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Alec:

Als wir bei mir zuhause ankamen, war es dann doch ziemlich spät geworden, da ich darauf bestanden hatte, Pausen einzulegen, jedes Mal, wenn es mir richtig vorgekommen war.

Am liebsten hätte ich uns einfach ein Taxi gerufen, egal wie teuer das gewesen wäre, aber ich hatte gewusst, dass Daves Stolz das nicht zugelassen hätte. Er konnte so stur sein. Hatte er immer noch nicht begriffen, dass seine Gesundheit Priorität hatte?

Bei mir zuhause setzte er sich dann zu meiner Mum aufs Sofa, die sich gerade Dirty Dancing reinzog, während Dad wohl noch arbeiten war, und ich Amy ins Bett brachte.

Das dauerte nicht lange, da sie ja schon schlief und ich es nicht riskieren wollte, sie so umzuziehen oder noch großartig etwas zu tun. Ich wechselte nur die Windeln, zog ihr das Kleid aus, das sie heute getragen hatte und legte sie dann so in ihr Bett, unter ihrer Kuscheldecke, neben ihrem Kuscheltier - einem weichen Bären, den Dave in Amys Alter von seiner Mum bekommen und an seine Tochter weitergegeben hatte - und ihrer Wasserflasche für die Nacht.

Schließlich ging ich wieder runter und suchte in Gedanken nach einer Lösung für das Problem mit Dave.

Ich wusste nicht, ob er noch Schmerzmittel nehmen wollte und ich ihm deshalb welche anbieten konnte, aber sicher war, dass ich ihn so keinen Meter mehr laufen lassen würde. Ich sollte ihn einfach nachhause Fahren, egal wie beharrend er nein sagte.

Als ich aber ins Wohnzimmer kam, stellte ich fest, dass das gar nicht nötig war. Nein, denn Dave schlief schon tief von fest und war dabei, mit dem Oberkörper so auf das Sofa gekippt, dass er mit dem Kopf auf dem Kissen im Schoß meiner Mutter lag.

Sie wäre nicht sie, wenn sie deshalb einen Aufstand gemacht hätte, sie nahm es locker und strich ihm beruhigend durch die Haare, während sie sich ihren Film reinzog.

„Hei", flüsterte ich, amüsiert von dem Anblick, aber auch irgendwie gerührt.

Dave war vielleicht erwachsen und er hatte vielleicht keine Eltern mehr, aber trotzdem war er irgendwie doch noch ein Kind, das sich nach einer Mutter sehnte. Die hatte er wohl in meiner gefunden.

Ich fand das süß und was gerne bereit zu teilen. Meine Mum hatte genug liebe für Dad, Amy, Dave, das neue Kind und mich.

„Hei", lächelte sie, stoppte ihren Film und schaute mich neugierig an. „Hattet ihr einen schönen Tag?"

Ich nickte, ihr Lächeln erwidernd. „Es war echt toll. Dave ist ein toller Dad für Amy..."

Ich wusste, damit begab ich mich auf gefährliches Eis und es schien die Stimmung auch ziemlich zu kippen, denn Mum seufzte weniger erfreut.

„Ich weiß, dass er das sein könnte... ich bin mir nur nicht sicher, ob dein Dad ihm weiterhin die Möglichkeit dazu geben wird..."

„Wie meinst du das?" Mit pochendem Herzen schaute ich Mum an.

Sie seufzte. „Er liebt dich sehr, Alec, er möchte dich beschützen und sieht nicht, dass Dave gar keine Gefahr ist. Außerdem hat er Amy ebenso ins Herz geschlossen und weiß, dass Dave sie jederzeit, wenn er möchte, zu sich holen kann. Isak konnte noch nie gut mit Gefühlen umgehen, das weißt du. Aber das heißt ja nicht, dass er nicht dazu in der Lage ist, sie zu empfinden... Ich will nicht von ihm und seiner Vergangenheit reden, weil ich weiß, dass er das nicht möchte, aber bitte glaub mir einfach, wenn ich dir sage, sein Verhalten hat seine Gründe. Hasse ihn nicht. Selbst nicht, wenn er sich Dave gegenüber wie ein Peeep verhält. Ihm liegt viel an seiner Beziehung zu dir..."

„Wieso kannst du es mir nicht einfach sagen?!", jammerte ich bittend.

Sie schaute mich streng an, was hieß, dass ich aufhören sollte, sie zu nerven.

Ich tat es, indem ich extra dramatisch seufzte, und dann zu Dave ging, um ihm mit einem kleinen Ruck hochzuheben.

Gott, er war schwerer als er aussah.

„Lass ihn nicht fallen", schmunzelte Mum, als sie meine Anstrengung bemerkte.

„Ha-ha. Ich muss üben, wenn ich ihn nach unserer Hochzeit über die Schwelle tragen will", scherzte ich gepresst und machte mich auf den Weg nach oben.

„Na dann mal viel Erfolg, du starker Prinz", lachte Mum nur und dann hörte man auch schon ihren Film weiterlaufen.

Die Treppen mit Dave waren echt eine Herausforderung, aber ich sah es nicht ein, aufzugeben. Ich schleppte ihn in mein Zimmer und legte ihn im Bett ab. Das zugegebenermaßen unsanft, aber das war seine Schuld, wenn er so... muskelbepackt war.

Ich tastete seine Hose nach seinem Handy ab, damit ich bei seiner WG bescheid geben konnte, dass er heute nicht nachhause kam, aber hielt kurz inne, als ich sah, dass er das Bild, das Cam damals von ihm und mir im Garten gemacht hatte, am Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, als Sperrbildschirm nutzte.

Wie süß war das denn bitte?

Ich grinste dämlich, gab dann sein Passwort ein: Bärch3n und scrollte in seinen Kontakten herum, bis ich auf „Wächterarsch" stieß. Das konnte nur Tucker sein.

Ich wählte sie Nummer und hielt mir das Handy ans Ohr, während ich aus dem Zimmer ging, um nicht Gefahr zu laufen, Dave aufzuwecken.

„Wo bleibst du? In einer halben Stunde stehst du hier auf der Matte, sonst erlebst du dein blaues Wunder!", kam es sofort aus dem Hörer.

Ich schnaubte leicht. „Sorry, aber du redest mit dem Falschen. Dave schläft schon und er wird heute auch nicht in die WG kommen..."

Tucker setzte an, was zu sagen, aber ich rede weiter, da ich noch nicht fertig war.

„Und du solltest mal darüber nachdenken, wie du mit ihm umgehst. Du bist weder seine Mutter noch sein Boss, um so mit ihm zu sprechen. Du bist dazu da, um ihm und helfen wieder ins Leben zu finden und ihm nicht einen Grund zu geben, wegen Mordes in den Knast zu kommen. Außerdem ist diese Ausgangsperre von dir nicht rechtsgültig, solange es sich bei der WG nicht um eine öffentliche medizinische Einrichtung handelt und da sie das nicht tut, würde ich an deiner Stelle mal einen Gang zurückfahren, bevor wir mal sehen, was bei dir noch so nicht mit dem Rechtssystem, an das selbst ein Arschloch wie du sich zu halten hat, übereinstimmt..."

„Wie redest du eigentlich mit mir?!" Er klang richtig empört.

Mich hatte es aber so sauer gemacht, dass er Dave so behandelte und so angesprochen hatte, wie er es getan hatte, dass ich keine Lust mehr darauf hatte, auf meine Freundlichkeit zu achten, selbst, wenn ich wusste, dass es Dave nicht sehr weiterhelfen würde, wenn ich seinem Wächter einen Arschtritt verpasste.

Er musste es später ausbaden, was ich zu Tucker sagte, das war der einzige Grund, warum ich mich zurückhielt und seine gesamte Existenz nicht einfach in der Luft zerriss.

Ich war vielleicht kein guter Jurastudent, aber ich kannte es von meinem Dad schon mein Leben lang, wie er andere runtermachte, meistens die Gegenpartei, manchmal auch seine Mitarbeiter oder eigene Mandanten, wenn sie ihm etwas verschwiegen oder vorgemacht hatten, also wusste ich genau, wie das ging und ich hatte das ja quasi auch im Blut, um es anzuwenden.

„Tu nicht so empört, das war schon lange überfällig.", beruhigte ich Tucker. „Ich bin übrigens Alec, Daves Freund, falls du dich erinnerst und es dich überhaupt interessiert. Er bleibt die Nacht über bei mir, ich werde ihn morgen gegen Mittag wieder nachhause bringen und bis dahin geh uns bitte nicht auf die Nerven, wir werden nämlich beschäftigt sein"

Mit diesen Worten legte ich auf, schaltete das Handy auf lautlos und ging wieder in mein Zimmer.


Das Herz Der Dunkelheit (Manxman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt