Der Pakt der schwarzen Waage

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Wenn man Menschen schon eine Weile kennt, kann man sich irgendwann ausmalen, wie wohl ihre Reaktion auf bestimmte Nachrichten ausfallen wird.

Als wir in Stormglen Manor ankommen, wartet Nicolas bereits im Kollegium auf uns. Der Rest der Alumni ist schnell zusammengetrommelt, schließlich sind außer Eric und mir keine mehr übrig, zumindest keine, mit denen man reden könnte.

Erwartungsgemäß ist Eric schlecht gelaunt. Immerhin haben wir ihn vom Mittagessen abgehalten (ausgerechnet heute gibt es sein geliebtes Roastbeef). Dann aber, als wir zum Tagebuch und Constanzes Verrat kommen, haben wir seine volle Aufmerksamkeit.

Die Reaktionen fallen in etwa so aus, wie ich es vermutet hatte. Von milde überrascht (Nicolas) bis abgrundtief entsetzt und persönlich erschüttert (Eric).

„Das kann nicht sein", stammelt er, immerhin fast zehn Minuten lang, „Constanze...sie...sie...", bis Nicolas irgendwann der Geduldsfaden reißt und er uns zum Weitererzählen drängt.

„Das mit der Erinnerung deiner Klasse kriegt Eleanor hin", sagt Nicolas, als ich am Ende der Geschichte angekommen bin. „Was mich besorgt, ist dieses Versprechen an Damon. Habt ihr irgendeine Ahnung, um was es da gegangen sein könnte?"

Ich schüttele den Kopf und starre auf meine Tasse. Direkt nach unserer Ankunft habe ich Mo und mir einen extra starken schwarzen Kaffee aus der Maschine gelassen. Wir hatten es nötig. „Als Eleanor zurückkam, war da so ein Zeichen auf ihrem Arm. Wie ein Tattoo. Eine schwarze Waage."

Nicolas und Eric tauschen einen alarmierten Blick.

„Bist du sicher, dass es eine Waage war?", fragt Nicolas.

Ich nicke.

„Welche Waagschale war oben? Eleanors oder Damons?"

„Eleanors...glaube ich. Da stand ein E drauf."

Nicolas flucht. Er steht auf, dreht sich zum Kamin. Ich sehe, wie sich unter seinem Hemd die Muskeln anspannen, als der sich mit beiden Händen auf dem Sims abstützt und kopfschüttelnd ausatmet.

Mo zieht die Brauen zusammen. „Was soll das mit dieser Waage?"

„Sie haben einen Pakt geschworen", sagt Eric und sein Blick ist düster. „Einen magischen Pakt. Eleanor muss beginnen. Wenn sie ihr Versprechen einlöst, ist Damon auf Ewigkeiten an seines gebunden. Er kann es nicht rückgängig machen."

„Unsere Freiheit", murmele ich, „Das hat er ihr versprochen."

„Vermutlich noch mehr als das", sagt Eric, „Vielleicht hat sie von ihm eine Art Sicherheitszusage an Mo und dich verlangt."

„Und was soll daran bitte schlecht sein?", fragt Mo.

Nicolas wirbelt herum. „Sag mal, kapierst du gar nichts? Damon ist dein Vater! Glaubst du, er gibt seinen Anspruch auf dich leichtfertig her? Sie hat ihm irgendwas dafür geboten. Etwas für ihn sehr wertvolles. Also etwas, das uns zu hundertprozentig großen Schaden zufügen wird! Und wofür? Deine Sicherheit?"

„Jetzt mach aber mal-"

„Ist doch wahr!" Nicolas funkelt mich und Mo an. „Ihr zwei seid Eleanors schwacher Punkt! Er hat sie mit euch erpresst. Das war sein Plan. Wenn ihr im Kolleg geblieben wärt, wie euch jeder gesagt hat, wäre nichts davon passiert! Dann hätten wir Hecates Tagebuch noch. Dein kindisches, beleidigtes Verhalten hat uns alles gekostet!Mortimer Blackwell...du bist der gleiche Egoist wie dein Vater!"

Mortimer starrt ihn an und die Farbe weicht aus seinem Gesicht. „Ich wollte nicht-"
„Erzähl das Eleanor, wenn sie zurückkommt!" Nicolas wendet sich ab und rauscht aus dem Salon. Kurz darauf tut Mo es ihm gleich. Ich höre weiter unten im Gang eine Tür zuschlagen.

FabelblutWhere stories live. Discover now