29.

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Seitdem ich wusste, wo sich Jake aufhielt, konnte ich keine Sekunde an etwas anderes denken. Das hatte er mit Absicht getan. Er wollte mich wieder sehen. Wissen, wie es mir geht. Mit mir reden. Sich weniger allein fühlen.
Das wollte ich auch tun, als er einfach so verschwunden war. Aber ich wusste, dass es besser so gewesen war. Und auch jetzt wollte ich die Distanz wahren.

Denn er hatte selbst gesagt, er wäre nur für ein paar Tage in der Stadt. Er würde wieder gehen und mich zurücklassen, so wie es alle immer getan hatten.
Ich hatte endlich den letzten Wohnblock vor meiner Arbeitsstelle erreicht. Ich war in einem schmierigen Burger-Laden in der Nähe der Themse angestellt.

Zu dieser Jahreszeit waren weniger Touristen unterwegs, aber es reichte immer noch aus, um sich mit Analphabeten mit Händen und Füßen zu verständigen, welchen Burger sie denn nun gerne essen wollten.
Ich hatte gedacht, ein Job hinter einer Bedientheke wäre einfach und nur eine vorübergehende Sache, die ich schnell wieder hinter mir lassen würde, um einen richtigen Job an Land zuziehen.

Das dachte ich, als ich vor knapp zwei Jahren hier hergekommen war. Der Job ließ mich nicht los, ich fand keine Alternativen und mittlerweile stank jedes meiner Kleidungsstücke nach Bratfett, wenn man seine Nase hineindrückte. Und außerdem hatte ich herausgefunden, dass dies einer der undankbarsten, schrecklichsten Jobs überhaupt war! Jedenfalls in einer Metropole wie London.

Meine Hand drückte die feuchte Klinke herunter. Die Glastür fiel sachte hinter mir ins Schloss. Ich hatte schon von draußen den genervten Blick meiner Kollegin Mia gesehen. Sie war asiatischer Abstammung und wurde nur zu oft auf Chinesisch oder Japanisch angeredet, obwohl sie kein einziges Wort dieser Sprache beherrschte. 

Zudem machte unser Filialleiter sie ständig fertig, weil sie die einzige Frau in unserem "Team" war und sich endlich ihre wunderschönen Haare abschneiden sollte, damit sie unsere Kunden nicht doch eines Tages in ihren Burgern finden würden.

Ich verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln und zog meine Jack schon im Laufen aus. Mitten im Laden blieb ich plötzlich wie angewurzelt stehen. Am Fenster saß ein Typ. Blonde, längere Haare. Ein beiger Pullover mit Kragen, breite Schultern.
Meine Lippen mussten leicht geöffnet sein, mein Blick sehr aufdringlich, denn seine weibliche Begleitung bemerkte mein Starren.

Sie sprach ihn leise an. Der Rücken des Blonden versteifte sich augenblicklich. Er richtete sich auf ... und drehte sich um.
Das war nicht Jake! Es war einfach irgendein Hipster mit blonden Haaren. Schnell zog ich den Kopf ein und eilte in den Angestelltenbereich.

"Was war das denn?! Du hast ja fast zu sabbern begonnen!" Mia stützte sich auf ihre Schenkel und lachte. Sie wusste, dass ich auf Jungs stand.
"Ich wollte dich erst ansprechen, aber dann konnte ich diese Show doch nicht unterbrechen, entschuldige." Ihr Körper wurde von ihrem ansteckenden Lachen geschüttelt.

Aber heute konnte ich nicht mitlachen. Der Schock saß mir zu tief in den Knochen. Sollte das jetzt immer so weitergehen, sobald ein blonder, breitschultriger Typ den Laden betrat? Jake könnte jeden Moment durch die Tür kommen!
Wie lange waren ein paar Tage?! Wie lange musste ich diesen wachsamen Zustand aufrechterhalten?

Seine blauen Augen waren voller Tränen, als mich das Abwaschwasser in der Küche an seine Augen erinnerte. Ein anderes Mal waren sie von Lachfalten umgeben, als ein Typ mit einem grünen Mantel zur Tür hereinkam. Genauso einen hatte Jake damals an, als wir den Weihnachtsbaum zusammen geschlagen hatten.

Zwei Mädchen bestellten einen Milchshake zu ihren Pommes. Jake hasste Milchshakes!
Alles und jeder an diesem Tag erinnerte mich an ihn. Ich hatte nur ein paar Tage Zeit, um ihm zu sagen, was ich ihm sagen wollte. Ich wusste, wo er war. Aber ich stand mir selbst im Weg, zu ihm zu gehen.

"Was ist heute eigentlich los mit dir, Mann? Du bist ja noch depressiver als sonst", sprach mich Mia gegen Ende der Schicht an.
"Schlechter Tag." Ich pfefferte die Tablette auf die dafür vorgesehene Ablage.
"Reden hilft manchmal."
"Manchmal auch nicht." Damit war das Gespräch für mich beendet. Ich redete nicht gerade mehr als früherer, aber ich war besser darin geworden - an manchen Tagen jedenfalls.

Es war fünf Uhr am Abend, als ich die stickige Luft hinter mir lassen konnte und auf den Bürgersteig hinaustrat. Ich wollte nachhause fahren. Mir einfach ein Taxi rufen und das unnötige Geld dafür ausgeben, damit ich von der Straße runterkam.
Aber mein Körper wollte etwas anderes. Ich wollte etwas anderes.

***

Hello.

Der arme Noah oder? Aber soll ich euch mal was sagen? Die arme Lisa!!! Die muss nämlich 3! DREI!!!! ICH WIEDERHOLE DRREEIIIIII!!!!! Dramen auf einmal lesen! Und das sind dann gleich so Schinken von Goethe und Sophokles. Send help, wirklich, i think i'm losing my mind.

Wir lesen uns am Sonntag wieder, ily!

The Irish Boys {boyxboy} ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt