33. Kapitel

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Sydney

Ich lächle ihn an und beuge mich nach vorne. Nate gibt mir einen Kuss und mein Lächeln wird breiter.

„Und wen werde ich kennenlernen?", frage ich aufgeregt und schnalle mich ab.
„Lass dich überraschen", meint Nate nur und ich verdrehe die Augen. Ich war noch nie ein Fan von Überraschungen. Ich steige aus dem Wagen und Nate nimmt meine Hand.
„Wo sind eigentlich deine Eltern?", fragt mich Nate als wir auf das große Gebäude zugehen. Ich zucke mit den Schultern. Ganz genau weiß ich das nie.
„Irgendwo unterwegs. Mein Vater ist auf seiner Tour und meine Mutter ist ihren neuen Film drehen, glaube ich. Sicher bin ich nicht, weil die eigentlich immer weg sind."

„Ist das schwer? Ich meine, vermisst du sie?"

Ich stutze. Irgendwie vermisse ich meine Eltern nicht, ich habe mich daran gewöhnt, dass sie oft weg sind. Mein Vater vermisse ich manchmal, meine Mutter eher nicht. Ich hatte irgendwie schon immer eine bessere Verbindung zu meinem Vater, da wir eine große Gemeinsamkeit haben. Musik.

„Eigentlich nicht. Außerdem habe ich ja London. Er ist ein echt guter großer Bruder und kümmert sich immer um Paris und mich, wenn wir ihn brauchen", sage ich und muss lächeln. London ist zwar manchmal etwas nervig, aber wenn ich Probleme habe, weiß ich, dass ich immer auf ihn zählen kann.

„Das klingt toll." Nate lächelt mich an und wir sind an dem großen Tresen im Eingangsbereich angekommen. Um uns herum sind viele Leute, mit schmerzerfüllten Gesichtern und Tränen in den Augen. Ich beiße mir auf die Lippe und zwinge mich, nicht darüber nachzudenken. Darüber, dass ich hier auch irgendwann enden werde.
„Alles okay?", fragt Nate und ich bemerke erst jetzt, wie ich mich an seinen Arm gekrallt habe. Ich nicke schnell und lasse sein Shirt los.

„Guten Tag. Wir möchten zu Skylar Black. Ist sie wach?", fragt Nate eine Krankenschwester. Auf ihrem Schild, welches an ihrer Uniform hängt steht, dass sie Natalie heißt.

„Hallo, Nate. Deiner Mutter geht es heute gut, sie wirkt ganz wach. Ihr könnt in ein paar Minuten zu ihr, gerade ist die Untersuchung. Setzt euch, ich sage euch Bescheid", sagt die Frau und lächelt uns freundlich an. Mit diesen Worten dreht sie sich um und Nate zieht mich zu den Bänken.

Wir setzen uns neben ein altes Paar, das bitterlich weint. Ich schlucke hart und würde am Liebsten verschwinden.

„Was ist los?", fragt Nate und zieht mich an sich. Ich lege mein Kopf auf seine Brust und schließe die Augen. Sein Herzschlag beruhigt mich und ich merke, wie meine Angst langsam schwindet.
„Ich bin nur nicht so der Fan von Krankenhäusern", sage ich schnell und spüre, wie Nate meinen Haaransatz küsst. Ich kann mir nur schwer ein Lächeln verkneifen.
„Wieso warst du eigentlich damals hier? Du weißt schon, als wir uns getroffen haben und wir uns geküsst haben", meint Nate und zuerst weiß ich nicht, was er meint. Aber dann wird mir klar, dass er damals schon seine Mutter hier besucht hat. Ob er oft hier ist?

Ich hätte nicht gedacht, dass seine Mutter krank ist. Vielleicht hatte sie einen Unfall und ist nun im Krankenhaus.
„Ich musste was abholen", erwidere ich wage und setze mich auf, um Nate ansehen zu können. Seine blauen Augen mustern mich interessiert.

„Und was?" Ich hatte gehofft, er würde sich mit der wagen Antwort zufrieden geben.
„Tabletten. Nichts schlimmes, nur gegen meinen Husten", sage ich schnell, als ich Nates geschockten Blick sehe. In dem Moment fällt mir auf, dass ich sie heute noch gar nicht genommen habe. Ich entschuldige mich und gehe in Richtung Toilette. Schnell schlucke ich die kleine weiße Tablette hinunter und gucke in den Spiegel. Ich sehe etwas müde aus, aber nicht besonders schlimm. Als ich auf den Gang trete kommt mir die Krankenschwester Natalie entgegen.
„Ach du bist Nates Freundin, oder?"

Ich nicke schnell und lächle. „Ja, das bin ich."

„Es ist so schön zusehen, wie Nate seine Mutter fast jeden Tag besucht. Das ist nichts selbstverständliches, ich arbeite jetzt schon zehn Jahre hier und leider sehe ich selten, dass Kinder ihre Eltern so oft besuchen. Aber Nates Mutter hat es auch besonders schwer getroffen", erzählt sie und ich nicke nur geschockt.
„Ist seine Nates Mutter schon lange hier?", frage ich und verschränke meine Hände ineinander, damit Natalie nicht sieht, wie sie zittern.

„Ja, jetzt knapp ein Jahr. Leider macht sie nur kleine Vorschritte, der Krebs hat sich bereits zu weit ausgebreitet. Nate hat dir ja bestimmt davon erzählt", sagt Natalie und sie sieht mich mit einem traurigen Lächeln an. Ich schlucke, um den Klos in meinem Hals zu lösen. Krebs? Oh Gott.

„Du siehst ganz schön fertig aus, willst du dich hinsetzen?", sagt Natalie besorgt und mustert mich. Ich nicke, schüttle dann jedoch den Kopf. „Nein, geht schon."

„Moment, ich kenne dich doch. Warst du schon einmal hier?", fragt Natalie plötzlich. Ich reiße die Augen auf.

„Ähm..", stammle ich und versuche meine Gedanken zu sortieren.
„Du bist manchmal hier um deine Tabletten abzuholen, oder?"

Zuerst überlege ich, ob ich es abschreiten soll, nicke dann jedoch. Es hat ja eh keinen Sinn.
„Ich habe Mukoviszidose", kläre ich sie kurz auf und senke meinen Blick. Natalie atmet scharf ein. Sie weiß also, was das ist. Naja kein Wunder, sie ist ja Krankenschwester..
„Ach, du Schreck. Weiß Nate -"

„Nein", schneide ich ihr das Wort ab und blicke sie auf. Ihr Gesichtsausdruck ist besorgt und auch mitleidig. Ich will kein Mitleid, davon habe ich schon genug.

„Ich will es ihm sagen, aber erst wenn der Zeitpunkt richtig ist", erkläre ich dann und merke, dass ich schon ziemlich lange weg bin. „Ich geh dann mal zurück zu Nate, bitte sagen Sie ihm nichts."

Natalie nickt und ich gehe in Richtung des Wartezimmers. Es kommt nie etwas Gutes raus, wenn ich in Krankenhäuser gehe.

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