19. Kapitel

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Sydney

London und ich. Selbst auf dem Nachhauseweg muss ich noch grinsen, diese Idee ist so widerlich und abartig, aber Nate weiß ja nicht, dass London mein großer Bruder ist. Und wenn er es wüsste, würde er nicht so komische Vermutungen aufstellen. Ist er vielleicht eifersüchtig? Ich verwerfe den Gedanken sofort.

Heute hat es Spaß gemacht, Nates Wohnung hat mich irgendwie ... umgehauen. Bei uns ist alles so riesig und unbewohnt und bei ihm wirkte alles ... gemütlich. Klar war es ein wenig dreckig, aber das stört mich nicht. Man merkt, dass seine Mutter nicht oft da ist, das ganze wirkt wie eine Jungessellenbude.

Ich habe gemerkt, dass er traurig war und vermute, dass mehr hinter der Geschichte seiner Mutter steckt. Aber ich wollte nicht unhöflich sein, wenn er es nicht sagen will, dann ist es sein Thema. Ich erzähle immerhin auch nicht jedem sofort, dass ich eigentlich eine reiche kranke Tochter von einem Rockstar und einer Hollywoodschauspielerin bin, meine Schwester ein Model ist und mein Bruder ein Extremsportler.

Und obwohl ich es will, kann ich Nate nicht lange sauer sein. Er ist nett, süß ... Süß? Er ist mit Paris zusammen, sage ich mir und meine gute Laune ist schon wieder verschwunden. Ich habe mich heute oft dabei erwischt, wie ich mir gewünscht habe, dass wir uns küssen. Und sein Blick, ich hatte das Gefühl, er würde meine Gedanken lesen können.

Ich bekomme eine SMS von Derek. Seufzend öffne ich sie.

Hey Syd! Tut mir Leid, was passiert ist, ich werde nicht nochmal kommen, versprochen! D.

Das Derek überhaupt etwas versprechen kann ... Ich weiß, dass er eh wieder kommen wird. Derek ist mein Exfreund. Mein einziger Ex, er war mein erster Freund. Vor ungefähr einem Jahr hatte ich eine schlechte Phase, ich bin nicht damit klargekommen, nicht mehr lange zu leben. Denn vor einem Jahr haben mir die Ärzte mitgeteilt, dass meine Lebenschancen gering sind, dass es eine minimale Chance gibt, dass ich älter werde als 25 Jahre.

Und ich habe es nicht ausgehalten, ich hatte einen kleinen Absturz. Diesen Absturz nennen ich Derek. Er war der typische Badboy, rauchte, trank Alkohol und feierte ohne Pause. Und ich stand auf ihm, habe mich für eine Zeit lang nicht Zuhause blicken lassen.

Aber nach ein paar Wochen begriff ich, dass es so nicht weiter ging, Derek war zwar nett, aber sein Lebensstil war einfach nicht meiner. Derek weiß über meine Krankheit und wer ich wirklich bin. Ich habe es ihm anscheinend erzählt, als ich ein paar Gläser zu viel getrunken habe. Am nächsten Morgen hatte ich einen Kater – den schlimmsten Kater bis dahin und da beschloss ich, dass ich das einfach nicht bin.

Derek hingegen wollte sich nicht damit abfinden, suchte mich immer wieder auf. Ich habe ihm irgendwann meine Meinung über ihm gesagt, habe ihm ins Gesicht gesagt, was für ein vollkommener Versager und Loser er ist. Daraufhin hat er sich nur noch blicken lassen, wenn er total voll ist. In letzter Zeit ist es weniger vorgekommen, aber heute ... Heute hat er mal wieder zu sehr entspannt.

Verspreche nichts, dass du nicht halten kannst, Derek.

Die SMS ist verschickt. Er muss sein Leben auf die Reihe kriegen, er ist immerhin schon mit der Schule fertig und geht weder aufs Collage oder hat einen Job. Er ist in einer Gang, dealt mit Drogen und macht lauter so ein Scheiß. Zwar sind wir nicht mehr zusammen und ich habe nicht vor, wieder mit ihm zusammen zu kommen, aber ich mach mir Sorgen um ihn.

Es tut mir echt Leid, Syd. Wer war eigentlich der Typ? Übrigens war London ziemlich unfreundlich und ich glaube, dass er mich verprügelt, wenn er mich das nächste Mal sieht. D.

London war noch nie ein Fan von Derek, ich habe ihn alles erzählt, was zwischen mir und Derek war. Er hasst Derek noch immer, obwohl er mir einfach nur Leid tut. Ich antworte nicht auf die Nachricht, es geht ihn immerhin nichts an, wer Nate ist.

Endlich bin ich Zuhause angekommen und schlinge schnell etwas zu Essen runter. Danach will ich eigentlich nur in mein Zimmer und mich ausruhen. Allerdings begegne ich Paris auf dem Flur zu meinem Zimmer.

Sie sieht mal wieder perfekt aus, blonde Locken und eisig blaue Augen. Wie ein Engel. Ihr Partyoutfit ist für meinen Geschmack etwas zu kurz, schwarzer Minirock und bauchfreies rotes Oberteil. Ist meine liebe Schwester nicht schon vergeben?

„Wo warst du?", faucht sie und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Nirgendwo", gebe ich ebenso unfreundlich zurück. Ich will sie nicht sauer oder eifersüchtig machen, auch wenn wir uns nicht immer so gut verstehen, ist sie immer noch meine große Schwester.

„Ist klar. Ich weiß, dass du bei Nate warst, London hat es mir erzählt. Denkst du echt, ich würde das nicht herausfinden?" Ihre Stimme klingt gespielt vorwurfsvoll.

„Ich habe nur an einem Projekt mit ihm gearbeitet", sage ich ruhig. Ich weiß, dass Paris ihre eigenen Meinung bereits gebildet hat und ich sie jetzt nicht mehr davon abhalten kann, mich fertig zu machen.

„Ich gebe dir ein Tipp, Sydney, wenn du meinen Freund anbaggerst, werde ich allen erzählen, wer Sydney Bloom ist. Die Presse wird sich bestimmt freuen, die traurige Geschichte über Sydney Ariola Padelewig zu hören", sagt sie und blickt mich bedrohlich an.

Was? Ich kann nicht verhindern, dass ich sie mit offenem Mund anstarre. Meine Schwester weiß, dass es fatal sein würde, sich an die Presse zu wenden ... das geht einfach nicht!

„Gut, ich denke du hast verstanden", lächelt Paris siegessicher und geht an mir vorbei.

Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Seit wann ist meine Schwester so? Ich ... wieso habe ich Nate nur geküsst, Nate und Paris sind ein Paar.

Tränen sammeln sich in meinen Augen. Nate. Schnell gehe ich in mein Zimmer und lasse mich an der Wand nach unten sinken. Mein Kopf ruht auf meinen Knien und ich kann nicht verhindern, dass die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen laufen.

Nate und ich - das hat keine Zukunft. Erstens habe ich keine Zukunft, wie lange werde ich noch leben? Und zweitens ist er mit Paris zusammen. Wegen mir wird er Paris nicht verlassen, dass will ich auch gar nicht. Es würde die Beziehung zwischen Paris und mir nur noch mehr schaden.

Den Rest des Abend sitze ich da und weine, beruhige mich und fange dann wieder an. Das Zimmer ist dunkel, ich habe keine Lust, Licht anzumachen.

Irgendwann schlafe ich ein, keine Ahnung wann, aber es ist mir auch egal. Ich sacke zur Seite, kauere mich zusammen auf dem Boden und schlafe ein.

Remember me Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt