5. Kapitel

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Nate

Meinen Wagen stelle ich wie immer auf dem Schulparkplatz ab. Das Internat, welches ich besuche sieht aus wie ein riesiges altes Schloss. Einige Schüler leben auch hier, aber das muss man nicht zwingend. Der Unterricht ist anspruchsvoll und eigentlich ist die Schule teuer, aber ich habe ein volles Stipendium. Ich bin gut in der Schule, sitzen geblieben bin ich nur, weil ich bei meiner alten Schule einfach nicht aufgepasst habe und nur Mist gebaut habe. Irgendjemand aus dem Vorstand der Schule hatte anscheinend Mitleid mit mir oder was auch immer und hat mir das Stipendium ermöglicht.

Nachdem meine Mutter erkrankt ist, habe ich mein ganzes Leben geändert. Ich habe angefangen Verantwortung zu übernehmen und versuche mittlerweile für unsere sehr kleine Familie zu sorgen.

Mein Vater – der Versager – zahlt nicht einmal Unterhalt. Ich habe einen Nebenjob und wir können uns gerade so über Wasser halten. Die Eltern meiner Mutter sind reich, aber als meine Mutter mit siebzehn mit mir schwanger wurde, ist sie abgehauen, weil ihre Eltern, meine Großeltern, sie dazu bringen wollten, mich abzutreiben. Sie ist mit meinem Vater durchgebrannt und hat seit 20 Jahren nicht mehr mit ihren Eltern geredet. Wir könnten sie um Geld bitten, aber dafür ist meine Mutter zu stolz.

Ich schnappe mir die Schlüssel und meinen Rucksack, steige aus und verriegle den Wagen. Den leeren Kaffeebecher werfe ich in den nächsten Mülleimer.

Als ich das Schulgebäude durch die große Flügeltür betreten will, joggt hinter mir mein Kumpel Louis auf mich zu und ruft meinen Namen.

„Nate, warte", ruft er und ich drehe mich zu ihm um. Louis ist ein Jahr jünger als ich und geht in den Jahrgang wie Sydney. Er ist so etwas wie ein kleiner Bruder für mich. Unsere Mütter waren einmal gut befreundet. Louis ist groß, etwas schlaksig, bekommt eigentlich immer, was er will und hat oft eine fast schon naive Ansicht vom Leben.

„Hey, Lou", sage ich und gebe ihm einen leichten Schlag auf die Schulter.

„Was geht?", fragt er und wir laufen nebeneinander durch die vollen Gänge.

„Nicht viel. Eine Frage, was weißt du über Sydney Bloom?", frage ich und rede nicht lange drum herum. Das Mädchen hat mein Interesse geweckt.

„Nichts. Wie jeder. Aber ein freundschaftlicher Tipp, versuch nicht sie rumzukriegen. Brandon, Hunter und ich haben es alle schon versucht, aber die Irre blockt total", erwidert Lou und schüttelt, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, den Kopf.

„Vielleicht hast du Recht", sage ich und schlängle mich geschickt durch die Schülermassen.

„Nicht nur vielleicht, ich habe Recht. Aber egal. Kommst du am Samstag zu Hunters Party? Das wird bestimmt cool. Seine Eltern haben einen alten fünfzigjährigen Scotch, der danach ruft von mir getrunken zu werden", erzählt Lou und labert weiter über die anstehende Party. An den richtigen Stellen nicke ich und wir verabschieden uns schließlich.

„Bis später. Wir treffen uns in der Mensa", rufe ich ihn hinterher, als er im Klassenraum verschwindet. In diesem Moment kommt Sydney mir entgegen. Je näher ich ihr komme, desto lauter höre ich die Rockmusik die sie durch ihre Kopfhörer hört. Die Kleine hört ja ganz schön hartes Zeug ... Ohne viel nachzudenken, tippe ich auf ihre Schulter. Sie wirbelt zu mir herum und mustert mich durchdringend mit ihren grünen Augen. Wow, dieser Blick könnte Gletscher zum Schmelzen bringen. Sie setzt einen der weißen Kopfhörer ab und blickt mich erwartend an. Mist, ich hätte wohl voher nachdenken sollen, was ich ihr sagen soll.

„Du hörst aber ganz schön laut Musik", sage ich schließlich gedehnt und komme mir wie ein Vollidiot vor. Aber ich habe sie angetippt, damit sie mich einmal mit diesen umwerfenden grünen Augen mustert.

„Ja", sagt sie und das ist das erste Mal das ich ihre Stimme höre. Sie ist angenehm und melodisch.

„Wieso hörst du sie so laut?", frage ich, weil ich einfach nur will, dass sie mich weiter so anblickt.

„Weil ich dann nichts höre, was um mich herum passiert. Es gibt mir die Chance abzutauchen und die Welt und ihre Probleme zu vergessen", sagt sie leise, wendet ihren Blick ab und verschwindet schnell in die Klasse. Mit so einer Antwort habe ich nicht gerechnet. Nachdem ich noch ein paar Sekunden auf den Platz starre, wo sie eben noch gestanden hat, drehe ich mich mit einem kleinen Lächeln um und gehe zu meinem Klassenzimmer.

In der Mittagspause sitze ich mit Lou, Hunter (einem großen Kerl, mit blonden wilden Locken), Brandon (mein Cousin, ein Jahr jünger und geht in meine Klasse) und Sam (der letzte in unserer Clique, ein Typ mit unheimlich, dunklen, schwarzen Augen) an unserem Stammplatz. In einer Ecke, alleine und vollkommen auf die Musik und ihr Essen konzentriert, sitzt Sydney. Ihren Pferdeschwanz, den sie bei unserem Gespräch vorhin gehabt hatte, hat sie geöffnet und benutzt ihre bronzefarben Haare als Vorhang, um sich von den Blicken der anderen zu schützen. Während ich meine Pommes esse, habe ich eine geniale Idee.

„Ich glaube ich sollte Sydney zur Feier am Samstag einladen."

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