Kapitel 43

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Aus dem ziemlich informationsreichen Gespräch wurde am Ende doch ein relativ sinnloses. Ich erzählte von mir und Ariane, der Name passt echt gut zu ihr, von sich und wir mussten eine Menge lachen.
Als es draußen dunkel wird, legen wir uns ein wenig schlafen. Aber nach über einer Stunde merke ich, dass weder Ariane noch ich schlafen können und den Leuten hier scheint es auch egal zu sein, ob es Nacht oder Tag ist, da laute Schritte sich uns nähern.
Ariane langt mit einer komisch rot leuchteten Hand an die Fessel, die schmilzt und sich zu einem Messer formt.
Sie hebt das Messer auf und setzt sich mit einem Grinsen wieder normal hin.
"Ich komme hier nicht raus, aber einen von denen will ich schon noch vor meinem Tod verletzen", sagt sie und zeigt auf den übrig gebliebenen Teil der Fessel.
Ich muss einen kurzen Moment lächeln, aber das Lächeln vergeht, als ein großer Typ vor meiner Zelle stehen bleibt und sie aufschließt.
Er läuft schnellen Schrittes zu mir und löst mich von der Fessel. Mein Blick sucht Arianes und sie schüttelt den Kopf. Für mich ein eindeutiges Zeichen, dass das noch nicht der Moment ist, in dem ich fliehen kann.
Der Typ packt mich grob am Arm und zieht mich aus der Zelle.
Ich schaue so lange ich kann zu Ariane. Wer weiß, ob ich sie überhaupt noch einmal sehen werde.
Ariane grinst vor sich hin und so wie ich sie bis jetzt schon erlebt habe, scheint sie egal für welche Situation ein Grinsen parat zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sterben soll.
Ich muss entkommen! Und ich werde Ariane mitnehmen! Sie glaubt, dass sie so gut wie tot ist? Dann wollen wir das mal schön ändern.
Der Typ zerrt mich eine Treppe hoch und ich stöhne, als er mich an den Haaren zieht, weil ich ihm sonst zu langsam gelaufen bin und jetzt werde ich wohl mitlaufen müssen, weil es mir sonst extrem wehtun wird.
Er öffnet eine große, alte, graue Tür und ich kneife schnell die Augen zusammen, weil mich die Helligkeit blendet.
Doch ich kann mich nicht mal an das Licht gewöhnen, weil der Typ mich gleich weiterzieht.
Er zieht mich durch viele Gänge, alle leer und verlassen, bis es noch einmal einen Stock höher geht.
Schon als wir die Treppe hochlaufen, spüre ich die angenehm kühle Luft und den Geruch nach Meer und kurz darauf stehe ich auf einem leeren Platz.
Ich drehe mich kurz um und sehe hinter dem Geländer ein wenig Sand und dann das Meer. Das wäre wohl der Moment! Aber ohne Ariane gehe ich nicht. Wenn ich sie hier jetzt einfach so zurücklasse, dann werde ich mich wohl für immer mit Schuldgefühlen plagen müssen, weil ich nicht mal einen Versuch gestartet habe, sie mitzunehmen.
Es wird noch andere Momente geben, in denen ich flüchten kann, außerdem zieht mich der Typ auf die breite Treppe zu und öffnet die große Tür mit den Glasscheiben.
Den Moment habe ich jetzt schon verpasst.

Der Typ reißt mich in einen großen, gut beleuchteten Raum. Schnell schaue ich mich um und nehme alles in mich auf.
Mir gegenüber ist ein leerer Stuhl, den man fast als Thron ansehen könnte, wenn man betrachtet, wie hervorgehoben er wird und wie er aussieht. Das ist wahrscheinlich der Platz des 'Bösen'.
Der Typ lässt mich ruckartig los und ich stolpere ein paar Meter nach vorne, kann mich aber noch fangen, bevor ich mit dem Kopf voraus auf den Boden knalle.
"Blödmann.", zische ich und stelle mich gerade hin.
Der Typ stellt sich drei Meter hinter mich und betrachtet mich so intensiv, dass ich seinen Blick auf meinem Rücken spüre.
Ich will mich gerade zu ihm umdrehen und ihn fragen, warum er mich so anstarrt, als eine große Tür links von mir aufgemacht wird und ein großer Mann in schwarzer Kleidung den Raum betritt.

Der Typ hinter mir macht irgendeine Bewegung, wahrscheinlich eine Verbeugung und stößt mir mit seiner Faust in den Rücken. Denkt der ernsthaft, dass ich mich vor so einem verbeuge?

