67.

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"Noah?"
Ich gab ein Brummen von mir. Mary steckte den Kopf durch die Tür und sah sich in meinem Zimmer um.
"Weißt du, wo mein Sohn abgeblieben ist?"
"Welcher?"
Ich streckte meine Beine aus und verschränkte die Hände hinter meinem Kopf.

Mary sah heute besser aus als in den letzten Tagen. Sie hatte sich wieder ihre Haare hochgesteckt, trug ihre übliche Arbeitskleidung und nicht mehr ihren Schlafanzug.
"Du weißt, welchen ich meine, Noah ..."
Sie legte ihren Kopf schief und betrachtete mich, wie nur sie es konnte. Ihn ihren Augen war dieses liebevolle Schimmern. Ich konnte nicht anders, als sie anzulächeln.

"Nein, ich habe keine Ahnung, wo sich Jake gerade rumtreibt."
Sie nickte, machte Anstalten zu gehen, hielt dann allerdings noch einmal inne.
"Noah ..."
Jetzt hatte sie meinen Namen ein bisschen zu oft gesagt. Sie hatte etwas auf dem Herzen.
Ich richtete mich auf und zog die Knie an meine Brust.

"Egal, was da zwischen dir und Jake ist ... oder war ... Ich will einfach nur, dass du weißt, dass es okay ist. Mehr noch, es ist ganz wunderbar. Ihr tut einander gut, jedenfalls kann ich das für meinen Sohn aus voller Überzeugung sagen."
Peinlich berührt begann ich an dem Saum meines Shirts herumzuzupfen.
Wieso musste sie das immer wieder indirekt ansprechen? Außerdem wusste ich manchmal wirklich nicht, ob Jake und ich tatsächlich so gut für einander waren.

"Wie dem auch sei."
Ihre dünnen Augenbrauen zogen sich nach oben und sie schloss die Tür hinter sich.
In diesem Moment wünschte ich mir mehr denn je, mehr aus mir herauskommen zu können, über meine Gefühle zusprechen oder Mary einfach nur danken zu können.
Frustriert fuhr ich über mein Gesicht.

"Verdammt, Jake!", stieß ich entnervt aus, während ich mir meine Schuhe überzog.
Ich hatte heute sowieso nicht mehr viel zu tun, also beschloss ich einen Spaziergang zu machen, ich glaubte nämlich zu wissen, wo sich Jake aufhielt. Allerdings verließ ich das Haus nicht, ohne Mary in der Küche zuzunicken. Es war alles, was ich zu diesem Zeitpunkt tun konnte, aber ich glaubte, einen erleichterten Ausdruck in ihren Augen zu sehen.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, als ich den Weg hinter der kleinen Farm hochging. Wiesen und Felder wurden mit jedem Tag grüner, das Gezwitscher der Vögel erfüllte die Luft, wie es nur an einem Frühlingstag möglich war.
Nach einigen Minuten erblickte ich die kleine Hütte auf dem Hügel hinter dem Farmhaus. Das Gras davor war um ein ganzes Stück gewachsen und verbarg die erste Treppenstufe vor meinen Augen.

Ich drehte mich um und ließ meinen Blick über die Farm schweifen. Von hier oben konnte ich das Haus und alle die Nebenbauten deutlich erkennen. Ich konnte das Tor zum Hof sehen und die staubige Straße, die über die Felder weg von diesem Ort führte.
Ein Bussard kreiste über den Dächern und warf einen winzigen Schatten auf das Rot der Steine.

Die frische Luft füllte meine Lungen aus, ich schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ich fühlte mich frei, wie einer dieser Vögle, die hoch über meinem Kopf dahin stoben.
Hier oben fühlte ich mich beinahe wie der König der Welt. Ich hatte das Gefühl, all meine Emotionen einfach so in die Welt hinausschreien zu können.

Die warme Sonne ließ mich vor meinen geschlossenen Augen einen hellen Rotton sehen. Als ich sie wieder öffnete, wurde ich von dem endlosen, blauen Himmel geblendet.
Ich riss mich vom Anblick der Farm und der hügeligen Landschaft los und erklomm das letzte bisschen Steigung.

Neben der kleinen Holzhütte, die vom Sonnenlicht angestrahlt wurde, stand Jake.
Er hatte die Hände in den Taschen und blickte gen Westen - über die Felder, die einst seine Familie bestellte. Es war keine Frage, dass er mich hatte kommen sehen, aber er ließ sich nicht anmerken, dass er meine Gegenwart bemerkt hatte.
Etwas lag zwischen uns in der Luft, eine Aufbruchsstimmung. Ich fragte mich, ob er diesen Blick so sehr vermissen würde, wie ich.

The Irish Boys {boyxboy} ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt