Kapitel 18

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Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.
- Konrad Adenauer -

Wir folgten ihm.
Jona und Jamie, sowie Reign und ich trugen ein großes Fass, das wahrscheinlich für Wasser bestimmt war, Phoenix hatte außer seinem Rucksack auch noch einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen geschultert, mit dem er Tiere erledigen wollte und ein Netz, von dem ich nicht wusste, wofür es gut sein sollte.

Olivia drängelte sich zu mir vor und nahm meine freie Hand.
„Alles okay?," fragte ich sie und sie nickte, allerdings mit großen Augen und einer blassen Nase.

Ich dachte, sie hätte das schon mal gemacht. Anscheinend aber nicht.

Schon bald verließen wir das Lager und liefen auch am Armeegelände vorbei.
Weit und breit sah ich bloß Sand und Hitze und Dünen.
Kein Zeichen von irgendetwas, dass auch nur ansatzweise nach einem Strauch oder Baum aussah und als ich nach oben in den Himmel sah, war er wie immer wolkenlos.

Jetzt kam auch Reign zu uns und sprach meine Gedanken aus: „Also ich weiß echt nicht, wo wir hier etwas zum Essen finden sollen."
Olivia und ich nickten zustimmend.
„Jai hat gesagt, dass es hier wilde Tiere und etwas zum Sammeln gibt, aber weit und breit sehe ich nicht mal einen Baum," sagte ich und verzog das Gesicht.
„Wann hat er das denn gesagt?," fragte Reign und runzelte die Stirn.
„Oh, das hat er nur mir gesagt," antwortete ich.

Olivia und Reign blieben stehen.

„Er hat mit dir geredet? Das macht er doch sonst mit niemanden," stellte Reign fest und runzelte die Stirn.
„Ja, mit mir hat er auch noch kein einziges Wort gewechselt," sagte auch Olivia und beide sahen mich erstaunt an.

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

„Jedenfalls werden wir schon etwas zum Essen finden," sagte ich schnell und sah weg. „Hoffentlich," murmelten beide und dann schwiegen wir.

Irgendwann stellte ich fest, dass sich das Training bei der Ausbildung gelohnt hatte. Wir liefen schon ungefähr seit drei Stunden und immer noch war nichts als Sand und Hitze um uns herum zu sehen. Der Sand erschwerte das Gehen und meine Beine brannten von der Anstrengung und der Sonne.

So langsam machte ich mir allerdings wirklich Sorgen. Ich hatte versucht, mir meinen Wasservorrat einzuteilen, aber mittlerweile hatte ich alles getrunken. Auch der der anderen war leer.

Mein Hals war rau wie Schmirgelpapier und die Sonne brannte erbarmungslos auf uns nieder. Es gab kein einziges Fleckchen Schatten. Obwohl ich die Kappe aufgezogen hatte, fühlte sich mein Gehirn an wie Matsch und ich hatte Sorge, dass ich mir einen Hitzschlag geholt hatte. Die Sonnencreme schwitzte ich schon nach zwei Minuten wieder ab und meine Haut kribbelte unangenehm.

Nach einer weiteren Stunde merkte ich, dass ich so langsam wirklich nicht mehr konnte. Ich fühle mich schwach und deshalb peinlich berührt, bis ich sah, dass es den anderen auch so ging.

Wir blieben einen Moment stehen, um uns auszuruhen, als Phoenix uns antrieb.
„Kommt schon, Leute, ist nicht mehr weit," sagte er, doch wir sehen ihn nur misstrauisch an. In den letzten vier Stunden hatte er diesen Satz schon ungefähr zehn Mal gesagt und trotzdem fanden wir hinter jeder Düne wieder nur Sand vor.
„Nee, diesmal mein ich's ernst," meinte er ermutigend, nachdem er unsere Blicke sah und schließlich rappelte mich auf.

Wenn es aber wieder nicht stimmte, so nahm ich mir fest vor, würde ich mich einfach in den kochend heißen Sand fallen lassen und nichts mehr tun, bis mich jemand holen kam.

Auch die anderen standen wieder auf und wir gingen gemeinsam, zwar im Schneckentempo, aber immerhin gingen wir, zum Rand der Düne.

Und auf einmal war jede Anstrengung, jede Müdigkeit vergessen.

Denn was ich da sah, hätte ich mir nicht in meinen kühnsten Träumen vorstellen können.

Unter uns, am Fuß der Düne, erstreckte sich eine riesige Oase.
In der Sonne glitzerte das Wasser eines tiefblauen, glatten Sees, um den Gras wuchs und Palmen und Bäume standen.

Sie war wirklich gigantisch. Ich hatte mal Gemälde einer Oase gesehen, eines tümpelartigen Etwas, um den ein paar Grasbüschel wuchsen. Das hier war etwas ganz anderes.

Das, was sich da vor uns erstreckte, war das Leben selbst.

Bevor ich wusste, was ich tat, ließ ich das Fass fallen, das den Hügel runterrollte und rannte, so schnell ich konnte, hinterher, bevor ich mich ins Gras fallen ließ. Gierig tauchte ich meine Hände in das Wasser und trank.
Es schmeckte köstlich. Besser als alles andere, was ich je probiert hatte.
Ich schöpfte so lange Wasser, bis ich das Gefühl hatte, zu platzen und legte mich dann auf den Rücken.

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich das Jod nicht umsonst, sondern um Wasser zu reinigen, in meinem Rucksack hatte, und bereute es bereits, mich einfach so auf das Wasser gestürzt zu haben, doch da kamen schon alle anderen angerannt und tranken, so wie ich, direkt aus dem See.

Grinsend kam jetzt auch Phoenix den Hügel herunter gestiefelt und füllte seine Flasche gemächlich mit Wasser.
„Keine Sorge, das bisschen, was du da getrunken hast, brauchst du nicht zu reinigen," sagte er, als er meinen Blick sah und erleichtert atmete ich auf.

Ich nahm mir trotzdem vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Es war nicht gut, sich so von seinen Gefühlen und Bedürfnissen leiten zu lassen.

Nachdem wir uns mit Wasser und etwas Brot und Fleisch gestärkt hatten, halfen wir gemeinsam, das Fass mit Wasser zu füllen.
Keine Ahnung, wie wir das wieder nach Hause tragen wollten.
Jetzt breitete Phoenix sein Netz aus und erklärte uns, was er damit vorhatte.
Fische fangen würden wir, doch ich konnte mir nicht vorstellten, was hier für Fische leben sollten.

Es war schon merkwürdig genug, dass mitten in der Wüste eine Oase existierte, mit Wasser, Palmen und Bäumen, die Früchte trugen, aber dass es hier Tiere gab? Auf keinen Fall.

Doch in der nächsten Sekunde änderte sich meine Meinung, als das Netz zuckte und die Jungs es gemeinsam aus dem Wasser zogen. Und sie mussten ganz schön kräftig ziehen, so schwer war es.
Im nächsten Moment lag es vor uns auf dem Boden und unzählige, silbern glitzernde Fische zappelten auf dem Gras.

Für eine Sekunde war es ganz still, bis auf die hechelnden Atemgeräusche, die die Jungs vor Anstrengung machen, dann brachen wir alle in Gelächter aus und umarmten uns.
Ein Stein fiel mir vom Herzen und ich schwor, dass ich mich noch nie zuvor so über Essen gefreut hatte.

„Wie kann das denn sein? Dass es hier mitten in der Wüste so eine Oase gibt?," sprach Reign den Gedanken aus, den vermutlich alle hatten.
Phoenix zuckte mit den Schultern. „Wissen wir auch nicht. Wir haben sie irgendwann mal
entdeckt und seitdem gibt es hier unerschöpfliche Mengen an Wasser und Nahrung."
„Aber wird das Wasser nicht weniger? Und die Fische auch?," fragte ich.
„Anscheinend wird der See von einer Quelle gespeist."
„Das habt ihr nie mal untersucht?," hakte ich ungläubig nach.
Phoenix musterte mich. „Nee, haben wir nicht. Wieso interessiert dich das?"
Damit drehte er sich zum Netz um und begann, die Fische auszunehmen.

Die anderen brachen wieder in Gelächter aus und schlugen sich gegenseitig vor Freude auf die Schultern, nur ich blieb misstrauisch abseits stehen und sah mir das Treiben an.

TelepathyWhere stories live. Discover now