Pater Familias

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Mein Sohn.

Sohn.

Damons Stimme hallt durch meinen Kopf, der plötzlich leer geworden ist. Eine Echokammer für dieses eine Wort:

Sohn.

Das kann nicht sein. Das darf nicht sein.

Mo steht da wie erstarrt. „Eleanor?" Langsam dreht er ihr den Kopf zu und in seiner Miene steht echter Horror.

„Sie ist nicht deine Mutter." Durch die Klinge an ihrem Hals, sind Margrets Worte fast tonlos. „Ich bin es."

Mo weicht zurück, lässt das Messer sinken. Er stößt seine Mutter von sich weg, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.

Margret schnappt nach Luft und greift sich an den Hals, während sie neben dem Thron auf die Knie sinkt. Vor dem massigen schwarzen Stein wirkt ihr Körper noch fragiler. Weder Damon noch Mo achten auf sie.

„Nein." Mos Blick wandert von ihr zu Damon an ihrer Seite. „Ihr lügt. Ich habe Bilder von meinen Eltern. Briefe."

Ich höre ihnen nicht mehr zu.

Wieso habe ich es nicht schon früher gesehen? Damons Gesichtsform, ein Spiegel von Mos. Die gleichen dunklen Augen. Eleanors buschige Augenbrauen. Die Augenbrauen Margrets, seiner Mutter.

„Demetra hat sie gefälscht, damit es glaubwürdiger wirkt", sagt Damon, „Sie wollte, dass du nie erfährst, wer deine Eltern sind. Vielleicht hatte sie Angst, zum schlechten Blut könnte noch schlechter Einfluss kommen. Nicht mal Eleanor durfte dir etwas sagen."

„Du hast es gewusst?" Mo schaut auf Eleanor hinunter, die sich mittlerweile auf die Knie gestemmt hat.

„Natürlich hat sie es gewusst", wispert Margret mit kratziger Kehle. „Sie war Damons Geliebte. Seine Muse, bis er das Interesse an ihr verloren hat."

„Er hat kein Interesse verloren", faucht Eleanor und dass sie unter Schmerzen spricht, macht ihre Stimme noch aggressiver. „Er hat gemerkt, dass ich ihm nicht mehr hörig bin. Dass ich ihm entgleite. Erst dann hat er sich dir zugewandt. Der Ja-Sagerin, der farblosen Langweilern, die immer mit großen Augen an ihm hing. Du warst ein leichtes Opfer. Er wollte mir wehtun, mich eifersüchtig machen und du warst zu naiv, es zu kapieren. Damon hat sich dir nur zugewandt, weil er mich nicht haben konnte."

Margret ignoriert sie. Ihr Blick ist auf Mortimer gerichtet. „Ich war schwanger, als wir gegen das Kolleg verloren. Demetra hat mich hier eingesperrt und nachdem du geboren warst, hat sie dich mir weggenommen!"

„Bitte!" Eleanor schnaubt und spuckt Blut auf den Boden. „Wie wär's wenn wir bei der Wahrheit bleiben? Demetra wollte dich begnadigen. Sie hat die ein Leben in der Menschenwelt angeboten, zusammen mit deinem Kind, wenn du Damon aufgibst!"

Margrets Augen werden weit. „Das hätte ich nie gekonnt!"

„Ganz genau! Lieber hast du dein eigenes Kind verlassen, als diesen selbstsüchtigen Arsch!"

„Ich habe es nicht verlassen. Du hast es mir weggenommen!"

„Was hätte ich denn tun sollen? Mortimer in einem Gefängnis aufwachsen lassen? Hier, an diesem Ort? Bei seinem Vater, immer unter der Gefahr, dass er seinen Sohn eines Tages tötet, wenn er ihm zu gefährlich wird? Ich habe mich um ihn gekümmert, während du lieber Damon zu Füßen gesessen und sein Ego gefüttert hast!"

„Ich weiß." In Margrets Augen glitzern Tränen. „Du hast dich um ihn gekümmert. Und allein dafür hätte ich dir verzeihen können. Aber sechzehn Jahre, Eleanor. Sechzehn Jahre, und du hast mich kein einziges Mal mit ihm besucht. Mein Sohn ist gewachsen und gewachsen, ohne, dass ich ihn treffen konnte. Weißt du, wie viele Briefe ich an Demetra geschrieben habe? Bittende, flehende Briefe, dass ich ihn wenigsten einmal sehen darf. Es kam nie eine Antwort."

„Ich habe dich besucht." Eleanor wirkt wie vor den Kopf gestoßen. „Habe versucht, mit dir zu reden. Du hast mich immer wieder abgewiesen."

„Ich wollte Mortimer sehen, nicht dich! Du hättest es ihm sagen müssen! Mit zehn, oder zwölf, oder sechzehn. Irgendwann hätte es den richtigen Zeitpunkt gegeben, ihm zu erklären, wer und wo seine Eltern sind. Vielleicht hätte er uns dann ja selbst kennenlernen wollen." Margret mustert ihre Schwester, ernst und scharf. „Genau das wolltest du verhindern, oder?"

„Ich" Eleanor schluckt. „Ich-"

„Hast du gedacht, das Böse sei so ansteckend? Dass ein Treffen mit Damon und mir reicht, um ihm zu verfallen? So wie du ihm verfallen bist? Traust du Mortimer so wenig Willensstärke zu?"

„Mortimer hat mehr Charakter, als wir drei zusammen!"

„Gut. Dann soll er jetzt selbst entscheiden."

„Hört auf!" Die Köpfe der beiden Schwestern wirbeln herum. Mortimer steht in der Mitte der Halle. Bleicher, als ich ihn je gesehen habe und am ganzen Körper zitternd. Sein Blick wandert von Eleanor über Margret zu Damon und wieder zurück. „Wisst ihr was?" Seine Stimme bebt. „Ihr alle. Ihr ganzes verlogenes Pack. Ihr könnt mich mal!"

Eleanor öffnet den Mund, aber in diesem Moment erfüllt ein Rauschen die Luft. Es klingt wie Flügel. Oder als würde etwas Gewaltiges die Luft umwälzen.

Dann treten sie aus den Schatten.

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