gab die Wand hinter mir nach und ich fiel um.

Erschrocken sah ich mich um.
Eine Tür hatte sich hinter mir geöffnet und gab den Blick auf eine Treppe dahinter frei.
Ich rappelte mich auf und blickte dann kurz hinein, die Treppe hoch.
Ich konnte nicht sehen, wohin sie führte, aber ich musste es herausfinden.
Also schlüpfte ich durch den schmalen Durchgang und lief dann die Treppe hoch.
Oben angekommen gab es nichts, außer einer kleinen Luke in der Decke.
Ich drückte dagegen und sie gab nach.
Mit einem Ächzen stützte ich mich an den Seiten ab und hob mich selbst durch die Öffnung.

Ich wurde mit einem unglaublichen Ausblick belohnt.

Die Treppe führte auf das Dach des Lagers, von dem aus man über die gesamte Wüste blicken konnte.
Ich erkannte die riesigen Schornsteine, die von hier noch größer aussahen und als ich über den Rand des Gebäudes sah, die Bewohner des Lagers, die wie winzige Käfer um die Zelte herumwuselten.

Unschwer konnte ich auch Violet unter den Menschen ausmachen.
Sie redete mit Jai, obwohl es eher wie flirten aussah, so eng wie sie sich gegenüber standen.
Ihr Anblick versetzte mir einen Stich und ich wusste nicht mal, wieso.

Vielleicht, weil es mich so sehr an Alec erinnerte?

Kaum war ich hier glücklich, hatte Freunde gefunden und meine Kraft unter Kontrolle, kam diese Schlange ins Lager und stahl mir das alles.

Ich wusste, ich übertrieb, aber woher sollte ich wissen, dass sie das nicht tatsächlich vorhatte?

Mit einem Seufzen wandte ich meinen Blick ab und setzte mich auf den Boden, die Hände und den Kopf auf die niedrige Mauer gelegt, die mich am Runterfallen hinderte.

Mein Blick glitt über die Dünen und leichten Hügel, die die Landschaft prägten.
Die Sonne stand hoch am Himmel und warf scharfe Schatten über den Sand.
In der Ferne hörte ich Geier schreien und ein Tier heulen; ihre Rufe klangen bis zu mir rüber und hinterließen ein Echo an den hohen Mauern.

Langsam schloss ich die Augen und genoss die Sonne und den leichten Wind auf meiner Haut.

Ich war froh, diesen Ort gefunden zu haben. Ein Rückzugsplatz, an dem ich nachdenken konnte.
Es kam bestimmt niemand auf die Idee, hier hochzukommen.

Nach einer Weile bekam ich trotzdem ein schlechtes Gefühl, die anderen mit Arbeit und allem anderen alleine zu lassen, weshalb ich die Treppe runter ging und die Tür gut verschloss, bevor ich in den Schlafsaal ging.

Reign war auch dort und wusch sich die Hände.
„Hey," sagte sie und ging auf mich zu. „Wo warst du denn? Komm doch wieder mit zu uns nach draußen."
„Ist sie tot?," fragte ich und verschränkte die Arme.
„Was? Wer?"
„Violet."
„Nein...?"
„Dann werde ich hier drinnen bleiben, bis sie es ist."
„Komm schon Quinn, sie kann unmöglich so schlimm sein."

Jetzt drehte ich mich zu ihr und hob eine Augenbraue.

„Du hast völlig Recht. Ich übertreibe total. Es sollte mich nicht wütend machen, dass sie mich jahrelang schikaniert und mich dann mit meinem Freund betrogen hat," antwortete ich ironisch.

Sie riss die Augen auf. „Das hat sie gemacht?"
„Allerdings. Jetzt kannst du vielleicht verstehen, warum ich sie nicht besonders leiden kann."
„Ja, kann ich. Meinst du, du schaffst das mit ihrer Ausbildung? Bestimmt kannst du Odie mit eurer Vergangenheit davon überzeugen, dass du sie nicht ausbilden musst."
Ich lachte. „Das wird nie und nimmer funktionieren. Odie hasst mich."
„Das tut er nicht. Er respektiert dich. Und probieren kannst du es doch mal."

Ich sah sie misstrauisch an, doch sie nickte aufmunternd. Ich verdrehte die Augen und seufzte. Nach einem kurzen Schnaufen stand ich schließlich auf und machte mich dann auf den Weg in die Zentrale, wo ich Odie vermutete.

TelepathyWhere stories live. Discover now