30.

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H10 Waterloo. Ein etwas älteres Gebäude, dunkle Fassade, sechs Stockwerke hoch. Ich ballte meine Hände in den Jackentaschen. Mein Blick war nach oben zu den großen Fenstern gerichtet, in denen sich der, vom Sonnenuntergang gefärbte, Himmel spiegelte.
Dann presste ich den Mund in den Kragen meiner Jacke und überlegte ein letztes Mal.

Mit großen Schritten überquerte ich die wenig befahrene Kreuzung vor dem Hotel. Die Bäume am Straßenrand reckten ihre Zweige verzweifelt in die Höhe. Ein roter Bus bretterte hinter mir entlang. Ein kleiner Pudel zog an der Leine seines Frauchens und wollte zu einem Artgenossen auf die andere Straßenseite.

Ich nahm alles viel deutlicher wahr, viel detailreicher. Lieber auf die Umwelt konzentrieren, als auf den nächsten Schritt, den ich gleich in dieses Gebäude machen würde.
Eine Glastür öffnete sich automatisch vor mir. Der Lobbybereich war mit einem gelblichen Marmorstein ausgelegt.
Ein Mann mit indischer Abstammung lächelte mir entgegen.

Zu meiner Linken befand sich eine luxuriöse Sitzecke, bestehend aus Ledersesseln und einer Couch. In den Ecken standen große, schwarze Lichtstrahler, die an die Beleuchtung an einem Filmset erinnerten.
Unsicher bewegte ich mich auf die Anmeldung zu.

"Was kann ich für Sie tun mein Herr?"
"Walsh. Jake Walsh ... also ist der da?"
Ich faltete meine verschwitzen Hände auf dem Tresen.
"Ich kann gerne nachschauen, wenn Sie möchten."

Er rückte seine Brille gerade und richtete seinen müden Blick auf einen Computerbildschirm, den ich nicht einsehen konnte.
Seine dicken Augenbrauen zogen sich zusammen, dann schien er ihn gefunden zu haben. Der Mann griff schneller zum Telefon, als ich hätte widersprechen können. Jetzt gab es kein zurück mehr.

"Ja, Mr. Walsh hier unten ist ein junger Mann für Sie." Er hielt den Hörer zu und fragte an mich: "Ihr Name, Sir?"
"Mills."
"Ein Mr. Mills." Dann nickte er und legte auf.
"Zimmer 102. Einmal durch die Lobby, auf der Rechten geht es zu den Aufzügen, letztes Stockwerk." Er blinzelte mir zu und lehnte sich dann zurück.

Mit zusammengepressten Lippen nickte ich ihm zu und ging auf die Fahrstühle zu. Noch mehr Film-verdächtige Lampen, größer als ich. Ich drückte den blauen Knopf am Fahrstuhl. Ein Leuchtpfeil zeigte mir an, dass er Fahrstuhl herunterkam.
Okay, ruhig bleiben. Ich atmete zitternd durch und schüttelte meine Schultern. Die Doppeltür glitt auf. Ich stieg ein und fuhr hoch in den letzten Stock.

Der Gang vor den Zimmern war mit einem blauen Teppich ausgelegt, der meine schnellen Schritte verschluckte. Ich rannte fast den Gang herunter und verpasste fast die richtige Abzweigung. Ich hatte Angst, wenn ich nicht schnell vor seinem Zimmer stand, würde ich es mir anders überlegen und weglaufen. Aber wenn ich erstmal in seine blauen Augen schauen würde, dann würde ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen können.

Jake hatte das letzte Zimmer im Gang. Neben der Tür befand sich eine Glasfront, frisch poliert, ich konnte das Reinigungsmittel noch riechen. Es stieg mir in die Nase und gab mir einen kleinen Kick.
Meine Hand erhob sich langsam. Jetzt war sie nicht nur verschwitzt, sondern zitterte auch noch.
Ich tat es, ich klopfte.

Nicht mal eine Sekunde später schwang die schwere Holztür auf.
"Du bist es."
Ich erwiderte nichts.
"Du bist wirklich gekommen!"
Ich konnte nicht mehr an mich halten und fiel ihm in die Arme. Mit dem Gesicht in seinen Pullover gepresst, schluchzte ich los.

Jakes Arme schlossen mich ein, warm und sicher. Ich spürte seine Lippen an meinem Kopf. Diese Empfindung war neu. Mein dicker Lockenschopf hatte mich früher vor dieser zärtlichen Berührung isoliert.
Es war, als wären unsere Körper nie für einen längeren Zeitraum getrennt gewesen. Und schon gar nicht für über drei Jahre lang.
Ich folgte seinen Bewegungen. Wir stolperten in sein Zimmer. Meine Augen waren geschlossen, ich vertraute ihm blind. Er kannte mich besser, als ich mich selbst.

Jakes Lippen schmeckten süß, süßer als alles, was der Mensch an Süße erfahren konnte.
Sein Geschmack hypnotisierte mich, dazu sein Parfum und die Muskeln unter seiner Haut, die sich bei jeder kleinsten Bewegung an- und entspannten.
"Warte." Ich drückte ihn weg und brachte einen klaffenden Abstand zwischen uns.

"Was ist?"
"Ich kann das nicht. Nicht so. Es wird mir das Herz brechen, wenn du wieder verschwindest." Ich kniff in meine Nase, um meine Tränen der Verzweiflung zurückzuhalten.
Jake sagte kein Wort, er griff lediglich nach meinem Unterarm und zog mich in eine Umarmung.
"Ich verstehe."

Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich könnte meinen Verstand ausschalten oder mein Herz oder mein Gewissen, was auch immer mich daran hinderte mit diesem Typen ins Bett zu steigen.
Ich hatte Erfahrungen gesammelt. In jeglicher Hinsicht. London ist groß. Aber all diese Erfahrung war nichts wert, wenn ich Jake gegenüberstand.

Er war anders, er war selbstbewusster als alles anderen, er war größer, roch besser, hatte schönere Haare und Zähne. Er fühlte sich besser an, fester, weicher, wärmer.
Es war Jake und nicht irgendein Typ. Es war der erste Junge für mich. Der einzige, der es in mein Herz geschafft hatte.

Ich atmete seinen Geruch tief ein, hatte mich bereits an das neue Parfum gewöhnt, so als wäre es schon immer da gewesen.
Es überspielte den Geruch von Jakes Haut vor dem Kamin, in der Scheune und den Geruch seiner nassen Haare im Auto.

"Ich kann dich einfach nicht gehenlassen", flüsterte er.
Ich schaute zu ihm auf, eine Falte zwischen den Augenbrauen.
"Jetzt, wo du hier bist, kann ich dich nicht mehr gehen lassen, tut mir leid."
Er zog mich noch näher an sich.

Und eigentlich empfand er wie ich. Denn ich hätte jetzt auch nicht gehen können.
Nicht, wo ich ihn schon mal im Arm halten konnte. Also blieb ich. Die ganze Nacht.

***

Schnell mal was für euch gezaubert hihi hoffe es gefällt euch. :)
Keine Sorge, ich werde im nächsten Kapi berichten, wie es bei den Beiden in der restlichen Nacht läuft :P

Zum Song ... kennt ihr Conan Gray? Wenn nicht zieht ihn euch mal rein IHR WERDET ES NICHT BEREUEN, ER HAT DAS LISA GÜTESIEGEL!
"The story" ist seine neue Single! Master peach. Shhhiit

Okay bye

The Irish Boys {boyxboy} ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt