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Alec:

Hochzeit.

Klingt doch romantisch oder? Nhn, nein, ist es nicht.

Nicht mal das Brautpaar hat an der Hochzeit einen schönen Tag. Die haben doch total den Stress, dass alles glatt läuft, sind am Arsch, wenn nicht, und geben noch dazu für diesen einen Tag so viel Geld aus wie andere für ein Auto. Und das nur, um so ein dummes Stück Papier zu unterschreiben.

Den ganzen Tag gingen meine Gedanken jetzt schon so. Brian und Kate hatten den angeblich schönsten Tag ihres Lebens und ich machte mich in meinem Kopf über den bloßen Wunsch lustig zu heiraten.

Was bringt einem das auch? Man denkt, man ist dann für immer zusammen, aber das auch nur solange, bis der eine den anderen verlässt und dann hockt man alleine da und muss auch noch die Hälfte seines Besitzes abgeben, wenn es zur Scheidung kommt. Super Erfindung, echt.

Wer auch immer sich das hat einfallen lassen, war ja echt ein Optimist.

Sogar ich als Gast war auf dieser Feier gestresst und das, obwohl ich nichts machen musste als anwesend zu sein. 

Eigentlich sollte ich mich geehrt fühlen, überhaupt eingeladen zu sein, immerhin war ich nur der beste Freund des Lovers von Brians unehelichem Sohn, aber eigentlich wäre ich echt überall anders lieber als hier.

Ich war umgeben von Glück, Liebe, Zufriedenheit und Zukunftsplänen. Und das als unglücklicher Single. Kann mir mal einer sagen, wie ich das aushalten sollte?

Ich vergönnte allen anderen ihr Glück, wirklich, aber ich konnte gerne darauf verzichten, dass sie es mir unter die Nase rieben.

Deprimiert und alleine saß ich an dem Tisch, an dem ich schon saß, seit wir hierhergekommen waren, weil der formale Teil abgeschlossen worden war und jetzt gefeiert wurde, trank ein aufregendes Glas Wasser nach dem anderen und fragte mich, wann ich endlich auf Toilette musste, um alle dem hier entkommen zu können.

Dabei starrte ich auf die Tanzfläche und all die Paare, die sich dort tummelten und eng umschlungen miteinander tanzten.

Klar standen Brian und Kate dabei im Vordergrund, immerhin war Kate mit ihrer Hochzeitsrobe nicht ganz unauffällig, aber es zog meinen Blick auch immer wieder zu Noah und Cam. Sie waren nach wie vor zusammen, glücklich, auch wenn es bei ihnen öfters mal Krach gab, den ich mir dann anhören und den Streitschlichter geben musste. Meistens ging es um die unnötigsten Dinge wie übertriebene Eifersucht oder dass beide einen zu großen Stolz hatten, mal nachzugeben, wenn sie falsch lagen bei einer Diskussion.

Mein Single-Leben war zwar einsam, aber dafür weniger anstrengend.

Außerdem hatte ich ja mit der Uni ohnehin genug zu tun. Für eine Freundin oder so hatte ich da gar keine Zeit.

Ich denke, ein Grund für meine derzeitige Mentalität war vielleicht auch, dass ich meine alten Freunde nicht mehr so oft sah, seit wir von der Schule runter waren und unsere eigenen Wege gingen.

Noah und Cam waren gefühlt an den Arsch der Welt gezogen, wo Cameron jetzt irgendetwas im Fitness-Bereich machte, um mal Personal Trainer zu werden und Noah eine Ausbildung zum Erzieher begonnen hatte und nebenbei etwas mit seiner Musik Geld verdiente.  

Sandy und Max hatten sich zwei Monate nach unserem Abschluss getrennt, weil beide keine Fernbeziehung wollten und sie an sehr weit voneinander entfernte Unis gegangen waren.

Ken war ins Familienunternehmen eingestiegen, verwunderlicher Weise aber derjenige, der sich noch am meisten bei mir meldete, vermutlich weil er noch genauso Single war wie ich.

Gabrielle war mittlerweile mit Matt zusammen, aber so genau hatte ich da keine Ahnung und wenn ich ehrlich war, interessierten mich die beiden auch nicht wirklich.

Das einzige, was ich wusste, war, dass ich so langsam aber sicher Druck auf der Blase hatte.

Gerade, als ich aber aufstehen und die Toilette aufsuchen wollte, unterbrach Brian das Tanzen, hielt eine unnütze Rede, bei der ich fast einschlief, und meinte schließlich, er hätte noch ein kleines Geschenk nachträglich zu Noahs Geburtstag.

Er machte das alles richtig dramatisch und setzte auch noch Musik ein.

Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich davon zu stehlen und erstmal aufs Klo zu gehen, aber dann hörte ich seine Stimme und erstarrte.

Ein geschocktes Raunen ging durch die Menge, alle sahen sich um, um zu sehen, aus welcher Richtung die Stimme kam und wer es war, der da sang, während ich schon lange wusste, dass Dave hier irgendwo sein musste.

Mein schnell schlagendes Herz verriet es mir.

In einer Vorahnung sah ich zur Öffnung des Zeltes, in dem sich die Hochzeitsgesellschaft befand.

Dave grinste breit, kam von da aus in das Zelt und sang einen Song, während er von der Band begleitet wurde.

Jedes Haar auf meinem Körper stellte sich auf, als ich ihn hörte und, als ich ihn dann auch noch sah, hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr in meinem Körper zu stecken, weil in diesem gerade alles abdrehte und ich glaubte, all das niemals fühlen zu können, während ich noch lebendig war.

Dave bemerkte mich nicht. 

Wie sollte er auch unter all diesen Menschen?

Er ging einfach seinen Weg entlang nach vorne auf die Bühne, steckte das Mikro in den Ständer und sang sein Lied zu Ende. Er bekam seinen wohlverdienten Applaus, bedankte sich durch eine leichte Verbeugung.

Ehe ich mich versah, war Noah auch schon auf die Bühne gestürmt und hing an seinem Bruder.

Ich war mir sicher, nicht mal die Hälfte der Leute hier wussten, wer Dave überhaupt war, doch sie alle freuten sich und klatschten wild.

Und ich? Ich stand auf und ging aufs Klo.

Was sollte ich denn sonst machen? Zu ihm stürmen und ihm eine scheuern, weil er mein Herz so malträtierte? Diese Blöße würde ich mir sicher nicht geben.

Nachdem ich mich erleichtert und meine Hände gewaschen hatte, stand ich weiterhin vor dem Spiegel und schaute mich an.

Ich war alles andere als hässlich, das war mir klar und ich hörte es ja auch oft genug. Es gab viele, die was mit mir anfangen wollten.

Wieso konnte ich mich nicht einfach darauf einlassen? Wieso konnte ich ihn nicht einfach vergessen? Ich hatte ihn doch nur ein paar Wochen gekannt, bevor er in den Entzug gegangen war.

Ich hatte nur ca. 4 Tage richtigen Kontakt zu ihm gehabt ohne von seiner Abhängigkeit zu wissen und danach war es in unseren Gesprächen nur noch darum gegangen, in welche Klinik er gehen würde und was aus seiner Tochter werden würde.

Unsere Verabschiedung hatte aus einem unechten Lächeln und einem viel zu festen Händedruck bestanden.

Wieso zum Teufel litt ich nach zwei verdammten Jahren immer noch so darunter? 

Womit hatte ich all das verdient?

Ich war immer ein guter Sohn gewesen und ein noch besserer Freund. Ich hatte immer alles getan, um anderen zu helfen. Ich hatte mich selbst dabei vernachlässigt. Das bekam ich jetzt zu spüren.


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt