Spartakus 2.0 (2)

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Ich habe Eleanor erst einmal ihre volle Macht einsetzen sehen, hat Demetra mir vor ein paar Wochen gesagt, und glaube mir...das willst du kein zweites Mal erleben.

Nun begreife ich, was sie gemeint hat.

Wenn ich die Schatten rufe, dann kommen sie allein. Einer, vielleicht zwei. Ich kann mit ihnen einen Holzscheit spalten, könnte verletzten, wahrscheinlich sogar töten. Aber das, was Eleanor da tut, ist auf einem ganz anderen Level. Die Schatten fließen nur so aus ihren Händen, schlängeln sich als schwarze Bänder um ihre Arme, schneller und schneller. Sie gehorchen ihr, tanzen für sie, als seien sie lebendige Wesen. Zuerst wirkt es chaotisch, aber dann stimmen sie sich allmählich aufeinander ab. Von Eleanor dirigiert beginnen sie einen Strudel zu formen, der rasch an Geschwindigkeit gewinnt.

Selbst in der Eingangshalle spüren wir die Ausläufer der freigesetzten Energie. Lauwarmer Wind bläst uns entgegen, fegt Vasen von den Tischen und rüttelt an den Vorhängen. Die Schatten drehen sich immer schneller, werden dichter. Ein schwarzer Tornado, mit Eleanor in seinem Zentrum. Mittlerweile ist der Strudel so dicht, dass ich Eleanor nicht mehr sehen kann, aber ich weiß, sie ist da. Ihre Gegenwart ist wie einen zweiten Herzschlag in der Luft.

Auch Mo muss es spüren. Er wird unruhig, die Anspannung in seinem Gesicht ist jetzt deutlicher Panik gewichen. „Das ist nicht gut", flüstert er. „Sie verliert die Kontrolle."

Ich bin noch am Überlegen, was das bedeuten soll, als aus dem Strudel eine Stimme ertönt, zu verzerrt, um wirklich menschlich zu sein. Das Tosen des Sturms ist laut, ich kann die Worte nicht verstehen, aber der Ton nimmt die Bedeutung vorweg.

Angriff.

In der Schule haben wir mal eine Doku über die Zerstörung Pompeis gesehen. Ein Vulkanausbruch hat die antike Stadt binnen Stunden unter Asche begraben. Ich habe die Bilder noch deutlich vor Augen: riesige schwarze Wolken, die in atemberaubender Geschwindigkeit den Berghang runterwalzen und alles verschlingen, was ihnen im Weg ist. Nun. Unsere Naturgewalt ist zwar ein Mensch und kein Vulkan, aber die Auswirkungen sind ähnlich.

Mit einem Mal kollabiert der Sturm aus Schatten. Meine Haare knistern und ich spüre Gänsehaut auf den Unterarmen, als sich die Luft um uns herum elektrisch aufläd. Durch die freie Energie werden die Schatten zur Seite gesprengt, rauschen als riesige schwarze Flutwelle in Richtung Wald. Die Bäume schwanken und biegen sich. Es knackt, als würden Äste brechen, aber die Stämme halten Stand. Die Schatten springen davon wie freigelassene, wilde Tiere. Bereit zu jagen und-eine Gänsehaut jagt meinen Rücken entlang- zu töten?

Nicht lange und ich höre die ersten Schreie aus dem Wald. Ohne den Sturm ist es um uns herum wieder ruhig geworden und so bekomme ich umso deutlicher mit, was in der Ferne passiert. Da drin müssen dutzende, vielleicht hunderte Leute sein. Der gesamte Wald ist von Wimmern und Weinen erfüllt. Es klingt so schrecklich, dass mir jetzt auch ohne Strom wieder eine Gänsehaut über den Rücken zieht. Offenbar haben Eleanors Schatten die Rebellen nicht umgebracht. Aber was sie stattdessen gerade mit ihnen anstellen, möchte ich lieber gar nicht wissen.

Mo zieht an meinem Ärmel. „Komm!"

Ich folge ihm an den erstarrten Alumni vorbei in den Hof. Eleanor kauert allein auf dem Pflaster. Sie ist auf die Knie gesunken und ihre Hände, mit denen sie sich aufrecht hält, zittern. „El..." Mo fasst sie an der Schulter.

Sie schreckt auf. Ihre Augenlieder flattern, ich bin mir nicht sicher, ob sie uns überhaupt erkennt. Dann klärt sich ihr Blick. „Bring mich weg." Ihre Stimme ist fest, aber leiser als sonst und sie hat einen flehentlichen Unterton. „Schnell."

Mo greift ihr unter die Arme und zusammen ziehen wir Eleanor hoch. Sie lehnt schwer auf mir, ihre Beine scheinen sie nicht mehr zu tragen. Erst als wir auf die Eingangstüre zugehen und sie die anderen Alumni im Türrahmen stehen sieht, richtet sich Eleanor von selbst wieder auf.

FabelblutWhere stories live. Discover now