Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)

015 (2) ✔️

Dave:

Nachdem ich Amy in die Kita gebracht habe und Lyam zu Lilly, gehe ich wieder nach Hause.

Eigentlich war es so geplant, dass ich Lyam heute erst gegen Mittag zu Lilly bringe und bis dahin ein bisschen Zeit mit ihm verbringe, aber die Umstände haben sich geändert. Als ich wieder nach Hause komme, sitzt Ken immer noch auf dem Sofa, aber wenigstens war er zwischenzeitlich duschen und schaut jetzt Fern.

Ich glaube, Alec ist es nicht so richtig aufgefallen, aber bis auf die Tatsache, dass Ken ziemlich unterkühlt war, wirkt er auf mich auch sehr verstört. Außerdem hat er einen blauen Fleck auf dem Wangenknochen und seine Nase sieht auch nicht sehr frisch aus.

Dass ihn jemand geschlagen hat, ist klar und dass es ihm alles andere als gut geht ebenso.

Da ich aber kein Experte für sowas bin, setze ich mich erstmal ruhig neben ihn und schaue mit. Er zieht sich gerade das Kinderprogramm von Nickelodeon rein, was meine Vermutung bestätigt, dass in seinem Hirn was nicht stimmt. Andererseits muntert das doch irgendwie auf...

„Hei, willst du nochmal einen Tee?", hake ich nach einer Weile und einem Blick auf seine leere Tasse nach.

Er schüttelt den Kopf. „Ich mach mir dann schon was, danke. Du musst auch nicht hier herumsitzen, wenn du nicht willst"

„Klar will ich" ich lege meine Füße verschränkt auf den Couchtisch, etwas wofür Alec mich kräftig spanken würde, wenn er davon wüsste. „Auf Nickelodeon kommen um diese Zeit die besten Sachen"

Ken nickt nur zustimmend.

Wir schauen ein paar alte Folgen von Sam&Cat durch, ehe ich bemerke, dass er näher an mich rangerückt ist und jetzt meinen Bizeps umklammert hält, als sehe er sich hier einen Horrorfilm an.

Dieses Verhalten... Dieses Wissen, dass ihm etwas angetan worden ist, aber dass er es verweigert und verleugnet, erinnert mich so an früher... an meine Mum. Und da ich vorher von parallelen zu ihm und Isak gezogen habe, zumindest was ihren Alkoholkonsum angeht, liegt da für mich der Schluss nahe, dass er wohl Ken gegenüber gewaltätig geworden ist. Die einzige Sache, die mich verwundert, ist, dass er sich anscheinend nicht gewehrt hat und auch kein Wort darüber verliert. Meine Mum hat das gemacht, weil sie Dad geliebt hat und unseren „Familienfrieden" erhalten wollte. Für Ken gibt es dazu keinen Grund.

„Weißt du, du erinnerst mich an meine Mum", werfe ich einfach mal so in den Raum.

Klar kann er damit nichts anfangen, immerhin weiß er ja nichts über sie, außer, dass sie tot ist.

„Sie war eine starke Frau"

Ken schaut mich verwirrt an, aber lässt mich weiterreden.

„Aber sie hatte auch ihre schwachen Momente. Und das ist auch völlig okay, immerhin ist... war sie ja auch nur ein Mensch. Ich glaube, wenn sie in manchen Momenten einfach weniger stark gewesen wäre, wäre ihr viel erspart geblieben..."

„Wieso erzählst du mir das?" Ken versteht es nicht, das sieht man ihm an.

„Mein Dad war Alkoholiker, weißt du? Er wurde immer gewalttätig, wenn er betrunken war... Ich will nur, dass du weißt, dass sowas vorkommt. Das kann jedem passieren und man muss sich auch nicht dafür schämen. Die einzige Schwäche ist, wenn man es tatenlos mit sich machen lässt und Ausreden erfindet, um nicht darüber reden zu müssen..."

Ken weicht von mir zurück und lacht unsicher. „Du denkst doch nicht, Isak hat mich geschlagen?"

Ich ziehe nur vielsagend die Augenbrauen hoch. Ken aber schüttelt den Kopf, er scheint dabei wütend zu werden. „Klar, du musst auf Alecs Seite sein, aber das ist kein Grund, ihm sowas zu unterstellen. Er ist kein schlechter Mensch, okay? Und er würde mich auch nicht schlagen, weil wir nämlich.... befreundet sind."

„Ken, ich sage nur, für den Fall..."

„Es gibt keinen Fall! Lass mich in Ruhe und Isak auch!" Er wirft die Decke aufs Sofa und geht in den Flur. Ich folge ihm.

„Jetzt beruhige dich doch erstmal... Soll ich dich in die Wohnung fahren?"

„Damit du Isak auch noch ins Gesicht sagen kannst, dass du ihn für einen Schläger hältst? Vergiss es. Danke für den Tee" Er geht und lässt die Tür dabei hinter sich zufallen. Seufzend sehe ich darauf.

Vielleicht hat Ken recht. Ich meine, Frau Weiß sagt, dass ich immer noch traumatisiert bin. Vielleicht interpretiere ich einfach zu viel da hinein. Nur weil Isak viel trinkt, ist er ja kein Alkoholiker und noch lange nicht wie mein Dad. Und welchen Grund gäbe es schon für Ken zu lügen?