Kapitel 44

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Die folgende Stelle ist etwas grausam. Wer sie nicht lesen will, kann sie überspringen.

Ich schließe die Augen, während der Mann das Messer auf meinem Bauch ansetzt. Noch passiert nichts, nur mein hektisches Atmen durchbricht die Stille. Während mein Herz so schnell pocht, dass mir ganz schwindlig wird, dringt die Klinge tief in mein Fleisch ein.
Ich fange an zu schreien und winde mich so gut es geht, aber die Fesseln halten mich fest. Und ein wirklicher Schrei kommt auch nicht aus meinem Mund, da das Klebeband meinen Mund bedeckt.
"Schrei lauter, Mädchen!", sagt der Mann mit einem mörderischen Grinsen und drückt das Messer tiefer in meinen Bauch.
Ich schreie so laut ich kann und Tränen schießen mir aus den Augen.
Ich spüre, wie mir eine Menge Blut aus der Stelle an meinem Bauch fließt und glaube schon, dass der Mann noch einmal tiefer mit dem Messer in meinen Bauch stechen will, als er es mir mit einem Ruck herauszieht.
Erneut kann ich den Ausdruck meiner Schmerzen nicht zurückhalten und würde so gerne meine Hand auf die Stelle drücken, aber das geht nicht.
Ich schreie die ganze Zeit, bis meine Kehle brennt und die Schmerzen mir die Sicht rauben, bis alles schwarz vor mir wird.
Nur noch meine Schreie halten mich davon ab, ohnmächtig zu werden.
Ich höre, dass der Mann ein neues Messer nimmt und wieder zu mir kommt.
Er packt meinen rechten Arm und will mir gerade das Messer da rein drücken, als die Tür aufgerissen wird und jemand den Mann von mir wegzieht.
Ich will mich aufsetzen, lasse mich aber gleich wieder auf die Liege fallen, weil diese Schmerzen nicht auszuhalten sind.

Die grausamere Stelle ist zu Ende!

Also drehe ich nur den Kopf und schaue mir an, wer den Mann von mir weggezogen hat.
Schon allein von hinten erkenne ich, dass es Liam ist und er schlägt gerade auf den Mann ein. Durch einen harten Schlag fliegt dessen Kopf zur Seite und der Blick des Mannes verfängt sich mit meinem.
Als der Mann ohnmächtig auf dem Boden liegt, steht Liam auf und läuft zu mir.
Seine grüne Augen schauen mich besorgt an, während er mir das Klebeband vom Mund zieht. Sofort presse ich die Lippen aufeinander, damit ich nicht lautstark schreie.
Langsam löst er die Fesseln von meinen Armen und meinen Beinen und ich lege sofort eine Hand auf meinen Bauch.
"Grace?"

Liam streckt eine Hand nach mir aus, aber ich rutsche an den Rand der Liege und versuche seiner Hand zu entkommen.
"Lass mich in Ruhe", zische ich, erwarte aber nicht, dass er es wirklich tut.
Stattdessen greift er nach meiner Hand, die auf meinem Bauch liegt und verschränkt sie mit seiner. Mein Blick fällt darauf und ich entreiße ihm meine Hand, während ich von der Liege steige und auf die Tür zusteuere.
Sofort schießt ein unglaublicher Schmerz durch mich und ich schreie kurz, als ich die Tür aufmache und auf den leeren Gang stolpere.
Ich lege einen Arm um die Wunde an meinem Bauch und versuche zu rennen.
Aber die Schmerzen sind so überwältigend, dass sie mir die Sicht rauben und meine Beine einknicken.
Ich lande auf dem Boden, bevor mein Kopf aber mit voller Wucht auch darauf landet, greifen Liams Hände nach mir und mein Kopf bleibt ein paar Zentimeter über dem Fließenboden in der Luft hängen.
Vorsichtig zieht mich Liam in seine Arme und ich spüre mal wieder diese Blitze.

Langsam löst er den Arm, den ich um meinen Bauch gelegt habe, schiebt mein blaues, mittlerweile rotes T-Shirt ein wenig hoch und schaut sich die Wunde an.
Ich selber werfe einen kurzen Blick darauf, was sich aber als Fehler erweißt, da ich spüre, wie ich ganz knapp davor bin zu spucken.
Langsam löst Liam seinen Blick von meinem Bauch und schaut mir in die Augen.

"Sag nichts, Grace. Dein Blick verrät mir alles."
Liam schüttelt den Kopf, als wüsste er, das er daran Schuld ist, dass ich diese Wunde an meinem Bauch habe. Er hat mich ja hierhin gebracht.
"Du wirst mir nicht verbieten, etwas zu sagen", zische ich ihn an und hasse die Blitze, die schon wieder meinen Körper durchfluten.
"Ich habe nämlich eine Menge zu sagen."
Ich schlage seine Hand weg und schiebe mir mein T-Shirt über die Wunde.
"Nein, bitte Grace. Ich weiß, dass es absolut blöd von mir war. Ich weiß, dass es ein Fehler war und ich werde ihn wieder gut machen. Glaub mir, bitte."
Ich schüttele den Kopf.
"Du kannst es nicht mehr gut machen."