Ich bleibe ganz gerade stehen, selbst als der große Mann direkt auf mich zukommt.
Er stellt sich genau vor mich und fixiert mich mit seinen blauen Augen.
"Stur, wie die vorher", murmelt er und hebt eine Hand, um mir eine Strähne aus dem Gesicht hinter das Ohr zu stecken. Ich zucke zusammen, als sein Finger dabei meine Haut streift.
"Hast du ihr schon etwas erzählt?", fragt der Mann an den Typ hinter mir gerichtet.
Dieser macht irgendeine Bewegung, die ich nicht sehen kann und der Mann vor mir nickt.
"Festketten!", sagt er und macht sich auf dem Weg zu seinem Thron.
Sofort kommen zwei Wachen, also nicht die von der Mauer, auf mich zugelaufen und packen jeder einen meiner Arme.
Sie strecken sie seitlich von mir weg und ketten sie an Fesseln fest.
Ich bewege mich dabei keinen winzigen Zentimeter und starre dem Mann auf dem Thron in die Augen.
Erst jetzt sehe ich, wie jung er eigentlich ist.
Als er vor mir stand, habe ich es nicht gewagt ihn zu betrachten, aber jetzt kann ich es gut machen.
Nur sein Gesicht zeigt mir, dass er sogar noch unter dreißig ist, denn vom Körper her wirkt er schon viel älter.
So jung und schon so machtgierig!

"Also, Grace, ich bin der 'Böse' und du wirst mich auch so nennen, damit das klar ist", sagt er und ich achte auf Arianes Tipp, nicht zu lachen.
Aber wer nennt sich denn bitteschön der 'Böse'? Mehr Kreativität hat der nicht, oder was?
"Du musst wissen, dass du ziemlich wichtig für mich bist. Also nicht du, sondern deine Gabe. Ich brauche sie, um Onaria einzunehmen. Und deshalb wirst du sterben. Acht sind schon tot, morgen Abend ist die neunte Gabe dran und du bist auch bald tot. Versuch nicht zu flüchten. Ich finde dich. Außerdem kennt dein Trainer dich sehr gut. Er wird dich immer finden."
Ja, das glaube ich ihm. So wie ich Liam immer erkennen könnte, könnte er es auch bei mir.

"Gut. Ich glaube, dass du nicht mehr wissen musst. Achso, doch noch eins. Wenn du auch nur eine Kleinigkeit machst, die mir nicht gefällt, wirst du bestraft. Dafür habe ich eine Folterkammer. Aber da kannst du dieses freche Biest da unten fragen. Die hat sogar danach mal ihre blöde Klappe gehalten. Gut, du kannst gehen."
So siehts aus. Ich kann gehen, aber wie? Ich bin angekettet!
"Ja bestimmt. Ich bin angekettet!", sage ich und der 'Böse' lächelt mich an.
"Interessiert mich nicht. Macht sie frei, wenn ich es sage."
Der 'Böse' steht auf und will den Raum verlassen.
"Du wirst jetzt nicht gehen! Kette mich los, du Blödmann!", sage ich und der 'Böse' bleibt stehen.
Langsam dreht er sich zu mir um und läuft auf mich zu.
"Noch so eine Freche. Ab in die Folterkammer mit ihr."
Er dreht sich um und verschwindet.
"Du machtgieriges Ar-"
Sofort habe ich eine Faust in meinem Bauch.
Die Wache, die mich geschlagen hat, grinst mich an und verlässt hinter dem 'Bösen' den Raum.
Zwei Wachen befreien mich von den Ketten und ziehen mich zur rechten Tür.
Ich versuche mich zu wehren, aber es ist hoffnungslos.
Sie zerren mich einen langen Gang entlang und biegen mehrmals ab, bis sie vor einer grauen Tür stehen bleiben. Der eine kramt nach einem Schlüssel und schließt die Tür dann auf.
Als sie die Tür aufgemacht haben, hätte ich alles andere gemacht, als da reinzugehen.
Mitten im Zimmer steht eine Liege, an der mehrere Fesseln sind.
Die Liege ist sauber, aber überall auf dem Boden ist Blut. Getrocknetes Blut.
Ich muss bei dem vielen Blut fast spucken, aber die Wachen stoßen mich in den Raum und schließen die Tür hinter mir ab.
Ich wäre am liebsten schreiend zur Tür gerannt, wenn ich nicht in einer Ecke einen Mann stehen gesehen hätte.

Er hat sich zu mir umgedreht, hinter ihm über zehn Messer, eins größer, eins kleiner.
Eins hat er schon in seiner Hand und dreht es zu allen Seiten.
Ich stolpere ein paar Schritte zurück, während der Mann mit einem Grinsen auf mich zukommt.
Ich wäre fast über meine eigenen Beine geflogen, aber der Mann packt mich und hebt mich dadurch fest. Dann drückt er mich mit einem Stoß auf die Liege.
Ich fange an, wie wild um mich zu treten und trete dem Mann auch das Messer aus der Hand, aber er drückt eine Hand an meinen Hals und stößt mich dadurch zurück auf die Liege. Dann befestigt er schnell meine Arme an den Fesseln und auch meine Beine werden angekettet.

Hoffnungslos! Jetzt werde ich gefoltert, weil ich es nicht geschafft habe, meine Klappe zu halten. Ich schreie und halte überhaupt nicht still und der Mann befestigt Klebeband auf meinem Mund.
Dann beugt er sich über mich und schaut von seinem Messer immer wieder zu mir und wieder zurück.

Die zehnte GabeWhere stories live. Discover now