Kapitel 13

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Naja, vielleicht sollte ich das nicht denken, denn kaum biege ich um die nächste Ecke, schaue ich in grüne Augen und meine gute Laune sinkt schnell in den Keller.
Der Grünäugige, oder auch Liam, betrachtet mich ganz genau und ich spüre, wie sein Blick an mir runter und hoch gleitet, bevor er mir in die Augen schaut.

"Wo willst du denn hin?", fragt er sichtlich verwirrt.
"Geht dich nichts an."
Ich will an ihm vorbeilaufen, doch er packt mich am Handgelenk.
"Doch. Ich habe dir gestern geholfen und dich mehrmals gerettet."
"Mehrmals?"
"Vor dem Räuber und vor dem Rechen."
Rechen? Ist das die große Gabel?
"Schön. Und jetzt? Ich habe mich doch schon bedankt", sage ich und ziehe an meinem Arm.
"Du könntest dich tausend Mal bedanken und ich würde dich trotzdem nicht gehen lassen."
"Klasse, dass ich das jetzt auch weiß. Aber ich habe es wirklich eilig", sage ich und ziehe erneut an meinem Arm.

"Ich habe genug Zeit. Also, wo willst du hin?"
"Nach Hause."
Er verdreht seine mehr als nur wunderschönen grünen Augen.
"Du weißt, was ich meine."
"Anscheinend nicht."
"Jetzt sag schon.", fordert er mich auf.
Ich schüttele den Kopf.
"Ich habs nicht eilig."
"Ich sehs. Und jetzt lass mich los!", sage ich lauter als gedacht.
"Ganz ruhig."

Ich schaue die Straße entlang und sehe zwei alte Frauen nur zehn Meter von uns entfernt, die uns beide genau beobachten. Meine Chance.
"Man, lass mich los!", sage ich so laut, dass sie es auf jeden Fall hören und ziehe dazu noch an meinem Arm.
Liam scheint die Frauen noch nicht bemerkt zu haben, da er den Kopf schüttelt.
"Jetzt lass mich los!"
Ich drehe mich gespielt panisch um und suche die Straße nach Hilfe ab.
Nebenbei werfe ich einen Blick zu den Frauen, die jetzt direkt auf uns zugelaufen kommen.

"Hey, lassen Sie das Mädchen los!", sagt die eine laut.
Liams Blick fällt auf die Frauen.
"Das ist gar nicht so, wie es aussieht", erklärt er und zieht mich zu sich.
"Das ist meine Freundin und wir können uns bloß nicht entscheiden, in welche Richtung wir laufen wollen."
Ich will den Mund aufmachen, doch Liam drückt mich an seine Brust und ich bin so geschockt und überrascht, dass kein Wort über meine Lippen kommt.
Sein langsamer und gleichmäßiger Herzschlag ist gut zu hören und ich spüre, wie ich mich an ihn lehne.

Warte! Du schmust dich jetzt nicht an ihn. Dafür hat er doch schon andere Mädchen in der Schule!

"Ach dann, entschuldigen Sie uns", sagt die eine Frau und läuft rot an.
Beide drehen sich um und laufen schnell weg.

"Alte Frauen sind so leicht zu überzeugen", sagt Liam und ich bin mir sicher, dass er mal wieder lächelt.
Ich spüre, wie er einen Arm um mich legt.

"Aber gegen den ersten Teil meines zweiten Satzes hätte ich nichts."
Mein Gehirn überlegt.
Das ist meine Freundin...

Schnell befreie ich mich von ihm und schaue ihm in die Augen.
"Ich schon."
Liam zieht eine Augenbraue hoch.
"Bestimmt. Aber darüber können wir uns nächstes Mal unterhalten. Also, wieso ziehst du dich so an? Etwa ein Date? Oder nur eine Party deiner reichen Eltern?"
Geknickt schaue ich auf den Boden.
"Aha, also es war dabei. Ich tippe mal auf ein Date."
Schweigend betrachte ich immer noch den Boden zwischen uns.
"Oh. Du willst es nicht, oder?"
Liams Stimme ist leiser geworden und ich spüre, wie ich den Tränen nahe bin.

Wenn ich jetzt weine, dann kann ich gleich noch mal zu Renée laufen, damit sie mich erneut schminkt.

"Ich weiß nicht", gebe ich zu.
Ich mag Lukas, das muss ich schon sagen. Aber nur im freundschaftlichen Sinne. Mehr will ich echt nicht.
"Und was ist daran dann so schlimm?", fragt Liam neugierig.
Ich will den Mund gerade aufmachen, als mir einfällt, dass ich ihm dann das ganze Paket erzählen muss.

"Geht dich nichts an", sage ich bissig.
"Oh, das glaube ich schon."
Er lehnt sich entspannt an die Wand, wobei seine Augen meine nicht loslassen.
Ich schüttele den Kopf und laufe an ihm vorbei.

Ich bin gerade einen Schritt von ihm weg, als ich merke, dass er mir hinterherläuft.
"Oh nein."
Ich drehe mich um und schaue ihn an.
"Du verfolgst mich jetzt nicht", sage ich ernst.
"Und wieso nicht?"
Ich verdrehe genervt die Augen.
"Ich brauche deine Unterhaltung nicht."
"Aha, also bin ich Unterhaltung für dich wie irgend so eine billige Fernsehsendung?", fragt er amüsiert und ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.

"Die Art von Fernsehsendung, auf die ich gerne verzichte."
"Gestern war ich dir aber wichtig."
"Du wolltest ungedingt helfen", sage ich und drehe mich um.

Ich laufe weiter und stopfe mir die Kopfhörer in die Ohren, als ich merke, dass er mir hinterherläuft.
Seine Stimme nehme ich nur als Rauschen war, so laut höre ich Musik.
Doch aufeinmal zieht er mir die Kopfhörer aus den Ohren.
"Hörst du mir eigentlich zu?", fragt er und seine grünen Augen durchbohren mich.
"Nein."
"Ich habe dir gerade einen Vortrag über dein schlechtes Verhalten gehalten."
Er lächelt und ich laufe schneller.
"Bin ich so schrecklich?", frage ich und kann mir ein Lächeln echt nicht mehr verkneifen.
"Ja, aber nur teilweise."
Ich laufe wortlos weiter.
Während er mir auftischt, dass man mit Kopfhörern an der Straße nicht unterwegs ist und dass man mitten im Gespräch nicht einfach wegläuft, stopfe ich mir meine Kopfhörer wieder in die Ohren.

Irgendwann ist er dann einfach weg und ich kann endlich in Ruhe nach Hause laufen.

Die zehnte GabeWhere stories live. Discover now