Liam lässt enttäuscht seine Hand sinken, die mir vorher ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und hinters Ohr gesteckt hat.
Ich rappele mich auf und will ein paar Schritte gehen, als Liam mich von hinten packt, mich hochhebt und trägt.
"Lass mich los", sage ich und Liam erspart sich zum ersten Mal seit ich ihn kenne sein Grinsen, indem er mich wirklich runterlässt.
Schwankend laufe ich langsam in den Saal, wo der Thron des 'Bösen' steht und als ich den Raum betrete auch besetzt ist.
Sofort liegen alle Blicke auf mir und ich höre, wie Liam hinter mir die Tür zumacht.
Der 'Böse' fängt sich zuerst und schaut von meinem roten T-Shirt zu Liam.
"Liam, habe ich dir erlaubt sie aus der Kammer zu holen? Habe ich dir überhaupt erlaubt, sie wiederzusehen?"
Liam schüttelt den Kopf und schaut auf den Boden.
"Warum hast du es dann gemacht?", fragt der 'Böse' wütend, beinahe entsetzt.

Liam will gerade zu einer Antwort ansetzen, als die große Glastür aufgemacht wird und Ariane zwischen zwei Wachen, die sie festhalten erscheint.
Sie schaut sich schnell in dem Raum um und fixiert mich dann mit ihren Augen.
"Ha, ich bin anscheinend nicht die Einzige, die ihre Klappe nicht halten kann.", sagt sie und zeigt so gut es halt geht, wenn man festgehalten wird mit ihrem Finger auf mein T-Shirt.
Der 'Böse' macht eine Handbewegung und sofort reagiert der linke Wache und verpasst Ariane einen Schlag ins Gesicht, bevor man ihr Klebeband über den Mund klebt.
"Der ihr blödes Gelaber geht mir nur auf die Nerven", sagt der 'Böse' und wendet sich wieder zu mir und Liam.

"Liam, ich habe immer gedacht, dass du nur auf meiner Seite stehst. Aber daran zweifle ich gerade ein wenig. Und weißt du, was mir gerade Geniales eingefallen ist, dass mir zeigen wird, dass du nur auf meiner Seite bist?"
Der 'Böse' macht eine kleine Pause und schaut mir in die Augen.
"Du wirst der jenige sein, der sie töten wird."
Liam hinter mir spannt sich an und ich bin sprachlos.
Liam muss mich umbringen, wenn ich nicht abhaue. Mein Blick sucht Arianes, die den 'Bösen' anschaut, als wäre er ein Außerirdischer. Sogar mit dem Klebeband über dem Mund versucht sie zu sprechen, aber leider kann ich nichts verstehen.

"Gut. Dann wäre das jetzt schon mal geklärt. Nimm sie mit und mach mit ihr was du willst.", sagt der 'Böse' und grinst, als er mir in die Augen schaut. "Aber bitte noch nicht umbringen. Zuerst ist die Andere dran."
Er gibt Liam mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er jetzt gehen soll.
Dieser packt mich grob am Arm und zieht mich zu der Tür, wo gerade vorhin der 'Böse' und ein paar Wachen hingegangen sind.
Kaum fällt die Tür hinter Liam ins Schloss, entreiße ich ihm meinen Arm und beuge mich ein wenig vor, damit die Schmerzen angenehmer werden.
Liam will eine Hand nach mir ausstrecken, aber ich weiche auf die Seite.
"Fass mich nicht an.", zische ich und versuche nicht zu weinen oder zu schreien, weil die Schmerzen immer schlimmer werden.
Liam geht aber nicht auf meinen letzten bissigen Satz ein, hebt mich hoch und trägt mich den Gang an vielen Türen entlang.

"Wo bringst du mich hin?", frage ich und wehre mich mal ausnahmsweise nicht, weil meine Schmerzen wenn Liam mich trägt nicht so stark sind und mich nicht kurz davor bringen, mein Bewusstsein zu verlieren.
"In mein Zimmer", sagt Liam knapp und ich will gerade etwas erwidern, als ein lauter Schrei durch den Gang hallt und sogar noch ein Echo ertönt.
Ich befreie mich aus Liams Armen und will zu der Tür zurückrennen, aber Liam packt mich am Arm.
"Sie bringen sie nicht um", sagt er und schaut mir sicher in die Augen.
"Das weißt du doch nicht." Außerdem wird Ariane nicht grundlos schreien, aber das würde Liam dann verraten, dass wir uns unterhalten haben, weil ich sie ja nur so kennen gelernt haben kann. Also werde ich das nicht sagen.
Ich ziehe an meinem Arm, aber Liam lässt mich nicht los.
Also hole ich mit meiner anderen Hand Schwung und haue einmal kräftig in Liams Gesicht.

Die zehnte GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt