4. Kapitel

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Nate

„London, komm schon", sage ich und lache erneut laut los. London schüttelt nur den Kopf und blickt mich warnend an.

„Meine Schwester ist tabu", grummelt er, lacht dann aber auch. Ich würde es niemals wagen Paris anzubaggern. Die einzige Sache mit der ich die Freundschaft mit London auf die Kippe stellen könnte, wäre etwas mit seiner Schwester anzufangen. Hastig trinke ich einen weiteren Schluck von meinem Bier.

Wir sitzen auf dem Dach von Londons Haus, eher gesagt Villa, trinken Bier und quatschen.

„Und was geht bei dir so Nate? Wie geht es deiner Mutter so?"

Ich antworte nichts, ich rede nicht gerne über meine Mutter oder ihrer Situation. Selbst nicht mit meinem besten Freund London.

„So schlimm?", fragt Lon und klopft mir mitleidig auf die Schulter. Mitleid. Wie ich das hasse. Früher haben uns immer alle bemitleidet, sie haben meine Familie und mich nicht ernst genommen. Und deswegen versanken meine Eltern nur noch mehr in Trauer und haben nicht mehr auf mich geachtet. Deswegen bin ich auf die falsche Bahn geraten. Jetzt ist meine Mutter krank, mein Vater ist abgehauen und hat uns allein gelassen.

„Nein, geht", sage ich locker, hole mir ein weiteres Bier und trinke das auch noch aus. Eigentlich muss ich heute noch nach Hause fahren, aber in diesem Moment will ich einfach nur meine Sorgen in Alkohol ertränken. Das ist die beste Lösung.

„Hast du auch was stärkeres?", frage ich, denn das Bier bewirkt fast gar nichts.

„Ich glaube, als guter Freund, sollte ich jetzt nein sagen", schmunzelt Lon und schüttelt demonstrativ den Kopf.

„Guter Freund", murmle ich sarkastisch. Glücklicherweise habe ich immer was stärkeres dabei. Vorsichtig fülle ich etwas in mein Bier, damit Lon nichts mitkriegt. Er würde das nicht verstehen.

Die nächste Szene, an die ich mich erinnere ist, dass ich mit irgendeinem Mädchen rummache und als nächstes, dass ich mich übergebe. Als ich aufwache, schmerzt mein Kopf ungeheuerlich. Fuck. Ich bewege mich leicht, öffne meine Augen und blicke um mich. Ich liege in meinem Bett bei mir Zuhause. In meinem Zimmer ist alles alt und/oder kaputt.

Jetzt weiß ich auch, wovon ich wach geworden bin. Der Wecker. Das Piepen ist nicht gerade katerfreundlich. Ich schmeiße den Wecker einfach gegen die Wand und nach einem letzten schwachen Piepen gibt er den Geist auf. Stöhnend dreh ich mich auf die andere Seite.

Ich bin zwar schon älter, aber bin zweimal sitzen geblieben. Jetzt geh ich in die 12. Klasse und bin mit Abstand der älteste in der Klasse. Nein, im Jahrgang. Und in meinen Jahrgang geht auch Lons kleine Schwester Paris. Paris ist einfach nur mega heiß. Blonde lange Haare, große blaue Augen und einfach alles an ihr ist der Hammer. Zu allem Überfluss modelt sie auch noch. Jetzt muss ich aber wirklich langsam aufstehen, denke ich. Leichter gedacht, als getan.

Ich sitze in meinem alten Jeep. In der einen Hand halte ich einen Kaffee und mit der anderen umklammere ich das Lenkrad. Die Aspirin wirkt noch nicht so richtig und ich habe einen fiesen Kater. Ich hupe laut, da das Auto vor mir Mitten auf der Straße stehen bleibt. Moment, das ist doch Paris Auto oder? Die Beifahrertür öffnet sich und ein Mädchen steigt aus. Ich kenne sie. Sydney heißt die, glaube ich.

Sydney ist klein, süß und unschuldig. Ihre bronzefarbenen Haare fallen glatt und gleichmäßig über ihre Schultern. Sie hat große grüne Augen und trägt einen ziemlich weiten Pullover. Aber etwas stört, ihr Gesicht, genauer gesagt ihr Gesichtsausdruck. Ihre Augen wirken irgendwie matt und sie ist ziemlich blass. Schweigend schüttle ich meinen Kopf, was ist mit dieser Sydney bloß los? Während der Schulzeit hört sie eigentlich nur Musik und unterhält sich nie mit jemanden. Insgesamt fällt sie nicht besonders auf. Aber wieso? Sydney ist ein Rätsel, aber ein Rätsel, dass es zu lösen gilt.

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